Michael Peters: Auf Augenhöhe mit den Armen

Auslegung der Lesungen vom 3. Adventssonntag / Lesejahr A

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Ist Jesus der Retter Israels? Bei Johannes kommen starke Zweifel auf. Jesus dagegen fordert von Johannes einen Perspektivwechsel, der uns auch heute helfen kann, sagt Michael Peters und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Bei Johannes sind heftige Zweifel angebracht. Seine Zeit läuft ab; er wird nicht mehr lebend aus dem Gefängnis herauskommen. Der Retter Israels soll doch mit Macht und Gewalt kommen, um die Rache Gottes zu vollziehen! So hat er alles auf die Karte „Jesus“ gesetzt. Ist Jesus nun der Retter Israels oder nicht?

Jesus fordert Johannes dagegen auf, genau hinzuschauen, was sich bisher rund um ihn und die Menschen getan hat: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt!“

Ganz genauso hatte es der Prophet Jesaja bereits Jahrhunderte zuvor angekündigt. Er wollte die Niedergeschlagenen seiner Zeit ermutigen und ermuntern mit seinen aufrüttelnden Worten: „Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott!“

Blühende Landschaften

Die Lesungen vom 3. Adventssonntag (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Große Verheißungen von Freude, Frieden und blühenden Landschaften erwecken eher unsere Skepsis und unser Misstrauen als unsere sofortige begeisterte Zustimmung. Wann wird das denn wohl endlich eintreffen, was Jesaja verspricht, dass Jubel und Freude sich statt Kummer und Seufzen bleibend einstellen? Die Erwartungen der Menschen damals haben sich nicht gleich erfüllt.

Auch Jesus erfüllt die Erwartungen des Johannes nicht. Er ist ganz anders, als Johannes es erwartet hat. Jesus ist nicht der starke Richter, der das Strafgericht eines zornigen Gottes vollzieht. Er ist auch nicht der Befreier Israels, der in der Wüste Anhänger um sich sammelt, um mit Feuer gewaltsam gegen die römischen Besatzer und die religiösen Führer in Jerusalem vorzugehen.

Jesu Blick nach unten

Jesu Handeln ist damit auch nicht zuvorderst auf diejenigen ausgerichtet, die oben sind – die Machthaber und Besitzenden. Auch sieht Jesus selbstverständlich die Taten von Unterdrückern und Ausbeutern und kritisiert diese ebenso wie Johannes. Doch Jesu Blick geht zunächst nach unten. Er kommt als Heiland, begibt sich zu den Notleidenden und Armen und begegnet ihnen auf Augenhöhe, um zu heilen, aufzurichten und für seinen Heilsweg zu werben.

Diesen Weg geht er in Übereinstimmung mit seinem Vater, so wie er ihn erkannt hat, der weder Gewalt noch Rache, sondern Liebe will. Jesu Maßstab sind Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Seine Bewegung ist eine Bewegung für unten, aber auch von unten. Denn, wie es Johannes schon gezeigt hatte, ist nicht zu erwarten, dass ein Wandel hin zu Gerechtigkeit und Frieden von fein gekleideten Menschen in den Palästen ausgehen wird.

Jesus hat die Kleinen im Blick

Der Autor
Michael Peters ist Diakon im Seelsorgteam St. Joseph Münster-Süd. | Foto: privat
Michael Peters ist Diakon im Seelsorgeteam St. Joseph Münster-Süd. | Foto: privat

Veränderungen geschehen aus dem Kleinen heraus. So kann Jesus auch sagen, dass die Kleinen größer sein werden als Johannes. Jesus hatte von Johannes gelernt. Er hat sich von ihm begeistern und inspirieren lassen. Doch ist der Blick des Johannes auf Gott sehr eingeengt. Der Prophet ist noch zu sehr im Alten verhaftet, da er Gott als Kriegsherrn und Rächer sieht. Das ist eine Sache von und für oben. Stattdessen hat Jesus vor allem die Kleinen und letztlich auch uns im Blick.

Im Kleinen, im Alltag und im Heute ist sein Reich im Werden. Jesus hat sich in den Alltag der Menschen begeben, um das Reich Gottes erfahrbar werden zu lassen.

Auch wir sind eingeladen, an unserem Ort und in unserer Zeit an diesem Reich der Gerechtigkeit und des Friedens mitzuwirken. Als Christinnen und Christen sind wir mit in das Heilswerk Gottes eingebunden, gerade in Zeiten der Dunkelheit und scheinbarer Ausweglosigkeit. Wir können nach unseren Möglichkeiten mithelfen, dass sein Licht auch in dunklen Zeiten nicht erlischt.

Entscheidungen in der Krise

Gerade in Krisenzeiten werden wir vor Entscheidungen gestellt, uns für das Gute einzusetzen, zu helfen, zu teilen, barmherzig zu sein, zu schauen, wo Zerstörtes und Zerbrochenes wieder heil gemacht werden kann, damit die Liebe Gottes spürbar bleibt, damit trotz Sterben und Gewalt immer wieder Zeichen der Auferstehung schon heute sichtbar werden.

Dabei dürfen wir auf Gottes Verheißungen vertrauen, dass er bei uns ist und bleibt und letztlich alles heil werden lässt. So wirbt der Jakobusbrief weiterhin um Geduld, dass es am Ende Gott ist, der uns aus der gegenwärtig unerbittlich erscheinenden Dynamik der Welt herausholen wird.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 2. Adventssonntag (Lesejahr A) finden Sie hier.

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