Chefredakteur Markus Nolte zum Lehrerlaubnis-Verfahren für Theologie-Lehrende

Auch der Seelsorge-Papst Franziskus manifestiert die Macht der Lehre

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Während kirchliche Mitarbeitende in Deutschland endlich leben und lieben können, wen sie wollen, bangen Theologie-Lehrende weiter vor römischer Überprüfung. Das zeigt: So weit ist es mit dem päpstlichen Vorrang “Leben vor Lehre” nicht her, meint Chefredakteur Markus Nolte.

Es gibt ein großes Aufatmen, nicht erst seit der Sache mit dem Segen: Seelsorge vor Gesetz, Leben vor Lehre, Mensch vor Moral. Was alle (nun gut: die meisten) wohl schon immer logisch fanden, weil es so nach Evangelium klingt, predigt jetzt auch der, der das Sagen hat: Papst Franziskus macht Platz für einen freien kirchlichen, weil menschenfreundlich-jesuanischen Geist.

Ist das wirklich so?

“Alle, alle, alle”?

Manche reiben sich noch immer die Augen, weil sie kaum glauben können, was sogar der oberste Glaubenshüter zu verstehen gibt: „Alle, alle, alle“ gehören gesegnet – sogar zivil Wiederverheiratete, sogar queere Personen. Gut, die Sache mit den 15 Sekunden, in denen solche Menschen gewissermaßen mit einem Segen „versehen“ werden sollen, fühlt sich immer noch wie ein Versehen an. 

Aber immerhin: Hier sei sehr wohl die Lehre „weiterentwickelt“ worden, sagt der Vatikan. Allerdings nur die vom Segen. Da gibt es jetzt eine neue Qualität – den sogenannten pastoralen Segen.

Maximal kurz und schmerzhaft

Das ist irgendwie nett, wenn man die impliziten Verdammungen mal beiseite lässt, die entsprechende Beziehungen weiterhin als „irregulär“ brandmarken. Da ist so ein Segen für alle nicht wirklich menschenfreundlich. Nicht einmal 15 Sekunden lang pastoral. Maximal kurz und schmerzhaft.

Vor allem aber zeigt der Segen, dass die Befreiungsmaxime „Leben vor Lehre“ exakt das Gegenteil bewirkt: Indem der Papst ihre Bedeutung herunterspielt, bleibt die umstrittene Sexuallehre unberührt, unverändert, manifestiert Franziskus ihre stille Macht.

Peinliche Prüfung

Deutlich bekommen das Theologie-Lehrende zu spüren: Während in Deutschland kirchliche Mitarbeitende nunmehr bischöflich autorisiert leben und lieben können, wen und wie sie wollen, gilt das für Theologie-Lehrende auch an staatlichen Hochschulen nicht. Da entscheidet Rom – nach weiterhin peinlicher Prüfung wissenschaftlicher Treue zur Lehre und persönlichster Treue zur Moral. Eine Studie zeigt dieser Tage: Das diskriminiert, ängstigt, ist übergriffig – und verhindert eine Weiterentwicklung der Lehre durch Forschung.

Franziskus ist hier päpstlich wie je: Lehre vor Leben. Wenn‘s drauf ankommt, kommt die Pastoral ganz hinten. Bleibt einem die Luft weg.

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