Laura Rolfes aus dem Generalvikariat nimmt Kontakt zur wachsenden Gruppe auf

Wie eine 28-Jährige alte Priester im Bistum Münster unterstützt

  • Seit zwei Jahren nimmt Laura Rolfes aus der Hauptabteilung Seelsorge-Personal im Bischöflichen Generalvikariat Kontakt zu Priestern im Ruhestand auf.
  • Ihre Zielgruppe wächst – derzeit gibt es etwa 400 emeritierte Priester im Bistum Münster.
  • In Corona-Zeiten ist die Kontaktaufnahme besonders schwierig.

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Ihre Stelle ist noch neu, ihre Zielgruppe wächst: Seit knapp zwei Jahren ist Laura Rolfes im Bistum Münster für die emeritierten Priester zuständig. „Gruppe Senioren“ heißt ihr Arbeitsbereich in der Hauptabteilung Seelsorge-Personal im Bischöflichen Generalvikariat. Dazu gehören auch Ständige Diakone und Pastoralreferenten im Ruhestand. Die sind aber weitaus weniger in ihrem Fokus als die Priester. Das hat seinen Grund. Den ehemaligen Pfarrern fehlt häufig die Familie als direkte Unterstützung im Alter.

„Priester haben keine Partnerin oder Kinder, die sie in ihrer Situation unterstützen“, sagt Rolfes. Die Fragen und Sorgen im letzten Lebensabschnitt aber sind die gleichen wie bei jedem anderen. „Wie kann ich den Alltag organisieren, wie regele ich meine Finanzen, brauche ich pflegerische Unterstützung…“, zählt sie auf. Oft sind es aber auch kleine Dinge, bei denen ihnen Hilfe fehlt. „Zum Beispiel im Umgang mit Technik oder bei bürokratischen Dingen.“

 

Es gibt Zurückhaltung, Hilfe anzunehmen

 

Etwa 400 Priester im Ruhestand gibt es derzeit im Bistum. „Kontakt zu ihnen zu knüpfen ist aber schwer“, sagt Rolfes. Das hat viele Gründe. Zum einen sind viele von ihnen nach dem Ausscheiden aus ihrem Pfarrdienst in andere Städte gezogen, um ihren Nachfolgern nicht im Wege zu stehen. „Im hohen Alter ist es dann nicht leicht, noch einmal ein neues soziales Umfeld aufzubauen.“ Wenn die Haushälterin fehlt und gewachsene Beziehungen wegbrechen, gibt es manchmal niemanden, der die Situation im Auge behält und Unterstützung organisieren kann.

Zum anderen erlebt Rolfes bei den alten Priestern auch eine Unsicherheit darin, Hilfe annehmen zu können. „Sie waren als Pfarrer oft ihr ganzes Leben die Macher, selbstständig und unabhängig.“ Sich darauf einzulassen, im Alter auf Hilfe angewiesen zu sei, fällt einigen dann schwer.

 

Allen Themen, die im Alter aufkommen

 

„Viele haben das Angebot des Bistums aber auch gar nicht im Blick.“ Rolfes geht die Kontaktaufnahme deshalb offensiv an. Sie schreibt Briefe, stellt ihre Arbeit vor, besucht die Treffen der Weihejahrgänge. Die Informationen, die sie mitbringt, sind dabei konkret. Es geht um Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder um Wohnberatung. „Um alle Themen, die am Alter auf einen Menschen zukommen.“

Themen, die auch abschrecken können. Gerade, wenn es um einen möglichen Weg ins Pflegeheim geht. „Eine solche Zurückhaltung kennt jeder von uns aus seiner Familie.“ Bei Priestern gibt es sie genauso, kann aber nicht im vertrauten Verwandtenkreis besprochen werden. Menschen aus dem Umfeld sind oft nicht nah genug dran, eine solch entscheidenden Frage anzugehen.

 

In jeder Phase Ansprechpartnerin

 

Laura Rolfes ist seit zwei Jahren für die Priester im Ruhestand des Bistums Münster zuständig.
Laura Rolfes ist seit zwei Jahren für die Priester im Ruhestand des Bistums Münster zuständig. | Foto: Michael Bönte

Die Situationen der Emeriti unterscheiden sich. Es gibt jene, die bereits in einer Pflegeeinrichtung leben, andere, die mit pflegerischer Unterstützung noch daheim wohnen können, wieder anderen ist es möglich, alles noch allein zu bewältigen. „Ich bin in jeder dieser Phasen Ansprechpartnerin“, sagt Rolfes. „Denn es gibt immer Fragen, die wir manchmal im Ausblick und manchmal akut regeln können.“

Dinge im Vorfeld zu regeln, ist ihr ein besonderes Anliegen. Das könne den Priestern viele Nöte und Sorgen ersparen. „Oft nehmen sie ihre Probleme aber erst wahr, wenn sie schon darunter leiden.“ Wenn ihr Bewegungsraum so eingeschränkt ist, dass soziale Kontakte kaum noch möglich sind. Wenn die Bürokratie ihnen über den Kopf wächst. Oder wenn das Alltägliche sie überfordert.

 

Mitarbeiter aus Pfarrgemeinden als Ansprechpartner

 

Rolfes spricht immer wieder auch Mitarbeiter aus den Pfarrgemeinden an, einen Blick auf die alten Priester zu haben. „Nicht nur auf die ganz alten, sondern auch auf die, mit denen ich langfristig den Ruhestand planen kann.“ Es geht ihr dann darum, sich mit ihnen zusammenzusetzen, über die Situation zu sprechen, Unsicherheiten und Fragen herauszufinden und gemeinsam Lösungen zu finden. „Dabei schau ich natürlich auch immer, wer aus dem familiären Umfeld unterstützen kann.“

Sie muss lachen, als sie sich an den Satz eines alten Priesters über seinen Kollegen erinnert, mit dem sie Veränderungen in dessen Lebenssituation planen wollte. „Er sagte, dass daran schon manch andere gescheitert sei, inklusive langer Wegbegleiter.“ Rolfes sagt, dass sie vielleicht einen Vorteil hat, wenn sie als junge Frau von außen auf die Emeriti zugeht. „Möglich, dass sie in mir etwas wie eine Enkelin sehen und dadurch Vertrauen finden können.“

 

Auch alltägliche Probleme bekommen Raum

 

Die Bandbreite an Problemen, die sie dann lösen kann, ist groß. „Manchmal ruft mich ein Priester an und fragt, wie er es schaffen kann, dass die Beihilfe die Kosten seiner neuen Brille übernimmt.“ Gerade bei Bankgeschäften oder Krankenkassenabrechnungen ist ihre Hilfe oft gefragt. Es gibt aber auch Anrufer, die sie einfach fragen wollen, wie sie ihr Radio richtig anschließen können. „Auch da helfe ich gern.“

Es gibt auch große, existentielle Sorgen, die an sie herangetragen werden. „Vor kurzem erfuhren wir von einem Priester über seine hohen Schulden.“ Er war mit dem Schriftverkehr zur Bank und zur Krankenversicherung überfordert. Rolfes setzte sich mit einem Schuldnerberater zusammen und erarbeitete ein Konzept für die Situation. „Allein wäre dem Priester die Klärung nicht möglich gewesen.“

 

Corona macht die Situation schwierig

 

Eigentlich müsste sie überrannt werden mit Anfragen. Denn die Zahl der emeritierten Priester steigt, zudem erreichen sie immer höhere Lebensjahre. Als Folge wächst auch die Nachfrage. „Ich habe aber bislang kaum erlebt, dass mich mal ein Emeriti aus Eigeninitiative angerufen hat.“ Der Anstoß muss von ihr kommen. Derzeit ist das durch die Corona-Pandemie besonders schwer. Nicht nur, dass die Treffen der Weihejahrgänge derzeit ausfallen, auf denen sie Kontakte knüpfen kann. Auch die wichtigen Besuche bei den Priestern können derzeit nicht stattfinden. „Die sind zu Beginn der Kontaktaufnahme aber unumgänglich, um eine persönliche Beziehung aufzubauen.“

Dass in der Pandemie-Zeit auch die Sorgen der alten Priester besonders groß sind, weiß sie. „Sie gehören fast alle zur Risikogruppe und müssen auf Abstand zu ihrem sozialen Umfeld gehen.“ Diese Distanz kann sie einsam machen. „Wenn dann kein Ansprechpartner da ist, wird es besonders schwer.“ Vor einigen Wochen hat sie deshalb wieder begonnen, unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln Besuche vor Ort zu machen. „Jetzt im November ist das wegen des Teil-Lockdowns schon wieder nicht mehr möglich.“

 

Pfarrer aus Drensteinfurt vermisst Kontakt zu anderen

 

Der emeritierte Pfarrer Arnold Janssen aus Drensteinfurt organisiert mit seinen 91 Jahren seinen Alltag noch allein.
Der emeritierte Pfarrer Arnold Jansen aus Drensteinfurt organisiert mit seinen 91 Jahren seinen Alltag noch allein. | Foto: Michael Bönte

Der emeritierte Pfarrer Arnold Jansen aus Drensteinfurt kennt diese Situation. Seinen Alltag hat das Virus nicht groß verändert. „Ich bin eigentlich immer ein wenig in Quarantäne – ich kann auch sonst nur noch in meiner Wohnung und im Garten unterwegs sein.“ Die hauswirtschaftliche und pflegerische Hilfe läuft auch jetzt weiter. Besuche empfängt der 91-Jährige aber derzeit nur sporadisch. „Ich frühstücke, bekomme die heilige Kommunion gebracht, lese viel und gehe bei gutem Wetter einen Schritt vor die Tür.“ Eines hebt er noch heraus: „Ich bete mit Blick auf Corona im Moment drei Mal am Tag den Rosenkranz.“

Was er derzeit am meisten vermisst, sind die Treffen mit den anderen Priestern in seinem Alter. „Die sind für mich sehr wertvoll.“ Weil das für ihn auch immer ein Blick in das Bistum ist, sagt Jansen. „Natürlich lese ich die Kirchenzeitung, aber im Gespräch mit meinen Brüdern erfahre ich auch sehr viel über das, was in unserer Kirche gerade alles passiert.“

 

Es geht um Wertschätzung

 

Das Gefühl, nicht aus dem Blick der Verantwortlichen im Bistum zu geraten, ist vielen Emeriti wichtig, sagt Rolfes. Auch das spielte eine Rolle, als vor zwei Jahren ihre Stelle eingerichtet wurde. „Es geht um Wertschätzung der Priester, die jahrelang für die Kirche im Dienst waren und ihnen jetzt im Alter zur Seite zu stehen.“ Sie bringe bei ihren Besuchen immer das unausgesprochene Versprechen mit, dass „das Bistum an euch denkt“.

Sie kommt deshalb nicht nur als Sozialarbeiterin. Sie kommt auch als Seelsorgerin. Ihr Studium der sozialen Arbeit hat die 28-Jährige mit einer Ausbildung in Diakonie-Wissenschaft an der Fachhochschule für Diakonie in Bethel ergänzt. Bei den Gesprächen mit den alten Priestern sind beide Professionen gefragt. Oft sitzt sie bei den ersten Begegnungen zwei, drei Stunden mit ihnen am Tisch, auf den dann alles kommen kann, was anliegt. Den meisten Raum nimmt aber meist eine Unterhaltung ein, bei denen Erinnerungen der Priester im Vordergrund stehen.

 

Ein Lächeln zum Abschied

 

Wie wertvoll das für die Emeriti ist, bekommt sie immer wieder gespiegelt. An dieser Stelle erzählt sie die Geschichte von jenem Priester, der bei ihrem ersten Treffen für sie Spargel kochte. „Beim zweiten Mal im Winter, erinnerte er sich, wie gern ich den gegessen hatte, und kochte ihn wieder für mich – er hatte extra eine Portion eingefroren.“

Ohnehin habe sie noch nie einen nur tristen Besuch erlebt, so schwer auch die ein oder andere Situation war. „Die Atmosphäre ist am Ende immer gelöst und ich werde mit einem dankbaren Lächeln verabschiedet.“

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