Stift Tilbeck berät Senioren und Menschen mit Handicap

Wie „Alexa“ und Co. die Pflege erleichtern

Stift Tilbeck in Nottuln-Havixbeck hat seit fünf Jahren in einem Möbelhaus in Senden-Bösensell eine barrierefreie Musterwohnung mit Hilfsmitteln aufgebaut. In einem Büro in Münster-Roxel bietet es dazu Beratung an.

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Das Wohnen wird smart. Davon ist Marcus Hopp überzeugt. Bereits jetzt sei es möglich, mit dem Smartphone die WLAN-fähige Wanne mit heißem Badewasser volllaufen lassen, sagt er. Doch Luxus hat der Diplom-Pädagoge nicht im Sinn. „Mit innovativer Technik können sich ältere und behinderte Menschen ihre Selbstständigkeit erhalten oder sie sogar noch erhöhen“, sagt er. Für den Haushalt gebe es zahlreiche digitale Lösungen.

Hopp leitet die TAT: die Technische Assistenz Tilbeck. In seinem Büro in Münster-Roxel informieren er und zwei Mitarbeiterinnen Menschen, wie sie trotz Handicaps in ihren eigenen vier Wänden leben können. Die Beratung sei individuell. „Es gibt keine Technik von der Stange. Sie muss auf die Person abgestimmt sein“, sagt er.

 

Kostenlose Beratung

 

Hopp kommt auch ins Haus, ermittelt mit den Ratsuchenden Konzepte und unterstützt sie bei Bedarf bei der Anschaffung, Finanzierung, Installation und beim Gebrauch der Technik. „Kostenlos und ohne eigene wirtschaftliche Interessen“, sagt er. Das Projekt wird von der „Aktion Mensch“ gefördert, ist auf Münster und den Kreis Coesfeld ausgerichtet und zunächst bis Januar 2020 begrenzt.

Wohnzimmer.
Wohnzimmer mit Essbereich in der Musterwohnung. | Foto: Karin Weglage

Noch niedrigschwelliger können sich Kunden bei Hardeck in Senden-Bösensell übers Wohnen im Alter oder mit einer Behinderung informieren. Dort ist in der ersten Etage des Möbelhauses eine barrierefreie Musterwohnung mit Küche, Ess-, Wohn- und Schlafbereich und Bad aufgebaut. Vor fünf Jahren hat das Stift Tilbeck die Musterwohnung mit dem Möbelhaus Staas konzipiert, das später von Hardeck übernommen wurde.

 

Ein Herdsensor verhindert Wohnungsbrände

 

„Viele Menschen setzen sich nicht präventiv mit solchen Techniken auseinander, sondern erst, wenn sie eingeschränkt sind“, bedauert Hopp und geht auf den Herd zu, um ein längliches, silberfarbenes Gerät über dem Kochfeld he­rauszuheben. Den Herdsensor. „Er registriert die Hitzeentwicklung und Bewegungen am Herd“, erläutert er. Wird es ihm zu heiß, kappt er die Stromzufuhr. Ein Herdsensor sei heute für unter 500 Euro zu haben, inklusive Anbringung. Für Menschen mit „geminderter Alltagskompetenz“ – etwa bei Demenz oder Lähmungen – könnten auch die Pflegekassen die Kosten übernehmen.

Für Alleinstehende hält Hopp Kombi-Sensoren für sinnvoll, die einen Notruf aktivieren können. Sie reagieren auf Temperatur und Helligkeit in jedem Raum, in dem sie unter oder über Putz angebracht sind. „Wenn jemand etwa regelmäßig gegen acht Uhr aufsteht, und um zehn Uhr die Rollläden noch runter sind, registriert es das System.“ Es passe sich den Gewohnheiten der Person an. Auch einen Sturz könne es wahrnehmen, weil es Bewegung erwartet.

 

Türen öffnen, ohne aufzustehen

 

Problematisch werde diese Sensibilität nur, wenn jemand zwei Stunden ruhig auf dem Sofa sitzt und liest. „Dann sollte man einen Chip im Kissen haben, der das weiß“, so Hopp. Für eine durchschnittliche Wohnung lägen die Kosten für Geräte  und Installation bei etwa 2500 Euro. Er rechne aber damit, dass die Sensoren künftig günstiger werden.

Smartwatch.
Die Smartwatch erinnert an Termine und  Medikamente. | Foto: Karin Weglage

Auch Bettsensoren könnten Unfälle registrieren. „Die meisten Stürze passieren in der Nacht beim Gang auf die Toilette. Die Sensoren erkennen, ob jemand schläft, wach ist oder aufsteht.“ Sei die Person wenig mobil, könnten eine digitale Freisprechanlage und ein digitaler Türöffner helfen. Ein Bildschirm zeigt dann an, wer vor der Tür steht.

 

"Alexa, stell die Kaffemaschine an!"

 

Auch die Anschaffung einer Smartwatch gehört für Hopp zu einem digitalen Haushalt. „Die Uhr kann das Wetter oder Termine anzeigen und ihren Träger an die Medikamenten-Einnahme erinnern.“ Steuern könne sie der Träger selbst oder ein anderer für ihn – über das Smartphone oder Alexa. „Einen Server braucht es nicht. Das läuft alles über die Cloud (Rechnerwolke). Und mit dreimal Draufdrücken können Sie einen Notruf bei Verwandten oder Freunden absetzen.“



Alexa
Alexa ist eine sprachgesteuerte digitale Assistentin. | Foto: Karin Weglage

Von Alexa, der durch Sprache gesteuerten digitalen Assistentin,  hält Hopp viel. „Sie können sich mit einem Online-Kaufhaus verbinden oder Getränke bestellen.“ Auf Dauer werde auch der Online-Vertrieb von Lebensmitteln gebräuchlicher, ist er überzeugt. Kein Tippen sei mehr nötig, was vielen älteren Menschen schwerfalle. Der Verbraucher kommuniziere nur mit dem Raum.

 

Was hilft, gewinnt

 

Alexa könne zudem mit einer vernetzten Glühbirne (für unter 80 Euro) das Licht an- und ausschalten, die Kaffeemaschine betätigen, das Fenster öffnen und schließen, wenn entsprechende Zusätze installiert sind. „Digitale Barrierefreiheit ist nicht mehr teuer“, sagt Hopp. Vernetzte Geräte seien heute so günstig wie nicht vernetzte.

Doch was ist mit dem Datenschutz? Was wird aus all den Infos, die Sensoren, Uhren und Alexa einsammeln? „Wenn die Hilfsmittel die Menschen weiterbringen, finde ich das nicht kritisch“, sagt er. Natürlich müssten die Berater aufklären, was mit den Daten passieren könne. „Aber wenn Menschen im Alter oder mit einem Handicap dadurch Lebensqualität gewinnen und zuhause wohnen können, ist der moralische Zeigefinger fehl am Platz“, sagt Hopp

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