Pfarrer Wichmann: Gott wendet sich den Benachteiligten zu

Auslegung der Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C

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Als das Volk Israel aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkehrt war, feierte Jerusalem ein Freudenfest. Gott ist der, der immer neue Chancen eröffnet und sich den Benachteiligten zuwendet, sagt Pfarrer Josef Wichmann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

In einer schwierigen Zeit entstand die Lesung aus dem Buch Nehemia. Große Teile Israels waren aus der 40-jährigen babylonischen Gefangenschaft nach Jerusalem heimgekehrt. Sie hatten unter enormen Schwierigkeiten den Tempel und die Stadtmauer wieder aufgebaut. Zur geistigen Erneuerung der Gemeinde wird auf das „Buch des Gesetzes“, die Tora, zurückgegriffen. Sie ist die hilfreiche Wegweisung, die Gott seinem Volk am Sinai geschenkt hatte.

Die Lesung zeichnet eine „ideale Szene“ eines jüdischen Gottesdienstes in der Synagoge, mit vielen liturgischen Assoziationen wie Kanzel, Heiliges Buch, Gott preisen mit erhobenen Händen, sich verneigen, zustimmender Ruf: Amen. Amen (so sei es!).

Sie weinen vor lauter Rettung

Die Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Die Zuhörer sind beim Hören so ergriffen, dass sie weinen müssen. Die vielen Rettungsgeschichten werden in Erinnerung gerufen, wo Gott den Vätern und Müttern Israels sichtbar beisteht: dem in Ägypten unterdrückten Volk, den tödlich verängstigten Israeliten am Schilfmeer, während der Wüs­tenwanderung. Gott hatte ihm immer wieder neue Chancen eröffnet. 

Dann der überraschende Rat des Priesters Esra: „Haltet ein festliches Mahl und trinkt süßen Wein! Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben; denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre unseres Herrn. Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ Es beginnt der Zauber des Neuen! Mitten in der Depression schwierigster Jahre feiert Jerusalem ein Freudenfest. Das Volk hat erfahren: Gott ist mit uns. Entscheidend ist, dass die Menschen sich auch in schwierigen Zeiten geborgen wissen. 

Zank und Streit rund um Paulus

Paulus ist konfrontiert mit Auseinandersetzungen in der Gemeinde von Korinth: Unter anderem geht es um Fragen von Ehe- und Ehelosigkeit (7,1), um die Frage, ob man Götzenopferfleisch essen darf, das bei Ritualen für heidnische Götter eine Rolle spielte (8,1), um die Kollekte für Jerusalem (16,1). Auch, dass es ganz unterschiedliche Charismen gibt, die nicht immer reibungslos zusammenpassen. Die Situation ist „heiß“. Es gibt Zank und Streit. Die Streitfragen betreffen die Gemeindemitglieder je nach sozialer Stellung ganz unterschiedlich. 

Paulus stellt die Zusammengehörigkeit in Vielfalt plastisch vor mithilfe des Bildes vom Leib, zu dem verschiedene Glieder gehören, die gerade in ihrer Unterschiedlichkeit wichtig sind. Jedes Glied braucht die Anderen und jedes Glied braucht die Zugehörigkeit zum einen Leib. Das überträgt Paulus auf die verschiedenen Charismen, die die Gemeinde und den Leib Christi bilden. Dabei ist Paulus nicht ganz neutral. Die verschiedenen Glieder sind nicht nur jeweils anders; sie werden innerhalb der Gemeinde unterschiedlich bewertet.

Gott schaut auf Benachteiligte

Josef Wichmann
Josef Wichmann ist Pfarrer em. im
Anna-Katharinenstift Karthaus. | Foto: privat

Hier bringt Paulus Gottes besondere Vorliebe ins Spiel – Gott schaut auf die Benachteiligten und gibt ihnen mehr Ehre. Zudem ruft Gott die Bevorteilten auf, es ihm gleichzutun. In dieser Orientierung an den Schwächeren entsteht die Einheit des Leibes Christi. Das ist gute biblische Tradition. Auch Papst Franziskus wird nicht müde, uns zu ermahnen, die Armen im Blick zu behalten. Er ist selbst dabei Vorbild, etwa wenn er am Gründonnerstag in Gefängnissen Frauen und Männern die Füße wäscht. Auch so kann der Zauber des Neuen aussehen.

Das Evangelium legt sozusagen einen neuen Grund für den Glauben an den von Gott gesandten Jesus, den Christus. An ihm ist die Verheißung aus vergangenen Zeiten heute in Erfüllung gegangen. Im ersten Teil legitimiert sich der Verfasser als glaubwürdig. Denn die Frage lautet damals und auch heute: Wer ist dieser Jesus? Das legt Lukas im zweiten Teil dar. Er schildert den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu. 

Erfüllte Prophezeiung

Im ersten Auftreten Jesu erzählt Lukas schon die theologische Absicht seines Evangeliums, legt das Programm Jesu dar. Er zeigt in Jesus den Heiland der Verlorenen, der sozial Entrechteten, der Frauen, der Zöllner und Sünder. Sein Programm ist fast identisch bei Jesaja (60, 1) zitiert: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt.“ 

Das Jesajawort ist im heute des Evangeliums in Erfüllung gegangen. Es erfüllt sich aber auch in jedem heute, in das hinein die Frohe Botschaft verkündet wird. Es ist wichtig, dass wir Christen uns von diesem Wort ansprechen lassen und es auf uns beziehen, wenn der Geist des Herrn sagt: Der Geist des Herrn ruht auf dir, der Herr hat dich gesandt … und ihm wohnt ein Zauber inne.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.

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