Pater Daniel Hörnemann: Gott ist Mutter und Vater

Auslegung der Lesungen vom 14. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C

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Gott sei Vater und Mutter zugleich, erklärte Papst Johannes Paul I. und löste damit eine Debatte aus. Und er spendet Trost und gibt Kraft für einen Neuanfang nach einem Ruin, sagt Pater Daniel Hörnemann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Als der „33-Tage-Papst“ Johannes Paul I. 1978 die Gewissheit aussprach „Wir wissen: Gott hat die Augen immer offen über uns, auch wenn es scheinbar Nacht ist. Gott ist Papa, mehr noch, ist Mutter“, löste das eine Menge leidiger Diskussionen aus. In manche Publikationen fand die Vorstellung von Gott als Mutter von vornherein keinen Eingang, so etwas durfte kein Papst gesagt haben.

Die Aufregung damals ließ einen geradezu ängstlichen Umgang mit der Bibel erkennen und eine geringe Bereitschaft, sich auf ihren befreienden Bilderreichtum einzulassen und den engen Horizont der eigenen Glaubensvorstellungen zu erweitern. Immerhin, damals konnte man sich noch über scheinbar befremdliche Gottesbilder aufregen. Mittlerweile sind über vierzig Jahre vergangen. Welche Gottesbilder haben wir noch, welche regen uns an, welche regen uns auf?

Nach Ruin ist ein Neubeginn möglich

Die Lesungen vom 14. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Der Prophet Jesaja (66,13) sprach ebenfalls vom mütterlichen Gott: „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so trös­te ich euch.“ Derselbe Jesaja ruft ihn an: „Halte dich nicht von uns fern! Du bist doch unser Vater!“ (63,15f).

Aus dem großen Finale des Jesajabuches hören wir die Verheißung, dass nach dem Ruin ein Neubeginn möglich wird. Das vertriebene und zurückgekehrte Volk erlebt eine Neugeburt. Jesaja, der Prophet der Krisenzeit, setzt keine netten, billigen Vertrös­tungen gegen die harte Wirklichkeit. Er spricht die Sehnsucht der Menschen an, gibt ihnen Halt und Ermutigung. In Jerusalem, dem Ort der besonderen Gottesnähe, der erobert und zerstört war, kehren mit dem Wiederaufbau Freude und Frieden wieder ein.

Kleine Gruppe von Gläubigen?

Wo immer wir Trost brauchen, dürfen wir wissen, dass es einen Gott gibt mit väterlichen und mütterlichen Zügen, der uns in den Arm nimmt und in geradezu zärtlicher Weise deutlich macht: „Ich bin für euch da.“ 

Wann sprechen wir in unseren Kreisen darüber, was uns durch unser Leben trägt, was es uns leicht oder schwer macht zu glauben? Wir wissen so gut wie nichts über die Geschichte des Glaubens und des Unglaubens der anderen – nicht einmal in unseren eigenen Familien. Sie mögen glauben, aber sie sprechen nicht darüber. Diese allgemeine Tendenz gibt uns mehr und mehr das Gefühl, nur noch eine kleine Gruppe von Gläubigen zu sein. Eine Art heiliger Rest, umgeben von einer großen Menge, die nichts mehr vom Glauben wissen will. 

Herausforderung Evangelium

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann OSB
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von „Kirche+Leben“. | Foto: Markus Nolte

Das Evangelium provoziert uns im bes­ten Sinne, es fordert uns heraus und zeigt uns, dass die christliche Botschaft nicht für einige wenige bestimmt ist, sondern alle Menschen einlädt. Lukas schreibt sein Evangelium für diejenigen, die damals erfahren mussten, dass sich die christliche Botschaft, auch wenn sie selbst von ihr voll überzeugt waren, nicht automatisch verbreitete. Die Menschen mussten mit dem Evangelium bekannt gemacht und davon überzeugt werden. Das war schon zu der Zeit nicht einfach.

Zwei Dinge sind bei den Menschen auffällig, die sich damals auf den Weg gemacht haben: Zunächst einmal sind sie keine Profis in Glaubensfragen, keine felsenfesten Christen, die durch nichts aus dem Gleichgewicht gebracht werden können. Vielmehr Menschen, die von Jesus und seinen Lehren fasziniert sind; Menschen, die am eigenen Leib erfahren haben, dass ihr Leben durch die Botschaft Jesu bereichert wurde. Sie haben durch Jesus etwas von der Nähe und Liebe Gottes erlebt und sind bereit, diese Erfahrung zu teilen, voll dahinterzustehen und eine persönliche Antwort zu formulieren.

Jesus geht keine Kompromisse ein

Die Zahl 72 ist nicht zufällig gewählt, es ist die Zahl aus der Völkerliste der Genesis. Damit will Lukas sagen: Diese Botschaft ist für alle Völker der Welt bestimmt.

Der zweite Punkt: Wir können Jesus sicher nicht vorwerfen, dass er die Seinen nicht gewarnt hat. Er macht ihnen sehr deutlich: Was ihr jetzt zu tun habt, ist garantiert kein Sonntagsspaziergang. Das Bild von den Schafen und den Wölfen ist in diesem Punkt sehr eindeutig.

Dennoch geht Jesus keine Kompromisse ein, wenn es um das menschliche Bedürfnis nach Sicherheit geht. Kein Geld, kein Proviant, nicht einmal Schuhe. Die Lehrlinge Jesu dürfen nichts, aber auch gar nichts mitnehmen, was sie vor unvorhergesehenen Ereignissen schützen oder ihnen aus der Klemme helfen könnte. Was sie trägt, soll allein das Vertrauen auf die Reisebegleitung und den Gott sein, der sie auf den Weg gebracht hat und bei dem „ihre Namen verzeichnet“ sind (Lk 10,20).

Sämtliche Texte der Lesungen vom 14. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.

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