Bistum Aachen stellt Missbrauchsuntersuchung am Donnerstag vor

Bischof Mussinghoff: Fühlte mich mit Opfergesprächen überfordert

  • Die Missbrauchsaufarbeitungen im Bistum Aachen stoßen bei Altbischof Heinrich Mussinghoff (80) und dem früheren Generalvikar Manfred von Holtum (76) auf Kritik.
  • Von der mit einem Gutachten beauftragten Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) erwarteten sie unberechtigte Schuldzuweisungen und kein faires Verfahren.
  • Die übersandten Protokolle der mit Mussinghoff und von Holtum geführten Interviews seien „unzulänglich und sehr fehlerhaft“, führten die beiden Geistlichen aus.

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Die Missbrauchsaufarbeitungen im Bistum Aachen stoßen bei Altbischof Heinrich Mussinghoff (80) und dem früheren Generalvikar Manfred von Holtum (76) auf Kritik. Von der mit einem Gutachten beauftragten Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) erwarteten sie unberechtigte Schuldzuweisungen und kein faires Verfahren, sagten sie den „Aachener Nachrichten“ (Montag). Unterdessen teilten die Rechtsanwälte mit, ihre Untersuchung über mögliches Fehlverhalten von Bistumsverantwortlichen im Umgang mit Missbrauchsfällen am Donnerstag vorzustellen. Das Erzbistum Köln hatte die Veröffentlichung einer ähnlichen Expertise von WSW Ende Oktober wegen angeblicher Mängel überraschend abgesagt.

Die Einwände mehrerer Strafrechtler an dem für Köln erarbeiteten Untersuchung könne er nachvollziehen, sagte von Holtum. Solange die Frage der Professionalität nicht geklärt sei, dürfte das Gutachten für Aachen auch aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht veröffentlicht werden. Die übersandten Protokolle der mit Mussinghoff und von Holtum geführten Interviews seien „unzulänglich und sehr fehlerhaft“, führten die beiden Geistlichen aus. Die Zeitung zitiert ohne Namensnennung weitere Interviewte, die über „zum Teil katastrophale und haarsträubende Mängel“ in den Protokollen berichteten. Trotz der Kritik hält das Bistum Aachen an der Veröffentlichung des WSW-Gutachtens fest, wie der amtierende Generalvikar Andreas Frick der Zeitung sagte.

 

Mussinghoff: Müssen uns der Verantwortung stellen

 

Mussinghoff leitete die Diözese von 1995 bis 2015, während von Holtum von 1997 bis 2015 dort Verwaltungschef war. Der ehemalige Generalvikar bekundete die Ansicht, dass die damalige Bistumsleitung für die Betroffenen das Notwendige und Mögliche getan habe. Wenn sich aber herausstelle, „dass wir als damals Verantwortliche nach heutigem Kenntnisstand unsere Verantwortung nicht ausreichend wahrgenommen haben, müssen wir uns dem stellen“, so der Geistliche.

Von Holtum räumte ein, „dass wir damals wenig Erfahrung hatten im Umgang mit Missbrauchsfällen“. Wie der Vatikan und die deutsche Ortskirche „haben wir erstmal lernen müssen“. Ihm und Mussinghoff sei die ganze Dimension der Missbrauchsfälle nicht bewusst gewesen.

 

„Kein Bischof kann sachgerecht mit Geschädigten sprechen“

 

Der Altbischof erklärte: „Ich fühlte mich überfordert - vor allem mit Opfergesprächen.“ Die Kritik, dass er nicht mit Geschädigten gesprochen habe, sei zutreffend. „Ich hätte mir nicht zugetraut, sachgemäß mit ihnen zu sprechen. Ich würde das auch keinem Bischof raten.“ (UPDATE unten) 2011 sei eine Expertenkommission unter anderem mit den Missbrauchsbeauftragten sowie Psycho- und Traumatherapeuten eingerichtet worden.

Laut Mussinghoff hat sich der 2017 verstorbene Personalchef Heiner Schmitz weitgehend um die Missbrauchsfälle gekümmert. Beschuldigten seien Seelsorgetätigkeiten sofort untersagt worden, so von Holtum. Es habe klare Absprachen gegeben, wonach zunächst die Staatsanwaltschaft informiert und aktiv geworden sei, und dann das kirchliche Verfahren folgte. Zugleich habe die Bistumsspitze darauf achten müssen, dass mutmaßliche Täter nicht vorverurteilt werden.

UPDATE: Mussinghoff: Habe nicht mit minderjährigen Opfern gesprochen
Bischof Heinrich Mussinghoff hat seine Aussagen zum Umgang mit Missbrauchsopfern präzisiert. Er habe sehr wohl mit von sexualisierter Gewalt betroffenen Menschen gesprochen, aber mit inzwischen Erwachsenen und nicht mit Minderjährigen, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur. „Ich habe das gemacht, wenn der Wunsch kam.“ Bei einem direkten Austausch mit Kindern oder Jugendlichen aber hätte er die Sorge gehabt, nicht den rechten Ton zu treffen. Solche Opfergespräche hätten ihn überfordert. (KNA, 11. November)

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