Matthias Fraune: Wahrheit Gottes stellt sich gegen den Mainstream

Auslegung der Lesungen vom 22. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr A

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Die Wahrheit Gottes ist zumeist unbequem, stellt sich oft gegen den Mainstream, wie schon die Propheten erfahren mussten. Aber sie hat Vertrauen verdient, erklärt Matthias Fraune und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Von dem dänischen Schriftsteller Christian Morgenstern wird folgender Satz überliefert: „Eine Wahrheit kann erst wirken, wenn der Empfänger für sie reif ist.“ Diese Erkenntnis ist umso eindrücklicher, je mehr es eine „schwierige“ Wahrheit ist. Denn Wahrheit kann zwar erlösend und befreiend, aber auch bedrängend und herausfordernd sein. Viel Schaden kann sie anrichten, wenn sie nur eine „halbe Wahrheit“ ist.

Manche Wahrheit ist schwer verdaulich und kann von Fall zu Fall auch mal nur „verdünnt“ ertragen werden. Jedenfalls spielt die Wahrheit in allen Lebensbereichen eine Rolle. Je näher wir ihr kommen und je treuer wir zu ihr stehen, desto mehr haben wir die Möglichkeit, in aufrichtiger Weise unser Leben und das unserer Mitmenschen zu gestalten.

Schrift berichtet von Situationen des Lebens

Die Lesungen vom 22. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Von den verschiedenen Wirkungen der Wahrheit lesen beziehungsweise hören wir auch in den sonntäglichen Schriftlesungen dieses Wochenendes, und wir können erkennen, dass die dort beschriebenen Situationen zum Teil sehr viel von unserem Leben abbilden.

Natürlich gehört zum richtigen Verständnis der Texte, die biblische Botschaft vor dem christlichen Hintergrund zu lesen, in den wir durch die Taufe aufgenommen sind. Da begegnen wir zunächst dem Propheten Jeremia, der erfahren muss, dass ihm die Verkündigung der Wahrheit Gottes Spott und Hohn einbringt, weil sie nicht dem Mainstream des eigenen Volkes entspricht. Sein Herz war erfüllt vom Ruf Gottes, sein Prophet zu sein. Möglicherweise hat er sich seinen Weg angenehmer vorgestellt, als er ihn tatsächlich erlebt. Die Situation wird für ihn umso bedrängender, als er spürt, dass er sich aus dem Druck und der Anfeindung seines Lebensumfeldes nicht durch die Lossagung vom Auftrag Gottes befreien kann. 

Paulus fordert zu neuem Denken auf

Wie oft sind wir durch Pflicht und Auftrag an Wege gebunden, die uns wie eine schwere Last auf den Schultern liegen. Gott sei Dank gibt es heute Möglichkeiten, unsere Probleme vor verständnisvollen und kompetenten Ohren auszusprechen. Vielleicht sehen wir einmal wieder die Möglichkeit, unsere Gefühle im Gebet vor Gott zu bringen, so wie es Jeremia getan hat.

Auch beim Apostel Paulus begegnet uns die Wahrheit, denn er fordert uns auf zu neuem Denken, damit Gottes Wille uns klar wird. Gottes Wille wird uns vor allem offenbart im Leben und der Botschaft Jesu. Seine Verkündigung ist DIE Wahrheit, ist göttliche Offenbarung, an die kein menschliches Tun und Lehren herankommt. Denn Jesus selbst sagt von sich: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ – eben Weg, Wahrheit und Leben Gottes. 

Die Wahrheit Gottes verdient Vertrauen

Der Autor
Matthias Fraune
Matthias Fraune ist Kanonikus in der Propsteigemeinde St. Remigius in Borken. | Foto: privat

Wir Christen sind aufgefordert, im Willen Gottes die echte und beste Wahrheit anzunehmen. Dieser Wille ist, wie Paulus betont, gut, wohlgefällig und vollkommen. Die Wahrheit Gottes hat unser Vertrauen verdient – jedenfalls mehr als manche Halbwahrheit und Unwahrheit der Menschen.

Dass das nicht so einfach sein kann, zeigt uns das Evangelium. Petrus erträgt es nicht, dass Christus als Ziel seines Weges den Tod beschreibt. Er erlaubt es sich, Jesus wegen seiner Ankündigung zu kritisieren. „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!“ Jesus aber, der Sohn Gottes, Gott selbst, duldet es nicht, wenn der Wille Gottes nicht akzeptiert wird, weil eigener Wille und falsche Frömmigkeit dem entgegenstehen.

Der Hoffnungsstrahl in unserem Leben

Das geht so weit, dass der Herr den Petrus als „Satan“ tituliert. Er macht ihm die Rangordnung klar, die unumstößlich für den Willen Gottes als Wahrheit gilt: „Tritt hinter mich!“ Der Wille Jesu, der eben Wille Gottes ist, ist als Fundament die Grundlage von der Taufe bis zum Tod. Wo der Mensch diese Einordnung auf den Kopf zu stellen versucht, empfängt er vielleicht manche Annehmlichkeit dieser Welt – aber er wird nach seinem Tode vor dem Angesicht Gottes das entsprechende Ergebnis erleben. 

Wie das Urteil Gottes für uns Menschen aussehen wird, das wissen wir nicht. Aber Jesus gibt uns eine Ahnung davon, welche Regelung beim Jüngsten Gericht Wirksamkeit haben wird: Zur Rechten Gottes, auf der guten Seite, sitzt dann der, der reif genug für die Wahrheit war: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden“ – als ewiges Leben.

Das ist der Hoffnungsstrahl, der ausgeht von der Wahrheit Gottes für uns Menschen, und in dem wir reifen können in Glaube, Hoffnung und Liebe.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 22. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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