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Es sollte „eine leichte Sache“ werden: Ein Zeuge schildert vor Gericht, was nach dem Raub mit dem Borghorster Stiftskreuz geschah – und er belastet den Angeklagten.
Im Prozess um das Borghorster Stiftskreuz hat einer der bereits verurteilten Diebe den Angeklagten Seyhmus C. belastet, sich aber zugleich – auch im Vergleich zu früheren Vernehmungen – in Widersprüche verwickelt. Auch wies seine Zeugenaussage am Freitag vor dem Landgericht Münster immer wieder Erinnerungslücken auf. Er gab zu, den Angeklagten bereits vor der Tat gekannt zu haben, und stellte ihn als Auftraggeber des Raubes dar.
Der Zeuge, der zu einer arabisch-libanesischen Großfamilie gehört, berichtete, bei einem Treffen vor einer Shisha-Bar in Bremen-Huchting sei zwischen Mohammed, einem seiner Komplizen, und dem Angeklagten C., der dessen Onkel sei, über das Vorhaben gesprochen worden. Er selbst habe nicht viel mitbekommen. Mohammed habe erklärt, dass sie „eine leichte Sache“ machen und dafür 1.000 Euro bekommen sollten. Etwas solle aus einem Gebäude in einem Dorf gestohlen werden.
Vitrine war „einfach aufzubrechen“
Ein paar Tage später habe ein Bulgare ihn – den Zeugen – und seine Komplizen in einem Mercedes-Kombi abgeholt und nach Steinfurt-Borghorst gefahren. Erst als sie vor St. Nikomedes gestanden hätten, sei ihm klar geworden, dass es um eine Kirche gehe, so der Zeuge. Er sei dann nur bis zur Hälfte des Kirchen-Innenraums gekommen und danach zurückgegangen, habe schließlich an der Tür Wache gestanden.
Obwohl die Täter kein Handwerkszeug bei sich gehabt hätten, sei es einfach gewesen, die Glasvitrine des Stiftskreuzes aufzubrechen. „Auf der Flucht mit dem Auto haben wir dann sofort gemerkt, dass das Kreuz viel mehr wert ist“, erklärte der Zeuge. „Dann haben wir übereinstimmend beschlossen, es erst einmal zu behalten und zu schauen, was passiert.“
Sporttasche, Keller, Einkaufszentrum
Die Fahrt habe zur Wohnung des Zeugen geführt, der das Stiftskreuz an einen Verwandten in der Nachbarschaft weitergab, wo es in einer Sporttasche im Keller versteckt wurde. Schon nach wenigen Tagen aber hätten die Diebe, so der Zeuge, beschlossen, es zurückzugeben. Obwohl der Angeklagte C. ihnen versichert habe, er wolle es auch zurückgeben, habe er die Rückgabe nicht zugelassen. „Es ging hin und her, aber wir haben ihm vertraut und hatten keine andere Wahl“, sagte der Zeuge.
Schließlich sei das Kreuz in einem Einkaufszentrum von einem Mittelsmann doch an C. übergeben worden, während der Zeuge wartete und sich anschließend mit dem Angeklagten in zwei Wohnungen traf. Dort habe er von C. 37.500 Euro in einer Tüte bekommen.
„Wir haben einen Fehler gemacht“
Mehrmals hätten die inzwischen Verurteilten bei C. Druck gemacht, er solle das Stiftskreuz zurückgeben, „aber daraus ist über ein Jahr geworden“, so der Zeuge. „Wir hatten Angst und haben gewartet, weil wir unsere Familie nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen wollten, aber nichts passierte.“ Immer wieder sei C. mit Versprechungen und Drohungen gekommen, aber das Kreuz sei nicht zurückgegeben worden.
Während die Revision des Prozesses lief, hätten es die Verurteilten „nicht mehr ertragen können und gemerkt, was wir für einen Fehler gemacht haben“, erklärte der Zeuge. „Da haben wir uns von allein entschlossen, auszupacken. Wir wollten, dass alle wieder glücklich sind.“
Urteil könnte am 5. Mai fallen
Mehrmals hätten sie auch Kontakt zu Jürgen Römer, dem Anwalt des Bistums Münster, gehabt. Er habe gesagt, er könne nichts versprechen, aber eine entsprechende Aussage werde für sie sicher von Vorteil sein. Deshalb habe er, so der Zeuge, zusammen mit einem mitverurteilten Komplizen eine handschriftliche Erklärung verfasst und die Geschichte so aufgeschrieben, wie sie sie erzählen wollten. Im folgenden Verhör durch die Anwälte stellte sich allerdings heraus, dass der Komplize, mit dem der Zeuge die Erklärung aufgesetzt haben wollte, das Schreiben nicht kennt und nicht unterschrieben hat.
Die Vernehmung des Zeugen wird am 26. April fortgesetzt. Das Urteil im Prozess gegen Seyhmus C. soll am 5. Mai fallen.