„Woche für das Leben“ der beiden Kirchen beginnt an diesem Samstag

Eine demenzsensible Kirche – wie kann das gehen?

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Die bundesweite „Woche für das Leben“ der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland, die am heutigen Samstag in Leipzig eröffnet wird, nimmt diesmal demenziell Erkrankte in den Blick. Der Umgang mit ihnen ist herausfordernd, sagen Praktiker, ihre Ideen dazu sind aber kreativ. Vor allem brauche es Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

Oft haben sie sich jahrzehntelang in der Gemeinde engagiert, waren im Kirchenchor, haben den Adventsbasar organisiert oder fürs Pfarrfest Kuchen gebacken. Bei beginnender Demenz ziehen sich die einst so Aktiven oft zurück – dabei leben sie weiterhin nebenan. Doch wie sollen Pfarreien mit ihren an Demenz erkrankten Gemeindemitgliedern umgehen? Die ökumenische „Woche für das Leben“, die am heutigen Samstag beginnt, rückt sie in den Blick.

Im Stadtdekanat Köln wurde bereits vor zehn Jahren das Projekt „Dabei und mittendrin – Gaben und Aufgaben demenzsensibler Kirchengemeinden“ ins Leben gerufen. Ziel der ökumenischen, auf drei Jahre befristeten Initiative war, dass Betroffene am Gemeindeleben teilhaben können. Dafür wurden auch Hauptamtliche und ehrenamtliche Besuchsdienstler im Umgang mit dementen Menschen geschult. Obwohl das Projekt längst ausgelaufen ist, beobachtet Elmar Trapp, im Erzbistum Köln zuständig für Altenheimseelsorge, weiter reges Interesse. „Es gibt noch immer Nachfragen aus ganz Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland.“

Zuhören statt Menschen "bepredigen"

Trapp besucht regelmäßig Menschen mit Demenz. Wichtig ist ihm, „sich ihrem Tempo anzupassen und sie nicht zuzutexten“. Pfarreien seien herausgefordert, diese Menschen ernstzunehmen, wertzuschätzen und ihnen zuzuhören, was sie wirklich bräuchten, statt sie zu „bepredigen“.

Seit 2012 gibt es eine Fachstelle Demenz im Erzbistum München – die einzige ihrer Art im deutschsprachigen Raum. Maria Kotulek ist dort Referentin, sie schult Seelsorgende und hat Handreichungen entwickelt. Ob die Erkrankung in den Gemeinden wahrgenommen wird, hängt nach ihrer Beobachtung davon ab, „wie wichtig den Haupt- und Ehrenamtlichen das Thema ist“.

Spezielle Gottesdienste

Im Erzbistum werde derzeit die Seniorenpastoral umstrukturiert und in größeren Sozialräumen gedacht. Das sei eine Chance, die Sensibilität für das Thema weiter zu „pushen“. Dabei geht es aus ihrer Sicht eher um eine bestimmte Einstellung gegenüber Menschen mit Demenz als um besondere Angebote für sie. Letztendlich sollten sie an jeder Veranstaltung teilnehmen können.

Kotulek bietet zudem spezielle „Vergiss-mein-nicht“-Gottesdienste an, eine Idee der Alzheimergesellschaft, die sie für das Bistum übernommen hat. Unter anderem kommen bekannte Lieder und Gebete vor, in die die Teilnehmenden einstimmen können. Sie machten so die stärkende Erfahrung: „Ich kann noch was, es ist noch was da von meinem Wissen“, sagt die Theologin.

Ein wichtiges Element sei der abschließende Einzelsegen: „Das ist für die Menschen etwas ganz Wertvolles, das sie noch aus ihrer Kindheit von den Eltern kennen und sonst kaum noch erleben“.

Segen auch für Angehörige

Der Segen stärke auch Angehörige, die sich in ihrer oft belas­tenden Situation gesehen fühlten. Um sie zu unterstützen, hat Kotulek soeben den „DemenzGuide“ mit auf den Weg gebracht, eine ökumenische App zur Unterstützung von Angehörigen demenziell erkrankter Menschen.

Auch im Erzbistum Freiburg ist das Thema auf dem Schirm, sagt Theresa Betten, stellvertretende Leiterin des Referats „Inklusion und Generationen“ im Generalvikariat. So habe es im Frühjahr eine dreiteilige Reihe gegeben, an der über 360 Personen teilgenommen hätten: „Wir müssen da dranbleiben, das Thema beschäftigt immer mehr Menschen“, bilanziert Betten.

Wie wird über Betroffene gesprochen?

Das Erzbistum veranstaltet fast parallel zur „Woche für das Leben“ rund um den Internationalen Tag der Inklusion am 5. Mai eine Aktionswoche, bei der es auch um Demenz geht. Auf einer Internetseite sind Informationen und Handreichungen zum Thema aufgeführt.

Unter anderem wird dazu ermutigt, die eigene Haltung zu hinterfragen. Etwa, wie über Betroffene gesprochen wird – als „Verwirrte“, „Demente“ oder „Menschen mit Demenz“? Weitere Fragen: Wird über Betroffene gesprochen oder mit ihnen? Werden Menschen mit Demenz gefragt, was sie möchten und brauchen? Sind sie bei der Gestaltung von Angeboten einbezogen?

Mitunter sehr kreativ geht die evangelische Kirche mit dem Thema um. Ein Beispiel ist das bereits 1999 ins Leben gerufene „Geistliche Zentrum für Menschen mit Demenz und Angehörige“ des evangelischen Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg. Unter anderem auf dem Programm stehen Besuche eines Leierkastenmannes, ein monatliches Tanzcafé, Innenhof-Mitsingkonzerte und ein „Alzheimer-Salon“, in dem demenziell erkrankte Kunst-Talente eine Bühne bekommen. Auch spirituelle Angebote gibt es.

Weiterbildungen für Angehörige

Laut Sozialpädagogin Katrin Albroscheit nutzen dies Menschen unterschiedlicher Nationen und Religionen. Ein Schwerpunkt sei die Fort- und Weiterbildung für Angehörige und Pflegende und der Austausch zum Thema Spiritualität und Demenz.

In einigen evangelischen Gemeinden gebe es – wie in Berlin – schon seit mehr als zehn Jahren „regelmäßige anschauliche, sinnliche und stärkende Gottesdienste und andere Angebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen“, sagt Anita Christians-Albrecht, Pastorin und Beauftragte für Altenseelsorge in Hannover. Andernorts beginne die Auseinandersetzung mit dem Thema erst.

Wandel des Menschenbildes

Wichtig ist aus Sicht der Seelsorgerin, dass Menschen, die mittelbar oder unmittelbar von der Krankheit betroffen sind, „nicht allein gelassen werden und sich weiterhin als Teil der Gemeinde und Gemeinschaft erleben“. Es gehe um Teilhabe für demenziell Erkrankte, ihre Familien und Freunde – ob im Gottesdienst, im Kirchenchor oder beim Seniorenkreis.

Die Begegnung helfe auch, zu einem ganzheitlichen Menschenbild zu finden, das nicht allein geprägt sei von Produktivität und kognitiver Leistung. „Am Thema Demenz zeigt sich, ob unser Reden über Würde im Alter tragfähig ist“, findet die Pastorin.

Links zu weiterführenden Informationen
Ökumenischer Demenz-Guide
Materialien zu Demenz aus dem Erzbistum Freiburg
Materialien des Evangelischen Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg
Internetseite der „Woche für das Leben“

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