Buch gibt Tipps gegen eine „rechte Normalisierung“

Warum Rechtsextremismus in der Kirche nicht salonfähig werden darf

  • Der Arbeitskreis Politische Theologie in Münster hat sich mit der Gefahr einer Normalisierung rechtsextremer Positionen in der Kirche auseinandergesetzt.
  • Die Gruppe entstand nach dem gemeinsamen Engagement gegen die Einladung eines AfD-Politikers zum Katholikentag 2018 in Münster.
  • Im Buch „Rechte Normalisierung und politische Theologie“ fassen sie Gründe für und mögliche Positionierungen gegen diese Entwicklung zusammen.

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Den Ursprung hatte das Engagement auf dem Katholikentag 2018 in Münster. Als die Verantwortlichen neben den religionspolitischen Sprechern der anderen Bundestagsfraktionen auch einen Vertreter der AfD einluden, formierte sich Widerstand. In einem offenen Brief wendeten sich mehr als 50 Theologen gegen dieses Vorhaben, darunter eine große Zahl aus dem Bistum Münster. Vergeblich – die Veranstaltung fand statt, es kam zu lauten Protesten. Für einen Kern jener, die den Brief unterzeichneten, war dies der Anlass, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Drei Jahre danach veröffentlicht dieser Arbeitskreis Politische Theologe dazu ein Buch: „Rechte Normalisierung und politische Theologie“.

„Wir wollten an dem Problem dranbleiben“, sagt Julia Lis, Theologin am münsterschen Institut für Theologie und Politik. „Auch weil wir damals spürten, welcher Gegenwind durchaus aus dem kirchlichen Milieu kam.“ Welche Standpunkte, Strategien und Argumente gibt es innerhalb der Kirche? Diese Frage stellten sich die Theologen. „Und es ging uns um die Reaktion: An welchem Punkt und wie müssen wir uns positionieren?“

 

Rechtsextreme Ansichten werden geduldet

 

Julia Lis ist Theologin am münsterschen Institut für Theologie und Politik. | Foto: Michael Bönte
Julia Lis ist Theologin am münsterschen Institut für Theologie und Politik. | Foto: Michael Bönte

Es folgten eine Tagung und Workshops, bei denen man mit Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen ins Gespräch kam: Politiker, Vertreter aus Pfarrgemeinden, Wissenschaftler und Aktionsgruppen, etwa aus der Flüchtlingshilfe. Eine Sache stellte sich dabei besonders deutlich dar, sagt Lis: „Rechtsextreme Äußerungen und Positionen stehen schon lange nicht mehr in einer geächteten Ecke der Öffentlichkeit.“ Sie finden sich immer mehr in einem gesamtgesellschaftlichen Raum wieder, der geduldet wird. „Gerade auch weil sich die AfD als legitim gewählte demokratische Partei mit ihren Standpunkten als gesellschaftsfähig gibt.“

Eine Normalisierung, die sich durchaus auch im kirchlichen Raum wiederfindet, sagt Gregor Taxacher. Der Theologe aus Köln gehört ebenfalls zu den Autoren des Buches. „Es geht dabei aber nicht um ein gesellschaftliches Problem, auf das Kirche reagieren muss, sondern um eine Entwicklung, die innerhalb der Kirche stattgefunden hat und stattfindet.“

 

Uneinigkeit innerhalb der Kirche

 

Als Beispiel nennt Taxacher die einstigen Pegida-Demonstrationen: „Während die einen in der katholischen Kirche als Gegendemonstration die Glocken geläutet haben, wurden von anderen Katholiken Handzettel gegen das Läuten verteilt.“ Die Türen in diesen kirchlichen Raum sind vor allem jene Themen des rechtsextremen Spektrums, die zu konservativen Einstellungen innerhalb der Kirche passen, sagt der Theologe: „Die Suche nach einer autoritären Gesellschaftskonstellation ist auch einigen Katholiken nicht fremd.“

Und so komme es, dass sich etwa im Familienbild, beim Geschlechterverhältnis oder ethisch-medizinischen Fragen eine Schnittmenge zwischen rechtsextremen Vorstellungen und konservativ-katholischen Ansichten ergäben, sagt Taxacher. „An diesem Punkt tut sich die Kirche dann schwer, sich mit einer deutlichen Stimme abzugrenzen.“ So wie es seiner Meinung nach beim Katholikentag 2018 in Münster war.

 

Rote Linie darf nicht überschritten werden

 

Gregor Taxacher ist gehört ebenfalls zu den Autoren des Buches „Rechte Normalisierung und politische Theologie“. | Foto: Michael Bönte
Gregor Taxacher gehört ebenfalls zu den Autoren des Buches „Rechte Normalisierung und politische Theologie“. | Foto: Michael Bönte

Die Offenheit für unterschiedliche Ansichten, die in der katholischen Kirche wichtig sei, dürfe aber nicht zu einer Akzeptanz von Meinungen führen, die mit dem Kern des Glaubens nicht mehr vereinbar seien. „Es gibt eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf.“ Genau an dieser Linie positioniere sich das aktuelle Buch, sagt Taxacher. „Dort, wo politische Positionen unvereinbar mit unserem Glauben sind, müssen wir theologisch einschreiten.“

Eine solche Argumentation helfe auch den Menschen in den katholischen Pfarrgemeinden, Gruppen und Verbänden, die der Problematik gegenüberstünden, sagt Julia Lis. „Denn auch dort sehen sich die Verantwortlichen immer wieder mit Personen und Äußerungen aus dem rechtsextremen Bereich konfrontiert.“ Dann gehe es darum, das nicht zur Normalität werden zu lassen, sondern zu zeigen, wie eine selbstbewusste Auseinandersetzung aussehen könne.

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