Pater Elmar Salmann: Vom Rätsel zum Geheimnis

Auslegung der Lesungen vom 3. Sonntag der Osterzeit / Lesejahr C

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Wie geht es weiter? Diese Frage ist hochaktuell und hat sich auch schon unter den frühen Christen gestellt. Aus den damaligen Ereignissen können wir lernen, meint Pater Elmar Salmann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Der Evangelientext aus dem 21. Kapitel des Johannes-Evangeliums ist eine Zugabe, er stellt einen Rück- und Ausblick dar. In ihm herrscht eine seltsam dichte und doch ungreifbare Atmosphäre voller Rätsel, Anspielungen, ein diffuses Licht, eine Aura des Geheimnisses, die uns bestrickt, auch ratlos zurücklässt. Der Nachtrag weiß nichts von restloser Klarheit, Transparenz, dogmatischer oder moralischer Behauptung; es geht vielmehr um verhüllte Offenbarung, versteckte Mitteilung, um ein symbolisches Spiel, das vieles offenlässt und doch tief ins Leben eingreift.

In ihm sind viele Annäherungen, Ahnungen nötig und möglich, tastende Verwirklichungen, um dem Geheimnis der Gegenwart Gottes in Jesus und unter den Menschen auf die Spur zu kommen. Fast hat man eine Scheu, den Schleier zu lüften, den Zauber zu zerstören. Den Lesern sei empfohlen, diesen auf sich wirken zu lassen. Es muss nicht alles sofort benannt, durchdiskutiert, bloßgestellt werden, manches mag dahingestellt bleiben, still auf Gemüt und Seele wirken. Dies ist freilich eine Haltung, die gesellschaftlich fremd geworden ist, ja unter Verdacht steht. Aber ganz ohne eine solche gelingt das Miteinander nicht, von solcher discretio leben Beziehungen, Gespräch, Kunst und Religion.

Jesus geht auf jeden anders ein

Die Lesungen vom 3. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Dabei bleibt es freilich nicht. Diskretion meint auch Unterscheidung, Weisung, Maßgabe, ein Sich-Einstellen auf die Wirklichkeit und die Lage des jeweiligen Menschen. Der biblische Jesus liebt nicht alle gleich, eher geht er auf jeden Menschen anders, besonders zu und ein, mal fordernd, mal weisend, mal richtend, mal heilend und aufrichtend. Manche ruft er in seine Nähe, die meisten entlässt er in ihr Leben, schickt sie nach Hause. Nicht alle erkennen ihn und werden vom ihm (an-)erkannt, einige einer bitteren Prüfung unterworfen oder einer besonderen Gegenwart gewürdigt.

So ist es bei Petrus, bei Johannes, da ist zwischen ihnen ein Mit und Gegen, ein Wettlauf, der jeweils andere bleibt auch offene Frage und Wunde; jeder der beiden hat sein Geschick, seine Weise von Treue; bei Petrus ist die Spannweite von Treue und Verrat, von Wort und Tat, von erster Ahnung, Bekenntnis und Einlösung besonders weit und umwegig; das sollte bis zur Erzählung von seinem Sterben in Rom so bleiben.

Überraschende Eintracht

Der Autor
Pater Elmar Salmann ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve.
Pater Elmar Salmann ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve.

Mit Johannes verbindet Jesus eine offenbar zartere, um vieles wissende Nähe; er wird zum Visionär, zum Theo­logen, zum Eingeweihten. Dramatisch die Schlusssequenz für Petrus: die Steigerung und verletzende Wiederholung der drei Fragen nach der Liebestreue, die die Verratsworte einholen und wiedergutmachen sollen – und das bewegende Wort vom Sich-Gürten, der immer größer werdenden Passivität und dem Verlust der Verfügungsmacht im Alter. Da wird ein Lebensgesetz der Menschen berührt und angesprochen, dem lange nachzudenken wäre.

Am Anfang des Christentums gibt es also überraschende Eintracht und eine ebenso erstaunliche Konkurrenz, stehen ganz unterschiedliche Konzeptionen neben- und manchmal auch gegeneinander, Gemeindeformen, Theologien, Lebensstile. Petrus und Paulus und Johannes, Jerusalem und Antiochien, Kleinasien und Rom, Jüdisches und Griechisches, – all das trägt zum Reichtum der künftigen Kirche bei. Ob wir daran eine Tiefenfreude entwickeln könnten?

Entspannende Spannung

Die Lesungen tragen noch zwei wichtige Züge des frühen Christentums bei: Es war Minderheit, randständig, ohne sich allerdings zu verschließen, freimütig setzte es sich dem Gegenwind der Geschichte aus, in einer seltsamen Mischung aus Demut vor Gott und Hochgemutheit den Menschen gegenüber. Es lebte von der Vision himmlischer Erfüllung, welche alles Hiesige relativierte, aufnahm, verwandelte. Deshalb vibrierte in ihm eine entspannende Spannung, ein gelöst-erlöstes Verhältnis zu Endlichkeit und Sterben, Erfolg und Scheitern. Alles aber war getragen von einem Geist staunend-ehrfürchtiger, selbstvergessen-aufschauender Anbetung, wie sie aus der Johannesapokalypse spricht.

Im Gebet wird die einsame Seele des Einzelnen berührt, sie gewinnt Raum und Sprache, da jeder Mensch einsam vor und in Gott ist. Eben diese Einmaligkeit ist auch das, was wir miteinander teilen, das Gemeinsame, das sich im liturgischen Gebet, etwa in der anfangs betrachteten Szene des Johannes-Evangeliums ausdrückt. Unser Gang hat viele Züge des frühen Chris­tentums vor Augen gestellt, die uns Heutigen oft fehlen. Ob wir uns davon nicht etwas ‚abgucken‘ könnten?

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr C) finden Sie hier.

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