Diakon Alexander Rolfes fragt: Fallen wir aus dem Rahmen?

Auslegung der Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr A

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Wie einfach es oft ist, sich in vorgefertigte Rahmen zu begeben, kennen wohl viele Menschen aus dem Alltag. Doch Jesus will gerade deshalb eine radikale Umkehr, erklärt Diakon Alexander Rolfes und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Drei Motive, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten: Gastfreundschaft, radikale Nachfolge, wenn nötig mit Ablehnung der eigenen Familie, und paulinische Kreuzestheologie, begründet in der Taufe. Das ist starker Tobak! 

Zur besseren Einordnung zunächst ein Szenenwechsel: Familienfest, 20. Geburtstag der Tochter. Die stolzen Eltern unterhalten sich mit Verwandten, Nachbarn und Freunden über das bisher doch so gelungene Leben der irgendwie immer noch „kleinen Maus“. Ein gemachtes Nest, ein vorgefertigter Plan, ein Rahmen, in den sie sich nur hineinzustellen braucht. Und dazu dieser Satz: „Wir wollten immer nur das Beste für sie.“ Das ist sicherlich sehr ehrlich und ernst gemeint. Aber was wollte denn eigentlich die Tochter?

Jesu Provokation

Die Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Jesus sagt: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“ Das klingt provokativ, herausfordernd und radikal.

Jesus stellt hier jedoch keinen Grundsatz der alternativlosen Ablehnung von Familienmitgliedern auf, sondern er weist auf eine Notwendigkeit hin, durch die unser Leben erst zum eigenen, selbstbestimmten Leben werden kann. Es scheint, als schiebe er die Familienmitglieder beiseite und richte eine Frage an die Tochter selbst, von der er wissen will: „Was willst DU denn eigentlich von deinem Leben?“ Mit dieser Frage, die uns allen gilt, sprengt er jeden Rahmen. Es ist so oft der angenehmere Weg, der Weg des geringsten Widerstands, sich in eine vorgefertigte Rahmung zu stellen. Jesus warnt aber vor diesen passgenau angefertigten Rahmungen, die unsere engsten Beziehungen betreffen können.

Wahre Freiheit, die Jesus verspricht

Diese Warnung kann uns zunächst irritieren, da Familie und unsere Lieben uns oft am nächsten stehen und ihnen große Bedeutung zukommt. Chris­tinnen und Christen lösen sich nicht aus diesen Beziehungen, doch setzen sie Jesus an die erste Stelle. Eine solche Ausrichtung auf ihn wird unser Denken, unsere Entscheidungen und unsere Beziehungen prägen, indem dasselbe, was Jesus im Leben und im Sterben erfüllt hat, was sein Atem, sein Hauch, sein Leben ist, nun auch in uns ist. Was ihn erfüllt, erfüllt auch uns. Was ihn treibt, treibt auch uns. Was ihn bevollmächtigt, bevollmächtigt auch uns, und zwar uns alle. Das ist die wahre Freiheit, die Jesus verspricht. 

Das ist die wahre Freiheit, von der Paulus im Römerbrief schreibt: Im Kern geht es darum, dass der Glaube an Christus nicht nur eine geistliche Erfahrung ist, sondern auch eine radikale Transformation unserer Identität und Lebensweise zur Folge hat. Diese Wahrheit hat praktische Konsequenzen für unser Verhalten und unsere Entscheidungen im Alltag. Das ist schwere Kost!

Hoffnungen für den Alltag

Der Autor
Alexander Rolfes
Alexander Rolfes ist Ständiger Diakon in Heilig Kreuz Cloppenburg-Stapelfeld. | Foto: privat

Ein Blick auf die erste Lesung lohnt sich an dieser Stelle. Hier geht es um den Gedanken der Gastfreundschaft. Gastfreundlich ist die namenlose, aber als vornehm charakterisierte Frau in Schunem. Sie spürt in der Begegnung mit dem Propheten Elischa, dass durch ihn etwas Göttliches aufscheint. Dieses ihr Unbekannte ist ihr fremd, es wirkt zunächst ungewohnt. Aber sie lässt sich darauf ein und bittet den Propheten, ihr Gast zu sein.

Sie beweist Mut, indem sie die Möglichkeit zulässt, dass Gott in ihrem Leben etwas bewirken kann. Verdichtet in ihrer Person wird in der Lesung der Kern jeder Gotteserfahrung beschrieben: Gott kann die Erfahrungen von Enge im Leben durchbrechen. Diese Hoffnung gilt es in unserem Alltag wachzuhalten. 

Haltung der Gastfreundschaft

Dazu bedarf es Mut: Mut, im Alltäglichen Gott etwas zuzutrauen; darauf zu vertrauen, dass Zuversicht keine Ideologie ist. Zudem braucht es eine gastfreundliche Haltung Gott gegenüber, der jederzeit „zu Besuch“ kommen kann; der mich aus meinen gewohnten, alltäglichen Denkmustern, Verhaltensweisen und Rahmungen herausholen will. 

Und klopft er an, dann braucht es manchmal sogar den Mut, gegen Bekanntes, Familiäres und Vertrautes zu rebellieren und laut „Nein“ zu sagen. Ein solcher Schritt kann radikal sein, aber er ist alternativlos, wenn es um unser kostbares, gottgewolltes Leben geht, von dem Jesus spricht. Und dies kann nur gefunden werden, wenn wir keine vorgefertigten Muster, sondern Gott in die Mitte stellen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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