Iraner konvertierte zum Christentum und muss jetzt zahlen

Anwalt Kempgens: Bibelvers-Bußgeld gegen Taxifahrer völlig überzogen

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Wegen eines Bibelverses auf der Heckscheibe seines Taxis hat die Stadt Essen einen Taxifahrer mit einem Bußgeld belegt. Der Gelsenkirchener Anwalt Arndt Kempgens erklärt im Kirche+Leben-Interview die rechtlichen Hintergründe. Und sagt auch, was er vom Vorgehen der Stadt hält.

Die Stadt Essen hat dem aus dem Iran stammenden Christen Jalil Mashali wegen des Zitats „Jesus – Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ auf seinem Taxi eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen und ihm einen Bußgeldbescheid in Höhe von 88,50 Euro inklusive Gebühren zugeschickt. Das berichten mehrere Medien.

Laut den Medienberichten hatten die Behörden Mashali im Oktober vergangenen Jahres wegen des Aufklebers angeschrieben und ihn aufgefordert, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Nach der Ausstellung des Bußgeldbescheids habe der Taxifahrer jetzt Einspruch dagegen eingelegt. „Jesus ist das Beste, was ich jemandem empfehlen könnte, weil er mein Leben verändert hat. Deshalb möchte ich den Aufkleber auf meinem Taxi lassen, damit ihn jeder Interessierte sehen kann“, wird er zitiert. Er wolle keinen Ärger machen, sei aber der Überzeugung, nichts Falsches getan zu haben. „Ich bin dankbar für dieses Land, in dem jeder die Freiheit haben sollte, seinen Glauben zu teilen. Ich hoffe das weiterhin tun zu können, indem ich Einspruch einlege“, so der gebürtige Iraner, der seit 22 Jahren in Deutschland lebt.

Nach Unfall zum christlichen Glauben gefunden

Medien zitieren Mashali mit dem Satz, er sei seit 18 Jahren gläubiger Christ und liebe Jesus. Der Familienvater sei ursprünglich Moslem gewesen, habe durch einen schweren Unfall zum christlichen Glauben gefunden. Im Iran habe er sein linkes Bein verloren und sei in Deutschland insgesamt 23 Mal operiert worden. „Ich war so verzweifelt, ich wollte mich umbringen“, wird er zitiert. Eine ältere Frau habe damals mit ihm zu Jesus gebetet und ihn bekehrt. „Seitdem ist der Spruch, der auf meinem neuen Taxi klebt, mein Mantra!“

Die christliche Menschenrechtsorganisation ADF International erklärte, Mashali bei seinem Vorgehen gegen den Bußgeldbescheid zu unterstützen. „In einer freien Gesellschaft sollte die Regierung friedliche Glaubensbekundungen weder unterdrücken noch zensieren. Mashalis Handeln ist durch das grundlegende Menschenrecht auf Religionsfreiheit geschützt“, sagte ADF-Vertreterin Lidia Rieder. Dies beinhalte auch das Recht, seine Überzeugungen öffentlich kundzutun.

Stimmt das? Kirche+Leben hat mit dem Gelsenkirchener Rechtsanwalt Arndt Kempgens gesprochen, der sich oft zu aktuellen Rechtsfällen äußert.

Welche Rechtsgrundlage hat das verhängte Bußgeld?

Politische und religiöse Werbung an Taxen und Mietwagen ist grundsätzlich verboten. Das steht in Paragraf 26, Absatz 2 der „Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr“. Wer dagegen verstößt, kann je nach Verstoß mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro belangt werden.

Wie bewerten Sie das Vorgehen der Stadt Essen? Hatte sie keine andere Wahl?

Ich halte das für vollkommen überzogen. Die Stadt Essen hätte das Verfahren einstellen können, wenn eine Ahndung nicht geboten ist. Das ermöglicht das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), Paragraf 47, Absatz 2. Das drängt sich hier meines Erachtens geradezu auf.

Wie bewerten Sie die Stellungnahme der Organisation ADF zu der Angelegenheit?

Das kann man sicherlich rechtlich so vertreten, entspricht aber nicht der Rechtsüberzeugung des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte das religiöse Werbeverbot auf Taxen 1999 sogar für ausdrücklich verfassungsgemäß erklärt (BVerfG, Beschluss vom 4.11.1999, 1 BvR 2310/98). Die Richter waren der Meinung, dass die hinter dem Verbot stehende Einschätzung des Gesetzgebers, dass in politischer und religiöser Werbung ein höheres Konfliktpotential als in allgemeiner Produktwerbung liege, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei.

Und wie sieht es bei Privat-Autos aus? Gibt es da rechtliche Einschränkungen, was das Bekunden religiöser Überzeugungen, etwa in Form von Bibel- oder Koranversen, auf dem eigenen Fahrzeug angeht?

Nein. Es dürfen nur nicht Andersdenkende beleidigt oder diffamiert werden.

Zur Begründung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Verfassungsbeschwerde eines Unternehmers 1999 nicht zur Entscheidung angenommen. In dem Fall ging es offenbar nicht um religiöse, sondern um politische Werbung, Bevollmächtigter des Klägers war der kürzlich verstorbene bekannte Anwalt und Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Es verstößt laut der mehr als ein Vierteljahrhundert alten höchstrichterlichen Einschätzung also nicht gegen die Verfassung, dass der einschlägige Artikel der „Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr“ zwar Fremdwerbung an Taxen und Mietwagen zulässt, politische sowie religiöse Werbung an Taxen aber für unzulässig erklärt. Gegen das Verbot bestünden „keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“, schrieben die Richter damals.
Als Berufsausübungsregelung berühre es zwar den Schutzbereich von Artikel 12, Absatz 1, des Grundgesetzes. „Es ist aber durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“ Konkret: Das Verbot politischer und religiöser Werbung an Taxen diene der Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs. Es solle Störungen des Taxenverkehrs durch denkbare Auseinandersetzungen wegen politischer und religiöser Parolen an Taxen verhindern. Die Schutzwürdigkeit des Taxenverkehrs sei ein wichtiges Gemeinschaftsgut, das den Gesetzgeber zu Eingriffen in die Berufsfreiheit berechtige.

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