Lars Rother: Der Zweifel muss benannt werden

Auslegung der Lesungen vom 2. Sonntag der Osterzeit / Lesejahr A

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Der Zweifel gehört untrennbar zum Glauben dazu. Davon legt der Apostel Thomas Zeugnis ab, sagt Kaplan Lars Rother und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Wir Christen kennen den Apostel Thomas als den „ungläubigen Thomas“. Er wird uns im heutigen Evangelium zunächst so dargestellt. Seine Person ist in unserer Tradition untrennbar mit dem Zweifel und dem Noch-nicht-für-wahr-halten der Auferstehung verbunden. Aber werden wir ihm da wirklich gerecht? Waren seine Apostelkollegen und die Anhängerschaft Jesu wirklich alle die Supergläubigen, die sofort glaubten, als sie hörten, Jesus sei von den Toten auferstanden?

Als Maria als Erste die Auferstehung bezeugt, halten es alle anderen für dummes Geschwätz. Was auch sonst konnte sie es doch selbst kaum glauben und wähnte in Jesus zunächst einen Gärtner. Als den zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus der Auferstandene begegnet, sind sie voller Zweifel und Trauer. Erst nach der tiefen und ihnen die Augen öffnenden Begebenheit, als Jesus bei Tisch vor ihnen das Brot bricht, erkennen sie ihn und glauben. Auch hier schenken ihnen die anderen Jünger zunächst keinen Glauben. Erst als Jesus sich ihnen allen zeigt, wandelt sich ihr Zweifel in Glauben.

Zweifeln ist menschlich

Die Lesungen vom 2. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Mit Blick auf den Apostel Thomas könnte man sagen: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, denn Thomas fehlte, als Jesus am Ostertag in die Mitte seiner Jünger trat und ihnen den Frieden zusagte. Er konnte es einfach nicht glauben, zu unrealistisch war für ihn die Aussage, Jesus sei von den Toten auferstanden und noch einmal bei ihnen gewesen. 

Ich finde diesen Zweifel mehr als sympathisch, ist er doch menschlich so nachvollziehbar. Thomas wurde Didymus, Zwilling, genannt: Vielleicht ist jeder einzelne Christ/jede einzelne Christin der Zwilling des Thomas – in all dem Glauben, aber eben auch in all dem Zweifel, in all der Überzeugung, aber eben auch in all der Ungewissheit ob dieses nahezu unglaublichen Geschehens der Auferstehung.

Auch Thomas kommt zum Glauben

Thomas zweifelt, er will Beweise, ja: Er will die Wundmale Jesu sehen und sie berühren – andernfalls glaube er nicht. Acht Tage später geschieht es dann tatsächlich: Noch einmal kommt Jesus in die Mitte seiner Jünger und wünscht ihnen den Frieden. Nun ist genau dieser Thomas im Fokus des Herrn – der Thomas, der noch zweifelte, der nicht glauben kann, was seine Mitstreiter ihm erzählen.

„Sei nicht ungläubig, sondern gläubig“, sagt ihm Jesus, während er ihm seine Wundmale zeigt. Danach bringt Thomas nur noch ein kurzes Wort im Evangelium heraus: „Mein Herr und mein Gott!“

Der Wahrheit auf der Spur

Der Autor
Kaplan Lars Rother
Lars Rother ist Kaplan in der Pfarrei St. Lambertus in Ochtrup. | Foto: privat

Zwei Momente stehen an diesem Sonntag im Mittelpunkt: Zum einen zeigt dieses Evangelium, dass es vollkommen in Ordnung ist, Zweifel zu haben. Dass es völlig normal ist, einer Sache, die man nicht auf Anhieb glauben kann, nachzugehen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, nach Beweisen zu suchen. Und zum anderen zeigt es, dass der Zweifel an die Oberfläche will, dass er geäußert sein will, auch und gerade in der Begegnung mit Jesus selbst. 

Wenn ich in meinem Leben als junger Christ und Priester eine Erfahrung bisweilen schmerzhaft machen musste, dann die, dass der Zweifel untrennbar zum Glauben gehört. Der Zweifel gehört zum Glauben, wie der Tod zum Leben. Wer den Zweifel ignoriert oder zu unterdrücken versucht, der wird irgendwann an einen Punkt gelangen, an dem nicht mehr der Zweifel, sondern vielmehr die Verzweiflung überhandnimmt. Unsicherheit oder Ungewissheit, Unentschiedenheit oder zumindest Bedenken sind Begleiterscheinungen eines erwachsenen Glaubens – das zeigen uns auch die Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung in den Evangelien.

Zweifel kann große Früchte tragen

Diese Begleiterscheinungen gilt es zu kultivieren, denn an jedem Zweifel, der überwunden wird, wächst der Glaube. Ohne Zweifel oder Anfragen wird unser Glauben billig und unbeweglich, kommt nicht vollends zum Vorschein. Wir sehen gerade an dem großartigen missionarischen Dienst des Apostels Thomas, dass dieser in Glauben verwandelte Zweifel große Früchte tragen kann: Bis heute bekennen sich indische Christen zu „ihrem“ Apostel Thomas, der dort das Evangelium verkündet hat.

Das Entscheidende ist, so glaube ich, die Nähe zum Herrn zu suchen. Thomas braucht die körperliche, geradezu fleischliche Nähe zu Jesus, um zu glauben.

Wir Christen heute haben diese Möglichkeit nicht. Aber wir können uns ihm im Gebet oder im Empfang der heiligen Kommunion nähern und uns im übertragenen Sinne von ihm „berühren“ lassen oder aber wir berühren Jesus im Nächsten, in der gelebten Nächstenliebe.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 2. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr A) finden Sie hier.

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