Erster Fall 1983 in Berlin-Kreuzberg

40 Jahre Kirchenasyl: Flüchtlingsbeauftragte spürt schärferen Gegenwind

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Das erste Kirchenasyl wurde vor 40 Jahren in Berlin-Kreuzberg gewährt. Auch heute wird dieser kirchliche Schutzraum weitgehend respektiert, auch wenn der Gegenwind schärfer wird.

Vor 40 Jahren startete die Kirchenasylbewegung in Deutschland. Dies sei ein Grund zum Feiern, wenn auch nicht unbeschwert, sagte die Vorstandsvorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG), Dietlind Jochims, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Dazu bestünde erst wirklich Anlass, wenn kein Kirchenasyl mehr notwendig wäre, so die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche mit Sitz in Hamburg. Wütend mache sie, „wie verbreitet, bekannt und hingenommen Gewalt in Europa inzwischen ist, wenn es darum geht, Geflüchtete fernzuhalten“.

Erstes Kirchenasyl 1983 in Berlin

Das bundesweit erste Kirchenasyl gewährte 1983 die evangelische Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin-Kreuzberg einer palästinensischen Familie. Aktuell wisse Jochims von bundesweit 431 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 655 Personen, darunter etwa 136 Kinder (Stand: 10. August). 405 der Kirchenasyle seien sogenannte Dublin-Fälle – den Betroffenen droht die Rückführung in jenes europäische Land, in dem sie zuerst einen Asylantrag gestellt haben.

Behörden reagieren laut Jochims unterschiedlich darauf, dass Kirchengemeinden Kirchenasyl gewähren. Die Bandbreite reiche „von offener Ablehnung bis hin zu Erleichterung, dass Kirchen hier etwas tun, was staatliche Organe nicht tun können.“ Im Allgemeinen werde Kirchenasyl zwar toleriert, „es ist aber zu beobachten, dass der Gegenwind schärfer wird“.

Jochims: Stimmungsbild verändert sich

Die aktuelle politische Diskussion um eine Abschiebungsverschärfung ausreisepflichtiger Ausländer hält Jochims für eine „Scheindebatte“. Eine Regelverschärfung werde das Vollzugsdefizit nicht lösen, sagt sie. Maßnahmen wie eine Erleichterung und Ausweitung von Abschiebehaft seien „ineffizient, sehr teuer, häufig nicht rechtskonform und grundsätzlich abzulehnen“.

Eine Veränderung des Stimmungsbilds gegenüber Asylsuchenden nimmt Jochims auch innerhalb der Bevölkerung wahr. Zwar gebe es nach wie vor eine aktive Zivilgesellschaft, diese sei aber vermutlich kleiner geworden und sie werde sicher weniger gehört.

Forderung: Schutzraum Kirchenasyl respektieren

Jochims wünscht sich von der europäischen Staatengemeinschaft, dass diese das „dysfunktionale Dublin-System in Richtung eines echten Flüchtlingsschutzes“ ändert. Sie beklagt, dass es in Deutschland jüngst mehrere Versuche gegeben hat, Abschiebungen aus dem Kirchenasyl durchzusetzen. „Wir fordern und hoffen sehr, dass der Schutzraum Kirchenasyl (auch) zukünftig respektiert wird“, sagt die BAG-Vorstandsvorsitzende.

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