Laurentius Schlieker OSB: Nur Mut – geht über das Wasser!

Auslegung der Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr A

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Zum Reden und zur Verkündigung braucht es Momente der Kontemplation, des Innenhaltens. Das wussten sowohl Paulus als auch Jesus Christus selbst, erklärt Laurentius Schlieker OSB und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Zum Reden gehört das Schweigen, zum Entstehen und Entwickeln neuer Ideen brauchen wir die „lange Weile“, in der scheinbar nichts passiert. Der Apostel Paulus hat nicht unentwegt geschrieben. Nach seinem umwerfenden Erlebnis vor Damaskus und seiner Taufe ging er zurück in seine Heimatstadt Tarsus, um weiter in seinem Beruf als Zeltmacher zu arbeiten. Er blieb sieben Jahre dort, bis er sich der Mission des Barnabas anschloss, um das Evangelium von Jesus Christus zu verbreiten.

Paulus brauchte dieses kontemplative Zwischenspiel, das jahrelange Schweigen nach seiner Bekehrung, bevor er anfing, in neuer Berufung zu reisen und zu predigen. Während dieser nun folgenden Tätigkeit hat er die Glaubenden aus dem Volk Israel mit den Nichtjuden durch die Taufe verbunden, dass sie einen einzigen Leib bildeten, mit Jesus, dem Sohn Gottes.

Kontinuität der Geschichte Gottes mit den Menschen

Die Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Paulus war überzeugt von der ununterbrochenen Kontinuität der Geschichte Gottes mit den Menschen zum Heil aller. Dem Volk der Verheißung entstammt der Christus als Mensch, um alle zu dem Gott und Vater aller zu führen, der über allem und durch alles und in allem ist (Eph 4,6).

Über die Jahrzehnte vor dem kurzen, höchstens drei Jahre dauernden öffentlichen Auftreten Jesu wissen wir nichts. Wir dürfen annehmen, dass sein Leben auf den Durchbruch zulief, sich als den geliebten Sohn Gottes bei der Taufe im Jordan zu erkennen. In der Entwicklung seines Wirkens als Verkünder des Reiches Gottes erkannte er, dass Gott, sein liebender Vater, bei sich ein Zuhause für alle Völker vorgesehen hat, nicht nur für das zuerst erwählte Volk Israel. Jesus zeichnete ein einmaliges, inniges Verhältnis zu Gott aus. Es trieb ihn an, trotz der sich bald einstellenden Ablehnung durch die Religionsvertreter bei seiner Sendung treu zu verbleiben. Dazu brauchte er lange, sogar nächtelange Zeiten im Gebet – in vielen nicht aufgezeichneten Momenten seines inneren Erlebens.

Auch Jesus hatte Vorbilder

Jesus teilt sich selbst mit, wenn er seiner Jüngergemeinschaft das Beten beibringt, zum Beispiel: „Wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist!“ (Mt 6,5-6).

Auch manche Gestalten des Ersten Bundes erscheinen als Vorbild für Jesus: Mose, der Anführer der Wanderung ins Gelobte Land, Jesajas leidender Gottesknecht, sodann Elija, der vor einer Felsenhöhle in absoluter Stille – Buber übersetzt: in der „Stimme verschwebenden Schweigens“ – Gottes Nähe und Schutz erfährt.

Momente der Kontemplation sind notwendig

Der Autor
Laurentius Schlieker OSB
Laurentius Schlieker OSB ist Altabt der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: Markus Nolte

Ich glaube, dass Jesus in seinen einsamen Momenten in der Höhle seines eigenen Herzens wohnte. Dort herrschte eine sanfte Brise, der Klang reiner Stille, die liebevolle, leise Stimme der Ruhe: ein tief verwurzeltes Wissen um sein eigenes Sein und Bewusstsein, ihn umarmend und stärkend – und so erschien Jesus wie der göttliche Vater. Das Geschenk Jesu an uns und an die Welt ist, andere einzuladen, mit ihm voll Vertrauen auf dem Wasser zu gehen und dem Wohlwollen Gottes zu vertrauen, uns beheimatet zu erfahren in Gott, der Quelle des Universums und der Grundlage unseres eigenen Seins und Bewusstseins.

Der Glaube an den lebendigen Chris­tus führt uns an diese Gewissheit heran. Der betende Jesus im Evangelium geht in den Bereich des Göttlichen, an seinen ureigenen Platz. Beten bedeutet auch für mich, das eigene, wahre Wesen zu entdecken, das, was von Gott in mir ist, um es freizulassen ins Leben. Wie Jesus brauchen wir Momente der Kontemplation, um von innen herzuhören, um uns im Schweigen mit Gott zu verbinden, der immer nah ist. 

Kraft als Geschenk

Petrus ist voll Sehnsucht, Jesus absolut vertrauen zu wollen, frei von nur irdischen Sicherheiten zu sein. Petrus wollte sozusagen „ohne Fallschirm“ starten, um bei Jesus zu landen. Das hat in der Situation nicht geklappt. Aber der Meister setzt stets seine Einladung fort. Er sagt: „Komm.“

Ich weiß, dies aus eigener Kraft nicht zu können. Ihm zu vertrauen, das können wir in uns nicht von selbst erzeugen, sondern nur als Geschenk annehmen, besonders dann, wenn wir am wenigsten darauf eingestellt sind: wenn es schwierig wird und wir einfach nur schlapp machen im Glauben. Aber Gott ist – welch ein Trost! - weder im Sturm, noch in anderen spektakulären Ereignissen. Gott ist oft Schweigen oder nur ein Flüstern. Wenn wir uns aber in diese Art göttlicher Gegenwart fallen lassen, welche Möglichkeiten wachsen uns zu?

Sämtliche Texte der Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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