Anzeige
Menschen ausschließen - das geschieht immer wieder. Im eigenen Leben, in der Kirche. Auch Jesus scheitert im heutigen Evangelium, sagt Schwester Katharina Kluitmann in ihrer Auslegung der Lesungen. Doch Gott ist Weite.
Zieh den Kreis nicht zu klein“ – ein Kinderlied. Nicht kinderleicht zu leben. Man muss sich doch schützen, denke ich – wenn auch nur gegen Erwartungen.
Inklusion, Integration, große Worte, an denen ich oft genug scheitere. Offenbar fällt es nicht nur mir schwer, den Kreis groß zu ziehen. Ob in der Asylpolitik oder bei den vielen gewalttätigen Nationalismen.
Auch die Kirche schließt aus
In der Kirche: Wen schließt das System nicht alles von was allem aus! Oder Ausschluss im Gottesdienst mancher Gemeinden: laute Kinder; der Mensch, der – warum auch immer – nicht gut riecht; all die, die angeblich nicht zur Kommunion gehen dürfen ... Zu viele, die nicht willkommen sind.
Und zu Hause: Wer darf zu Besuch kommen? Wie entscheide ich, wem ich helfe? Viel zu oft ziehe ich den Kreis zu klein. Peinlich!
Ein schlimmes Evangelium
Die Lesungen vom 20. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.
Superpeinlich aber das heutige Evangelium. Für mich eins der schlimmsten. Dieses Verhalten Jesu geht gar nicht. Fremd-Schämen ist angesagt.
Dass er im Tempel bei den Händlern mal buchstäblich auf den Tisch haut – geschenkt! Aber so auf diese arme Frau draufzuhauen, ihre Not so schäbig erst zu überhören und dann mit einem Vergleich zu kommen, der an Unverschämtheit nicht zu überbieten ist – unglaublich.
Jesus hatte wohl keinen guten Tag
Er hatte wohl keinen guten Tag, brauchte Ruhe, hatte sich zurückgezogen. Aber irgendwie hat er es auch prinzipiell nicht verstanden. Wie peinlich einer Frau gegenüber, der große Heiler einem Menschen in Not gegenüber, der Jude einer Kanaanäerin gegenüber. Ein bisschen tröstet es mich, dass selbst Jesus das nicht hinbekommt.
Stolz bin ich auf meine kanaanäische Schwester: Mit seinen eigenen Waffen, seinem eigenen Vergleich schlägt sie Jesus, überzeugt sie ihn. Schlitzohrig geht sie auf den demütigenden Vergleich mit einem Hund ein. Doch hat sie ihn wirklich überzeugt? Oder hat er einfach nur nachgegeben, um Ruhe zu haben?
Was für ein Umdenken spricht
Es gibt ein Indiz, das für echtes Umdenken spricht: Im Kapitel zuvor wird von der Speisung der Fünftausend berichtet. Zwölf Körbe bleiben übrig. Zwölf! Es klingelt bei den Zuhörenden. Zwölf steht für Israel.
Kurz nach der Stelle von heute wird von der Speisung der Viertausend berichtet. Da bleiben sieben Körbe übrig. Sieben steht für die Heidenvölker. Jesus hat wirklich von der Frau gelernt, dass er nicht nur für Hunger und Not Israels da ist, sondern auch für die der Heiden.
Das hätte er wissen müssen. Es liegt, so hören wir in der ersten Lesung, ganz auf der Linie der jüdischen Tradition. Sonst kennt Jesus seinen Jesaja. Hier brauchte er Nachhilfe. Das Buch Jesaja weiß nach dem schrecklichen babylonischen Exil: Die Auserwählung Israels ist kein Ausschluss der anderen, sondern ein Dienst an allen. Der jüdische Tempel ist Bethaus für alle Völker.
Paulus und die Heidenchristen
Wenn ich in Münster an der Synagoge vorbeikomme, berührt es mich jedes Mal: „Mein Haus ist ein Bethaus für alle Völker“ steht an der Fassade. Auf Hebräisch und Deutsch. Welch ein Zeugnis. Der Vorgängerbau war in der Reichspogromnacht in Flammen aufgegangen.
Doch zurück zu den Texten: Wie schwer es ist, den Kreis nicht zu klein zu ziehen, sieht man im Römerbrief. Paulus, der Meister der Integration der Heidenchristen, hatte es geschafft, sich bei den Judenchristen, auch den Aposteln, durchzusetzen: Die Heiden dürfen auf ihre Art christlich werden. Und schon beginnt die Kirche mit der Abgrenzung von den Juden.
Die Kirche setzt sich von der jüdischen Mutterreligion ab
Die Autorin
Schwester Katharina Kluitmann ist Franziskanerin von Heythuysen/Lüdinghausen, Theologin und promovierte Psychologin. | Foto: privat
Inklusion ist schwer. Paulus wirbt darum, niemanden auszuschließen, nicht die nicht-christlichen Juden, nicht die Juden-Christen und auch nicht die Heiden-Christen. Paulus kann Gottes Heil nur groß denken.
Doch die Absetzungsbewegungen der jungen Kirche von ihrer jüdischen Mutterreligion beginnen früh und setzen sich in der Geschichte fort. Die Reichspogromnacht ist einer der traurigsten Tiefpunkte. Wir müssen einfach daraus lernen.
Weit werden wie Gott
So will ich den Sonntag nutzen, um mich neu in die Weite der Texte zu vertiefen: in das Jesaja-Zitat auf der Synagogenwand, in das Werben des Paulus, in die schlitzohrige Demut der Kanaanäerin und in das Zeugnis der Lernbereitschaft Jesu.
Aus dieser Tradition leben, in der Weltpolitik und unserer zerrissenen Gesellschaft, in Kirche und Gemeinde, und – vor allem – im eigenen Leben mit seinen Verantwortlichkeiten. Weit werden wie Gott. Er zieht den Kreis nicht zu klein. Sein Heil ist herz-erweiternd, welt-weit und weit darüber hinaus.
Sämtliche Texte der Lesungen vom 20. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.