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Gottesdienste müssen nicht immer gleich ablaufen, Experimente sind gewünscht. Stefan Rau, Pfarrer in Münster und Liturgie-Experte, sagt, was geht und was eher nicht.
Stefan Rau ist Pfarrer in Münster und Vorsitzender der Liturgie-Kommission im Bistum Münster. Vier Fragen zu Grenzen und Chancen von Experimenten in Gottesdiensten.
Muss es im Gottesdienst immer eine Lesung aus der Bibel sein, oder ist auch mal eine bewegende Erzählung denkbar?
Was dient dem Ziel dieses Gottesdienstes, was bringt diese jetzt hier feiernden Christenmenschen Gott näher? In diesem Sinn kann eine nichtbiblische Erzählung sicher manchmal „bewegender“ als eine schwierige biblische Lesung sein. Daher ist es etwa für Kinder- oder Gruppengottesdienste erlaubt, zusätzlich auch solch einen Text zu lesen. Ein Gottesdienst ohne jede biblische Lesung wäre für Christen allerdings nicht denkbar: Das Hören auf Gottes Wort ist neben der Versammlung und dem Gebet eine der tragenden Säulen jedes Gottesdienstes.
Wie sieht es mit der Musik aus? Darf es auch mal Techno, Rap oder Rock sein?
Pfarrer Stefan Rau. | Foto: Michael Bönte
Man kann bei der Gottesdienstgestaltung inhaltliche und Stil-Fragen unterscheiden. Nach der Präfation singen wir ja ewa „mit den Engeln und Heiligen: Heilig, heilig, heilig…“ Da übernimmt also die Gemeinde mit ihrem Gesang sogar einen Teil des Hochgebets, kann also nicht irgendein Loblied singen. In welchem musikalischen Stil die Gemeinde das tut, steht ihr völlig frei – von lateinischer Gregorianik bis zum Rap. Da hat die Kirche bestimmt, dass sie keinen bestimmten Stil ausschließt.
Kann auch mal ein Jugendlicher predigen? Geht statt Predigt ein kurzes Theaterstück?
Etwas flapsig: Natürlich kann auch der Torwart beim Fußballspiel stürmen, aber eigentlich ist das nicht seine Rolle. Ein Gottesdienst ist auch ein „heiliges Spiel“ mit verschiedenen Rollen: Die Lektorin liest die Lesungen, der Kantor singt den Antwortpsalm, der Diakon verkündet das Evangelium: Selbst wenn ein Kardinal mitfeiert, ist das so! Genauso gehört es zur Idee einer Eucharistiefeier, dass deren Vorsteher die Predigt hält. Das schließt aber überhaupt nicht aus, dass etwa bei Gruppen- oder Jugendgottesdiensten andere ein Glaubenszeugnis geben, einen Dialog führen oder etwas einspielen.
Gibt es eine Faustformel dafür, was im Gottesdienst geht und was nicht?
Eine schwierige Frage, denn man kann ziemlich einfach sagen, was erlaubt und verboten ist – aber das sagt eben noch nichts darüber aus, ob ein Gottesdienst für die Gemeinde geistlich fruchtbar war. Ich erfahre Gottesdienste immer dann als besonders gelungen, wenn sie die Spannung halten zwischen Ordnung und Freiheit, Tradition und Kreativität, Ritual und Menschenfreundlichkeit. Wie es mir mal ein Bräutigam mit Schulterschlag nach der Trauung sagte: „War echt cool – richtig feierlich und persönlich!“
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