Pater Christian Brüning: Gott fordert keine Unterwerfung

Auslegung der Lesungen vom 33. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Müssen wir uns Gottes Willen unterwerfen oder dürfen wir ihn verehren? Das hängt vom Gottesbild ab, sagt Pater Christian Brüning und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Als Eingangstor über dem 33. Sonntag im Jahreskreis steht ein bemerkenswertes Tages­gebet. Allerdings ist es unglücklich aus dem lateinischen Original übersetzt: „Gott, du Urheber alles Guten, du bist unser Herr. Lass uns begreifen, dass wir frei werden, wenn wir uns deinem Willen unterwerfen, und dass wir die vollkommene Freude finden, wenn wir in deinem Dienst treu bleiben.“

Der Gedankengang im Original ist andersherum. Es beginnt mit der Bitte: „Da nobis, quaesumus, Domine Deus noster“ – „Gib uns, wir bitten dich, Herr unser Gott.“ Da wird nicht drumherum geredet, sondern Gott wird zielstrebig mit der direkten Bitte bestürmt: „Gib uns!“

 

Verehrung statt Unterwerfung

 

Die Lesungen vom 33. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Worum gebetet wird, ist nicht, dass wir „begreifen, dass wir frei werden“ und schon gar nicht, „dass wir uns seinem Willen unterwerfen“. Der lateinische Text lautet: „in tua semper devotione gaudere“ – „dass wir in deiner Verehrung dauernde Freude finden“.

Das Wort „devotio“ ist nicht leicht zu übersetzen. Im Umfeld der lateinischen Sprache kann es die Weihung, Aufopferung an die Gottheit meinen und Hingabe, verbunden mit äußeren Akten der Andacht. Übersetzt man es mit „dir uns hingeben“, klingt das zu innerlich, mit „dir uns weihen“ zu feierlich. Vielleicht gibt man es hier am besten mit „Verehrung“ wieder. Auf gar keinen Fall meint es „Unterwerfung“ unter den Willen Gottes.

 

Gott als Urheber guter Dinge

 

Auch ist nicht von einem „frei werden“ die Rede, sondern von „gaudere“, also „sich freuen, Freude finden“. Das Anliegen des Beters ist, dass die „Verehrung“ mit Freude, gerne geschehen möge, nicht bloß pflichtgemäß, gelangweilt; gehorsam. Das wäre denkbar, wenn die Gottheit eine Macht wäre, der man notgedrungen seinen Tribut zahlen muss, nicht gerne, sondern als pure Pflicht.

Dem lateinischen Gebet liegt ein anderes Gottesbild zugrunde. Gott ist der „bonorum omnium auctor“ – ‚der Urheber aller guten Dinge‘. Das Ziel ist, ihn, den „Autor“ alles Guten, mit Freude zu verehren.

Was „verehren“ meint, konkretisiert das lateinische Gebet: „jugiter serviamus“ – „dass wir stets zu Diensten sind“. Es geht nicht darum, dass wir dieser oder jener guten Sache dienen, sondern ihm „zu Diensten sind“, der der Urheber alles Guten ist. Bei der Verbreitung seines Werkes können wir ihm zu Diensten sein, dürfen wir ihm zur Hand gehen. Solch ein Dienst, sagt das lateinische Gebet, ist „perpetua et plena felicitas“ – „das ganze und bleibende Glück“.

 

Kostbares Tagesgebet

 

Pater Christian Brüning OSB
Pater Christian Brüning OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: Abtei Gerleve

Die lateinische Fassung des Gebetes lautet: „Da nobis, quaesumus, Domine Deus noster, in tua semper devotione gaudere, quia perpetua est et plena felicitas, si bonorum omnium iugiter serviamus auctori.“ Genauer übersetzt wäre es: „Gib uns, wir bitten dich, Herr, unser Gott, dauernde Freude an deiner Verehrung; es ist ja das ganze und bleibende Glück, dem stets zu Diensten zu sein, der der Urheber alles Guten ist.“

In Zeiten scharfer Kirchenkritik und zahlreicher Kirchenaustritte, ist unser Tagesgebet kostbar. Freier formuliert, ist es ja die Bitte, Gott in bleibender und treuer Freude zur Hand gehen zu dürfen. Wenn gesagt wird, die Kirche dürfe nicht den Draht zu den Menschen verlieren, muss mindestens dazu gesetzt werden: Wir müssen beten, dass wir in der Gemeinschaft der Glaubenden nicht den Draht zu Gott verlieren. In der ersten Lesung und im Evangelium dieses Sonntags werden wir mit apokalyptischen Texten konfrontiert. Sie sprechen vom Ende der Zeiten und davon, dass die Treuen, Verständigen und Auserwählten gerettet werden.

 

Stichwort Treue

 

Auch die zweite Lesung, die aus dem von Sonntag zu Sonntag fortlaufenden Bibeltext stammt, fügt sich gut zu dem Stichwort Treue. Allerdings redet sie von der Treue des priesterlichen Erlösers, Jesus Christus. Er „hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt“. Sich selbst hat er Gott als Sühne dargebracht und „die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt.“ Die, die geheiligt werden, sind die Auserwählten und Treuen. Ihrer Treue korrespondiert die Treue Jesu Christi.

Der Gedanke der Treue wird im Gabengebet aufgegriffen: „Die Gabe, die wir darbringen, schenke uns die Kraft, dir treu zu dienen.“ Auch das Schlussgebet mag man in diesem Zusammenhang sehen: „Die heilige Gabe, die wir in dieser Feier empfangen haben, helfe uns, dass wir in der Liebe zu dir und unseren Schwestern und Brüdern Christus nachfolgen.“

Sämtliche Texte der Lesungen vom 33. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.

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