Vorsitzende des Diözesankomitees hört im Mai 2022 auf

Arbeit mit Höhen und Tiefen - Kerstin Stegemann gibt Komitee-Vorsitz ab

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Die Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster, Kerstin Stegemann, wird im Mai 2022 nicht erneut für diese Position kandidieren. Im Interview mit „Kirche-und-Leben.de“ erklärt sie, warum sie auf eine weitere Amtszeit verzichtet und spricht über Höhepunkte und Ärgernisse ihrer dreijährigen Amtszeit.

Frau Stegemann, Ihre Amtszeit als Vorsitzende des Diözesankomitees endet im Mai 2022. Wie viel Zeit haben Sie während Ihrer Amtszeit im Schnitt pro Woche für Ihr Ehrenamt eingesetzt?

Das kommt immer etwas auf die jeweilige Woche an. In der Verbandsarbeit gibt es klassische Phasen. Im Zeitraum von September bis November ist es zum Beispiel deutlich voller als während der Sommerferien. In den Ferien kann es mal sein, dass ich während einer Woche nur ein paar E-Mails schreibe. Außerhalb der Ferienzeiten komme ich im Schnitt schon auf zehn bis 15 Stunden in der Woche, mal können es auch 20 sein.

Nach gut drei Jahren haben Sie sich entschlossen, nicht erneut für den Vorsitz des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster zu kandidieren. Warum?

Das hat vor allem einen persönlichen Grund. Dieses Ehrenamt macht schon wahnsinnig viel Spaß, ist aber auch sehr aufwändig. Andere Hobbys sind daneben kaum möglich. Ich möchte mich gerne nochmal fachlich weiterbilden. Das ist während des Amtes zeitlich nicht möglich gewesen. Ich würde mich schon als gut organisiert beschreiben, die Zeitfenster sind dazu aber nicht ausreichend.

Was waren die Höhepunkte Ihrer Amtszeit?

Ein absolutes Highlight war die Veranstaltung zum „Synodalen Weg“ im August 2021. Wir haben gemeinsam mit der Bistumszeitung „Kirche+Leben“ und dem Online-Portal „Kirche-und-Leben.de“ eine wirklich attraktive Veranstaltung auf die Beine gestellt und Menschen motiviert, sich auch vor Ort mit dem Synodalen Weg zu beschäftigen. Gleichzeitig haben wir trotz Pandemie ein Format gefunden, dass Beteiligung auch von zu Hause aus möglich gemacht hat.

Spaß macht gerade auch die Arbeit in der Redaktionsgruppe zur Weltsynode. Ich finde es gut und richtig, dass die Antwort aus dem Bistum Münster nicht einfach von irgendwem formuliert wird, sondern dass es ein ehrliches Beteiligungsinstrument gibt. Ein paar Monate liegen ja noch vor mir, sicher kommt da noch einiges hinzu.

Gab es Tiefpunkte oder Dinge, die Sie geärgert haben?

Klar. Das größte Thema ist hier sicherlich die Einsparung, die die Verbände im Rahmen des Sparprozesses erbringen müssen. Ich finde ehrenamtliches Engagement so wahnsinnig wichtig. Und aus meinem eigenen verbandlichen Engagement und auch aus der Zeit im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) weiß ich, dass Verbände so vielfältig kirchliches Leben vor Ort gestalten. Die Einsparung drückt wahnsinnig auf die Motivation. Viele fühlen dadurch sich und ihre Arbeit nicht gesehen. Auch wenn es in Summe für einen Haushalt, wie den des Bistums, nicht viel Geld ist, für die meisten Verbände sind das enorme Summen. Gerade mit Blick auf die Frage der Zukunftsfähigkeit unserer Kirche halte ich diese Entscheidung für falsch.

Wie war die Zusammenarbeit der Laienvertretung mit der Bistumsleitung?

Ich habe grundsätzlich den Eindruck, dass die Verbände und Gremien der mittleren Ebene öffentlich wertgeschätzt werden. Aber in der Praxis wird dann doch oft vergessen, diese Strukturen einzubinden. Auch wenn ich rückblickend sagen würde, dass die Zusammenarbeit mit der Bistumsleitung gut war, wünsche ich mir manches deutlicheres Zeichen der Wertschätzung für die große Leistung der ehrenamtlich Engagierten.

Wie muss sich das Diözesankomitee aufstellen, damit es auch in Zukunft in Bistum und Gesellschaft eine vernehmbare und ernst zu nehmende Stimme der katholischen Laien ist?

Es kann nur im Miteinander gehen. Wenn es ans Sparen geht, besteht natürlich immer die Gefahr, dass manche sich mehr und andere sich weniger gut durchsetzen können. Es muss darum gehen, nach den Gemeinsamkeiten zu suchen und sich gegenseitig zu stärken.

Was nehmen Sie mit aus der Zeit als erste „Laiin“ im Bistum?

Ich finde diesen Begriff ja immer seltsam. Ich wurde auch mal als „oberste Katholikin“ bezeichnet. So habe ich mich eigentlich nie gesehen. Ich habe immer eher versucht, ein Sprachrohr zu sein. Mir ist es wichtig, viel bei den Engagierten vor Ort zu sein. Gerade mit dem Thema Synodaler Weg war ich in den letzten Monaten bei vielen Pfarreien und Verbandsgruppen. Ich finde wichtig, dort zu erzählen, was bei den Synodalversammlungen passiert. Auch von den Zwischentönen zu berichten. Und dann geht es darum, das Gehörte wieder mitzunehmen und mit den bisherigen Beratungen abzugleichen. Das sollte viel öfter passieren. Was ich jetzt mitnehme, sind viele schöne Begegnungen, mit begeisterten, zum Teil aber auch frustrierten Menschen. Ich erlebe viele Gruppierungen in unserer Diözese und freue mich immer wieder über die Vielfalt vor Ort. Das motiviert mich und ist ein großes Pfund in unserem Bistum.

Kaum ruckeln sich die neuen Strukturen im kirchlichen Leben in der Diözese ein, wird nun erneut ein Prozess zur Entwicklung pastoraler Strukturen angestoßen. Wird dies nicht zu neuer Frustration bei vielen Engagierten führen?

Zur Person:
Kerstin Stegemann wurde am 22. Mai 1985 geboren und stammt aus Ibbenbüren im Kreis Steinfurt. Als Jugendliche hatte sich Stegemann in der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) engagiert. Mit 19 Jahren wurde sie Vorsitzende der CAJ im Bistum Münster. Von 2012 bis Mai 2018 war sie Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), dem Dachverband der katholischen Jugendverbände in der Diözese Münster. Sie wurde am 11. Mai 2019 in Münster als Nachfolgerin von Notburga Heveling von der Vollversammlung der diözesanen Laienvertretung zu deren Vorsitzenden gewählt. Beruflich ist Stegemann als Geschäftsführerin der „Freiwilligen Sozialen Dienste (FSD) Bistum Münster gGmbH“ tätig.

Viele sind schon frustriert. Sie haben das Gefühl, da kommt was aus Münster und am Ende wird eh für sie entschieden. Wenn es in diesem Prozess nicht gelingt, wirklich partizipativ mit den Menschen vor Ort zu arbeiten, wird er nicht erfolgreich sein. Ich vertrete die Verbände im Beirat des Prozesses. Dort habe ich eingebracht, dass ich dies für zentral halte.

Bei den jüngsten Wahlen für die neuen Pfarreiräte und Kirchenvorstände waren vielerorts Kandidierende Mangelware. Ist das Ehrenamt im Bistum in der Krise?

Unsere Kirche ist in einer Krise. Da ist es ja kein Wunder, dass es schwerer wird, Menschen für eine Mitarbeit in diesen Gremien zu begeistern. Das Ehrenamt als solches sehe ich nicht in einer Krise. Es gibt nach wie vor viele tolle Menschen, die sich in einem wahnsinnigen Maße engagieren und damit tragende Säulen der Kirche im Bistum Münster sind.

Der Missbrauchsskandal steht kirchenintern weiterhin auf der Tagesordnung und deswegen wird die katholische Kirche in der Öffentlichkeit weiterhin kritisch beäugt. Was muss sich aus Ihrer Sicht tun?

Wir brauchen absolute Ehrlichkeit und Transparenz. Es muss deutlich sein, dass es nicht darum geht, sich selbst oder Strukturen abzusichern, sondern dass es unser oberstes Ziel ist, einen sicheren Raum für alle Menschen zu bieten. Das ist leider noch immer nicht so. Viel zu oft streiten wir um Strukturen oder Gelder, denken Menschen eher an sich als an andere. Solange das so ist, können wir nicht glaubwürdig sein.

Beim Synodalen Weg haben Sie sich sehr engagiert. Was macht Ihnen Hoffnung, dass dieser Weg ein erfolgreicher wird und es am Ende nicht nur heißt „gut, dass wir darüber gesprochen haben“?

Ich bin nicht bereit aufzuhören, an diese Kirche zu glauben! Ohne das, was ich in der Kirche erleben durfte, wäre ich nicht, wer ich heute bin. Dafür bin ich dankbar und möchte, dass viele andere Menschen genau solche positiven Erfahrungen machen dürfen wie ich auch. Ich glaube daran, dass diese Kirche noch eine Chance hat, weil wir doch eine so gute Botschaft haben. Beim Synodalen Weg begegne ich vielen anderen Menschen, denen es genauso geht. Das zeigt mir, dass wir viele sind und an vielen Stellen Menschen unterwegs sind, die diese Veränderungen wollen.

Schon die aktuellen Diskussionen bei den Vollversammlungen des Synodalen Weg waren nicht frei von Konflikten. Haben Sie Sorge, dass viele der mühsam erarbeiteten Kompromisse am Ende von Rom einkassiert werden? Würde das nicht statt Aufbruchstimmung nur Frust auslösen?

In Teilen. Es gibt Entscheidungen, die müssen nach Rom. Da erwarte ich von unseren Bischöfen, dass sie diese immer wieder vorbringen und auch nach einem ersten Nein nicht aufgeben. Andere Entscheidungen können wir vor Ort treffen. Auch diese Schritte sind wichtig. Wir werden am Ende des Synodalen Weges nicht alle Themen abschließend klären können. Ich sehe das eher als einen Prozess, bei dem viele Schritte wichtig sind und zum Ziel führen.

Wie muss sich die Kirche aus Ihrer Sicht zukunftsfähig ausrichten?

Es ist zentral, dass wir nicht nur reden, sondern auch handeln. Wenn wir darüber sprechen, dass alle in unserer Kirche einen Platz finden sollen, dann muss auch dementsprechend gehandelt werden. Kirche muss sich öffnen. Das geht nur, wenn auch eine Veränderung der Haltung entsteht. Im Kopf fängt der Wandel an und muss sich in der Tat zeigen. Und wir sollten investieren. Investieren in Felder, die wir als zentral definieren. Für mich sind das die Themen Soziales, Ehrenamt und Jugend.

Mögen Sie einen Einblick in Ihre persönlichen Pläne geben? Wird man Sie künftig vielleicht in anderer Position kirchlich engagiert erleben?

Erstmal freue ich mich über Freizeit, die ich wieder mit eher persönlichen Interessen füllen kann. Seit Ewigkeiten möchte ich meine Italienisch-Kenntnisse mal auffrischen. Das steht als Erstes an. Und dann würde ich gerne nochmal berufsbegleitend studieren. Ich bin und bleibe Kolping- und CAJ-Mitglied. Hier gibt es Gremien, in denen ich mich weiter engagiere.

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