Altabt Laurentius Schlieker OSB: Verklärung ist Lebens-Zutrauen

Auslegung der Lesungen vom Fest Verklärung des Herrn / Lesejahr A

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An diesem Sonntag feiert die Kirche das Fest der Verklärung des Herrn. Was dies mit der Auferstehung zu tun hat, beschreibt Laurentius Schlieker, Altabt der Benediktinerabtei Gerleve, in seiner Auslegung der Lesungstexte zum Fest.

Das Fest der Verklärung Christi ist eine Feier der verborgenen Schönheit Gottes. Es ist schon im 5. Jahrhundert in der Ostkirche entstanden. Die Liturgie des Tages sucht den Ort auf, an dem wir Jesus im Licht seines wahren Wesens sehen.

Licht geht auf an einem düsteren Ort: Es kam in der Menschwerdung Gottes verborgen in unsere Welt; es ist bei der Verklärung Jesu ein erstes Mal beglückend aufgeschienen. Vor allem, um die Jünger auf die Erfahrung des Leidens Jesu vorzubereiten und sie fähig zu machen, die Botschaft vom Kreuz anzunehmen. Für die Glaubenden ist an Ostern die lichtvolle Schönheit Christi gegenwärtig geworden. Die volle Offenbarung der Schönheit und Herrlichkeit Gottes in Jesus erwartet uns bei seiner Wiederkunft. Sein Reich geht niemals unter (1. Lesung)

Kirche vereint mit Jesus

Die Lesungen vom Fest Verklärung des Herrn (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Die Eucharistiefeier vermittelt mit ihren Texten die Hoffnung, dass die Gemeinde der Glaubenden und die ganze Kirche einmal mit ihrem Haupt Jesus Christus vereint sein wird. Mehr noch: Sie soll seinem verherrlichten Leib im Glanz seiner Gottheit gleichgestaltet werden.

Ich möchte den Evangelientext mit einem Zitat aus Erhart Kästners Buch „Die Stundentrommel vom heiligen Berg Athos“ (1956) kommentieren. Der Autor beobachtete in dieser erstaunlichen und begeisternden christlichen Landschaft auf dem bilderseligen Mönchsberg Athos: „Viel öfter als die Auferstehung wird die Verklärung Jesu in den Ikonen geschildert, die man kaum antrifft und die ihr doch so verwandt ist, dass man es wagen kann, die Verklärung eine vorweggenommene Auferstehung zu nennen, denn beides sind Augenblicke, in welchen Christus in seinem Eigentlichen erscheint. Nur die Zeit trennt die beiden verschiedenen Male, also nichts, da es ja gerade die Zertrümmerung der Zeitlichkeit ist. Es ist der Christus der Gleichzeitigkeit, der in diesen Bildern erscheint.“

Das Durchscheinen des Urbilds

Wenn „Verklärung der Durchbruch des Eigentlichen durchs Schemenhafte, des Lebendigen durch die Schatten, des Geliebten durchs Ungeliebte und die Ankunft des Lang­erwarteten ist, so weiß jeder, dass solche Momente es sind, um derentwillen wir leben.

Verklärung ist Durchschein des Urbilds. Das wird von jedem Geborenen erhofft. Wir leben auf Verklärungen zu, worauf sollten wir sonst, es ist unsere angeborene Hoffnung. Mag es auch nur ein Handgeld, mag es auch nur ein erster, niederer Grad sein, was wir mit unseren beschränkten Organen erfahren: was es heißt, wenn sich uns ein Mensch, eine Heimat, ein Wort, ein im Vertrauen gesprochener Satz, wenn sich uns eine Stunde verklärt, das können wir immerhin wissen. Wo sonst auch knüpften wir an?

Mit Verklärung beginnt das Leben

Der Autor
Altabt Laurentius Schlieker
Laurentius Schlieker ist Altabt der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: Markus Nolte

Wenn also die Griechen die Verklärungsgeschichte so lieben, so ist das ein lebenvertrauender Zug. Verklärung gehört zu unserer Erfahrung, sie gehört zu unserem Leben. Mit ihr beginnt erst das Leben. Und das weiß auch jeder, dass nur die Liebesblicke es sind, die die Kraft der Verklärung besitzen. Nur dem Auge, das nicht liebt und nie geliebt hat, ist Verklärung nie widerfahren. 

Und selbst wenn es sich wieder entzog, was dem Liebesblick aufschien: da darf man sich nicht irr machen lassen, dass es das Eigentliche, dass es das Wirkliche war.“

Das Wirkliche, der Wirkliche hat zu Jesus und durch Jesus gesprochen. „Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren... Ihr tut daran, es zu beachten, wie ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen“ (2. Lesung).

Befeuerung des Alltags

Dieses Licht begleitet uns als verborgene Schönheit weiter, auch wenn wir absteigen, wenn wir von der Höhe herunterkommen. Das Licht befeuert von innen unsere Liebe und Aufmerksamkeit im Alltag, vermittelt widerständige Hoffnung in den Belastungen, es lässt uns mit Demut und Humor unsere gemeinsamen Möglichkeiten suchen. Darin zeigt sich auch jene Heiligkeit, zu der wir berufen sind: uns von einem Lebendigsein anstecken zu lassen, das aus Liebesblicken entsteht.

Eine Legende erzählt von zwei Mönchen, die gemeinsam auf einen Weg geschickt wurden, und die auf einmal vor einem Fluss stehen und auf die andere Seite müssen. Der eine beginnt, in frommer Ekstase über das Wasser auf das andere Ufer zuzulaufen. Der andere Mönch ruft ihn zurück und zeigt ihm eine Stelle, an der sie gemeinsam den Fluss knöcheltief durchwaten können. 

Sämtliche Texte der Lesungen vom Fest Verklärung des Herrn (Lesejahr A) finden Sie hier.

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