„Oldenburger Gespräche“ des Kolpingwerks Land Oldenburg fallen aus

Wie linke Antisemiten zum Problem werden

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Das Kolpingwerk Land Oldenburg wollte bei seinen „Oldenburger Gesprächen“ am 7. November Antisemitismus zum Thema machen. Die als Videokonferenz geplante Veranstaltung wurde jetzt kurzfristig abgesagt. Referent Jonas Christopher Höpken, Theologe und Sozialarbeiter aus Oldenburg, erklärt, wo und wie sich Hass gegen den jüdischen Glauben in seiner Stadt zeigt.

Wenn wir über Antisemitismus sprechen: Gibt es denn heute überhaupt jüdisches Leben in Oldenburg?

Seit 1992 gibt es in Oldenburg eine neue jüdische Gemeinde, die drei Jahre später auch eine moderne Synagoge einweihen konnte. Seitdem entwickelt sich hier ein sehr aktives jüdisches Leben. Die Gemeinde ist in die Stadtgesellschaft sehr gut eingebunden; sie umfasst heute 300 Mitglieder. Mit Alina Treiger gibt es hier eine Rabbinerin, die der Gemeinde ein offenes und freundliches Gesicht gibt.

Beobachten Sie in der Stadt trotzdem Antisemitismus?

Oldenburg ist geprägt von einem offenen und liberalen Klima. Da wird rechtsextremistischer Antisemitismus nicht akzeptiert und hat im öffentlichen Diskurs keinen Platz hat. Es gab und gibt aber immer wieder anonyme antisemitische Vorfälle wie Grabschändungen auf dem jüdischen Friedhof oder Schmierereien an der Synagoge. Die Stadtgesellschaft hat darauf immer einhellig mit Solidarität gegenüber der jüdischen Gemeinde und der klaren Verurteilung der antisemitischen Vorfälle reagiert.

Also ist in diesem Sinne doch alles in Ordnung in Oldenburg.

Keineswegs. Ein Problem sind die Aktivitäten der Bewegung BDS („boycott, desinvest, sanctions“, Red.) in Oldenburg, die sogenannte Israelkritik mit antisemitischer Propaganda verbindet. Sie lehnt die Existenz des jüdischen Staates ab, ruft zum Boykott jüdischer Waren auf und hetzt gegen Juden. Die Vertreter und Sympathisanten der BDS geben sich dabei einen vermeintlich linksliberalen Anstrich. Teile gerade des linksliberalen Milieus sind empfänglich für überzogene Israelkritik und den damit verbundenen Antisemitismus, von anderen Teilen desselben Milieus kommt aber auch deutlicher Widerspruch dagegen.

Wie sieht der denn aus?

Nur ein Beispiel: Die BDS konnte ihre Veranstaltungen oft in städtischen Räumen machen. Der Stadtrat hat den Oberbürgermeister schon vor anderthalb Jahren aufgefordert, das so weit wie möglich juristisch zu unterbinden. Das scheint aber nicht so einfach zu sein scheint; auf jeden Fall ist dieser Beschluss des Stadtrates immer noch nicht umgesetzt. Inzwischen hat sich aber auch ein neues Problem ergeben.

Welches denn?

Seit der Corona-Zeit gibt es auch hier die sogenannten Hygiene-Demos gegen die Anti-Corona-Maßnahmen. Die arbeiten auch mit antisemitischen Stereotypen und Verschwörungstheorien. In Oldenburg gibt es glücklicherweise immer Widerspruch durch vernünftige Gegendemonstranten.

Wo sehen Sie Ursachen für solchen aktuellen Antisemitismus?

Zunächst einmal: Wenn wir über Ursachen sprechen, dürfen wir diese nicht als Entschuldigung für antisemitisches Gedankengut oder gar antisemitische Akte akzeptieren.

Das ist klar.

Ich sehe eine Ursache im schwindenden sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Ein wachsender Teil der Bevölkerung sieht sich sozial abgehängt. Dazu kommt: Religiöse Überzeugungen binden die Menschen weniger als früher. So macht sich Orientierungslosigkeit breit. Das wiederum macht anfällig für die Suche nach Sündenböcken. Und wenn Menschengruppen gesucht werden, die man für die eigene Unzufriedenheit verantwortlich machen kann, führt das fast immer auch zum Wiederaufkochen uralter antisemitischer Hetzparolen.

Gilt das so auch für Oldenburg?

Da die soziale Stabilität in der Stadt Oldenburg vergleichsweise hoch und das Klima vergleichsweise offen und liberal ist, trifft der Antisemitismus hier nicht so deutlich auf wie anderswo.

Oldenburger Gespräche
Die „Oldenburger Gespräche“ des Kolpingwerks Land Oldenburg sollten dieses Jahr zum 23. Mal stattfinden. Sie nehmen jedes Jahr ein sozialpolitisches oder kirchliches Thema auf. Der vorgesehene Podiumsteilnehmer Jonas Christopher Höpken aus Oldenburg sitzt im Vorstand der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Oldenburg. Er arbeitet im Sozialdienst im Landeskrankenhaus Wehnen, sitzt im Bistumsvorstand Münster der KAB und für die Linken im Stadtrat von Oldenburg.

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