Themenwoche „Wie klappt’s mit den Weltkirche-Priestern?“ (4)

Expertin: Weltkirche-Priester sind ein Gewinn - trotz kleiner Hürden

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Wie klappt das Zusammenleben von Priestern der Weltkirche mit deutschen Gemeinden im Alltag? In der Regel reibungslos, sagt, Renate Brunnett, Fachfrau im Bischöflichen Generalvikariat. Wenn es nicht klappt, sind für sie kulturelle Missverständnisse der Grund. Und die könne man mit Einfühlsamkeit ausräumen.

„Hervorragend und geschmeidig“, so laufe das in den meisten Fällen. Keine Klagen von Renate Brunnett, wenn man sie nach dem Alltag von Priestern der Weltkirche in den Gemeinden des Bistums Münster fragt. Brunnett ist im Generalvikariat für die Betreuung dieser Seelsorger zuständig.

Aber es gebe auch andere Fälle, berichtet sie. Der Grund: meistens Missverständnisse, Missverständnisse zwischen den Kulturen. Kein Wunder, findet Brunnett. Eine Zusammenarbeit zwischen völlig verschiedenen Kulturen bringe eben auch völlig neue Missverständnisse. „Jeder denkt getrennt in seiner Kultur weiter und ist voll Wohlwollen gegenüber dem Anderen – aber irgendwann kippt es.“ Renate Brunnett kennt da genug Beispiele.

Wenn Höflichkeit wichtiger als Kritik ist

Konkret: bei kritischen Rückmeldungen. In Deutschland sei es zum Beispiel kein Problem, dem Gesprächspartner zu sagen, wie Äußerungen oder Auftreten bei anderen ankommen. „In anderen Kulturen ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Da hat Höflichkeit einen hohen Stellenwert, Kritik gilt als unhöflich, und entsprechend ist man mit kritischen Rückmeldungen sehr zurückhaltend.“ Dort arbeite man eher mit sehr höflichen Umschreibungen. „Aber davon wissen bei uns die wenigsten.“

Einfache Auswege kann Renate Brunnett nicht bieten. Bei ihren Gesprächen in Münster und Besuchen vor Ort rät sie zunächst zu mehr Einfühlsamkeit in die völlig andere Kultur des Gastes. Eine Grundbedingung, so findet sie, wenn man die Zusammenarbeit mit Priestern völlig anderer Kulturen wolle. Denn im Alltag der Gemeinden sei eines typisch: „Da prallen Selbstverständlichkeiten aufeinander – aber nur für die jeweilige Seite Selbstverständliches.“

In Indien gehört sich schweigsam sein

Selbstverständlich sei in Indien zum Beispiel, wenn ein Gast in einer neuen Runde zunächst schweigt und keine Nachfragen stellt – „das gehört sich so“. Auch wenn dann vieles ungesagt und unklar bleibe. In Indien sei es Sache des Gastgebers, in solchen Fällen aktiv zu werden.

Schwer verständlich in Deutschland, wo Eigeninitiative einen so hohen Stellenwert habe. Brunnett: „Da prallen dann unterschiedliche Kulturen aufeinander, weil Eigeninitiative anderswo viel weiter unten steht auf der Werteskala.“ Unterschiedliche Kulturen mit einer unterschiedlichen Werteskala – Renate Brunnett sieht ihre Aufgabe so: „Brücken bauen zwischen den Kulturen. Angebote, die die Gesprächspartner nutzen können. Jeder muss die Hürde dann selbst nehmen.“

Glaube verändert sich

Jenseits aller möglichen Probleme könne die deutsche Kirche bei der Zusammenarbeit zwischen Priestern der Weltkirche und ihren Gemeinden „Schätze heben“, da ist Brunnett fest überzeugt. „Wir können lernen, wie sehr unser Glauben kulturell geprägt ist“.

Konkret: Wenn Rosenkranzgebet und Maiandachten schwinden, sei für viele Menschen klar: Der Glaube schwindet. Ein Irrtum, findet Brunnett. „Denn wir erleben bei den Priestern der Weltkirche, dass sie denselben Glauben in völlig anderen Formen leben.“ Das könne deutschen Katholiken die Augen öffnen. „Der Glaube schwindet nicht, er verändert sich. Manche Kulturformen, in der wir ihn ausdrücken, die schwinden.“ Neue Formen, den Glauben auszudrücken – danach könne man suchen, die seien zu finden. „Aber dass es andere Formen gibt, genau diesen Glauben auszudrücken, zeigen uns die Priester der Weltkirche tagtäglich.“

Priester der Weltkirche
Die Priester der Weltkirche im Bistum Münster unterstützen die Seelsorge vor Ort in den Pfarreien. Zur Vorbereitung auf ihren Dienst belegen sie Deutschkurse an einem Goethe-Institut in ihrem Heimatland. Im Bistum Münster absolvieren sie einen zweijährigen sogenannten „Willkommenskurs“. Dazu gehören eine Einführung in deutsche Kultur, Pastoral und Sprache, die sie mit einer Prüfung abschließen. In den Gemeinden fördern ehrenamtliche Sprachbegleiterinnen weiter individuell ihre Fähigkeiten.
Von den 160 Priestern der Weltkirche im Bistum Münster kommen etwa 120 aus Indien, 25 vom afrikanischen Kontinent und 15 aus Osteuropa. Die Hälfte von ihnen gehört einem Orden an. (fjs)

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