Abt Andreas Werner: Ein Prophet – ganz Ohr vor Gott

Auslegung der Lesungen vom Palmsonntag (Lesejahr A)

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Wir treten ein in die ‚Heilige Woche‘. Die Texte des Palmsonntags deuten die letzte Wegstrecke des Lebens Jesu: Passion – Tod – Auferweckung – Erhöhung; sie laden uns ein, Jesus auf diesem Weg zu folgen, sagt Abt Andreas Werner und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Beim Propheten Jesaja handeln vier Lieder von der Gestalt eines vor Gott Gerechten. Das dritte Gottesknechtslied ist die bewegende Klage des Verkünders des Wortes Gottes, der auf immer größeren Widerstand stößt und misshandelt wird. Das lässt ihn aber nicht an seiner Berufung irre werden. Seine Klage wandelt sich in ein Vertrauensbekenntnis, er weiß Gott mit sich. Gott füllt ihn mit Kraft und Stärke, mit Trost und der Verheißung des Heils. Er ist ganz Ohr vor Gott. Gehorsam spricht er zu den Müden und Geschlagenen, zu den Armen und Entrechteten Worte des Trostes und der göttlichen Nähe.

Klage wendet sich in Vertrauen

Die Lesungen vom Palmsonntag (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Doch lässt man die Trostbotschaft von Gott, der die Not wendet, ins Leere laufen. Der Prophet spricht von Gott, als Antwort erhält er Schläge und Schmähungen. Hier bricht der Widerstand der Menschen Gott und seinem Heilsplan gegenüber auf – allen Knechten gegenüber, bis hinein in das Leiden und Sterben Jesu. Es ist der Widerstand des Menschen, der sich dagegen wehrt, dass es noch etwas über sich selbst hinaus zu verstehen gibt. Der Mensch will nur auf sich selbst vertrauen und auf seine eigene Kraft.

Der Knecht steht allein; aber er steht in sich. Er klagt, aber seine Klage wendet sich in Vertrauen. Die Krise gebiert die Wende. Er weiß um Gott, der die Seinen nicht verlässt. Er weiß, dass dieses Leid selbst Verkündigung ist. Eine Frage spricht aus den Gottesknechtsliedern: Was gibt mir Kraft zum Durchhalten und zum Mut, zum Vertrauen und zum Leben? Woraus nährt sich meine Hoffnung, meine Liebe? 

Lobpreis Jesu Christi

Das Vertrauen des Gottesknechtes ist stark; man tritt ihn nieder und er richtet sich wieder auf. Ihm ist gelungen, was wir kaum vermögen: sich ganz in Gott einzustimmen. Die Gottesknechtslieder waren wesentlich für das Selbstverständnis Jesu Christi. Jesus lebte aus Gott, er lebte aus diesen Texten. Dadurch wurde er so stark, dass er das Leben durchhielt, dass der Tod ihn nicht brach.

Dem Hymnus aus dem Philipperbrief geht es um den Lobpreis Jesu Christi, der radikal auf seine göttliche Daseinsweise und Stellung verzichtete, um den Menschen in allem gleich zu werden.

Die Erhöhung Christi

Der Autor
Abt Andreas Werner
Andreas Werner ist Abt der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: Abtei Gerleve

Handelte der erste Teil des Christusliedes vom Abstieg und der Selbsterniedrigung Christi, so besingt der zweite Teil seine Erhöhung. War seine Erniedrigung die freie Tat Christi, so ist seine Erhöhung Tat Gottes. Sie ist die göttliche Bestätigung seiner Heilstat. Der Hymnus spricht vom „Überhöhen“. Diesen überragenden Status kennt die Bibel nur für Gott; nun wird diese Würde Christus zuteil in der Verleihung des Namens, der über alle Namen ist.

Durch Erhöhung und Namensverleihung wird Jesus Christus in engste Nähe zu Gott gerückt. Jesus übernimmt als auferweckter Gekreuzigter die Herrschaft über alles und damit auch über den Tod. Erst jetzt, wo auch der Tod, also das Nicht-Sein, das dem lebendigen Gott diametral entgegensteht, von Gott überwunden ist. Der Tod Jesu dient der Überwindung des Todes. Er soll das Leben Gottes dorthin bringen, wo bisher kein Leben möglich war. Das Christuslied wird beschlossen mit einem Lobpreis Gottes. Darin wird kundgegeben, dass das gesamte Heilsgeschehen in Christus vom Beginn bis zum Ende in Gott verankert ist und ihm zur Ehre gereichen soll.

Gott schafft Gerechtigkeit

Mit dem Einzug Jesu in Jerusalem werden die prophetischen Worte Jesajas mit Leben gefüllt. Viele Menschen begleiten ihn mit Begeisterung, großen Hoffnungen und Erwartungen. Sie ehren ihn mit Jubelrufen: „Hosianna – gelobt sei, der da kommt, im Namen des Herrn!“ Nur fünf Tage später wird Jesus verhaftet, wegen seines Königtums verspottet, gefoltert und grausam ermordet.

Statt „Hosianna“ erschallt nun „Kreuzigt ihn!“ Jesus begibt sich in die Abgründe des Karfreitags, wo Menschen das Leben verraten und Gefallen finden an Macht und Gewalt. Jesus geht den Weg im Vertrauen, dass in allem, was kommt, Gott da ist und Gerechtigkeit schaffen wird.

Jesus nimmt uns an die Hand, um mit ihm in diesen Tagen den Weg des Leidens zu gehen. Er lässt diese Hand nicht los, wenn er nach seinem Tod zum Vater geht, sondern nimmt uns mit in die Herrlichkeit der Auferstehung: „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“ (Joh 12,32).

Sämtliche Texte der Lesungen vom Palmsonntag (Lesejahr A) finden Sie hier.

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