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Karfreitag und Karsamstag - Tage des Todes und der Trauer, Tage am Tiefpunkt. Unser Redakteur Jens Joest sagt, warum es sich lohnt, sich dieser Botschaft bewusst auszusetzen.
Wer setzt sich schon freiwillig mit roher Gewalt und entmutigendem Tod auseinander? Das Kirchenjahr mutet uns dies am Karfreitag und am Karsamstag zu.
Am Karfreitag droht die grausame Hinrichtung Jesu die eigene Mitleids-Kapazität zu überfordern. Auch in mancher Predigt scheint schon das „gute Ende“ von Ostern durch.
Den Karsamstag sieht die Gesellschaft längst als „Ostersamstag“. Selbst Katholiken nehmen ihn kaum „im Vorbeigehen“ wahr, sind gedanklich oft schon bei der festlichsten Liturgie, die die Kirche kennt – in der Osternacht.
Krieg ist Wirklichkeit selbst in Europa
Dabei lohnt es, sich der schreienden Stille des Karsamstags zu stellen. Gerade in diesem Jahr angesichts des Ukraine-Kriegs und wegen der Kirchen-Krise.
Die Ukraine zeigt: Krieg ist Wirklichkeit selbst im heute weitgehend friedlichen Europa. Massenweiser Tod, ausgelöst durch ferngesteuerte Waffen oder Soldat gegen Soldat. Gnadenlos gegen die Zivilbevölkerung – Kinder, Frauen, Senioren. Viele unschuldige Opfer bekommen nicht einmal ein würdiges Grab.
Jesus hat sich nach seiner Ermordung keine Totenruhe gegönnt. Er ist „ins Totenreich hinabgestiegen“, hat die Nähe zu den Verstorbenen gesucht – auch das ein Zeichen von Menschenliebe. Christen können diese Liebe am Karsamstag ausdrücken im Gebet für weniger gewaltsame Tode, für Frieden und für die dauerhafte Nähe der Opfer bei Gott.
In der Kirchen-Krise ist jede und jeder Einzelne gefragt
Auch die Kirchen-Krise mahnt an Karsamstag zum Innehalten: Keine Feiern der Gemeinschaft und Versöhnung, die Kirchen verwaist, das gesellschaftliche Ansehen zerstört durch Missbrauchs-Taten. Gott scheint abwesend, ein Tag, eine Zeit der Trauer.
Aber fühlen sich eigentlich jede Christin und jeder Christ dafür mitverantwortlich, dass es in der Kirche besser wird? Wer betet noch für Berufungen? Wer betet noch für ein vertrauensvolles Miteinander, für Kompromissbereitschaft auf allen Seiten bei notwendigen und sinnvollen Änderungen im Kirchenalltag? Und wer sucht noch ernsthaft die Antwort auf die „Gretchenfrage“: Welche Rolle spielen Gott und Glaube in meinem Leben?