Themenwoche „Wie klappt’s mit den Weltkirche-Priestern?“ (2)

Mit Mickie Krause gefeiert, mit Trecker gepilgert - ein Inder in Heiden

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Seit Sommer 2022 leitet Ravi Chatta die Pfarrei St. Georg in Heiden im Kreis Borken. Er gehört zu den wenigen Priestern der Weltkirche mit einer Leitungsaufgabe im Bistum Münster.

In kurzer Zeit hat Ravi Chatta viel gelernt: die deutsche Sprache, die europäische Kultur, Traditionen des Münsterlands und das Allerwichtigste: Land und Leute. Seit Sommer 2022 leitet der aus dem Bundesstaat Telangana im südlichen Zentral-Indien stammende Priester die Pfarrei St. Georg in Heiden, einem Nachbarort der Kreisstadt Borken.

„Heiden ist meine neue Heimat“, sagt der 45-Jährige frei heraus. Das Münsterland habe es ihm angetan. „Ich habe hier eigentlich nur freundliche Menschen kennengelernt. Ich habe Glück gehabt“, sagt er über die Begegnungen im Bistum Münster und korrigiert sich gleich schmunzelnd mit einer Redewendung: „Hier in Westfalen sagt man doch: Ich habe Schwein gehabt.“

„Ich kannte Deutschland kaum“

Wer mit Ravi Chatta spricht, merkt gleich seine Offenherzigkeit und seine Weltoffenheit: „Kirche ist weltweit. Wir sind eine Weltkirche. Im Herzen gehören wir alle zu Jesus.“

Mit zwei Koffern kam der Priester, der 2006 geweiht wurde, 2012 nach Deutschland, genauer gesagt in das Bistum Münster, das damals plante, 200 so genannte Priester der Weltkirche aufzunehmen, um die Gemeindeseelsorge sicher zu stellen. „Mein Bischof fragte mich, ob ich mir das zutraue. Ich habe zugesagt, trotzdem ich von Deutschland nicht viel mehr kannte als den Zweiten Weltkrieg, die Auto-Marken und einige große Philosophen.“

Missionar unter Hindus in Indien

In seinem Bistum war Ravi Chatta mehrere Jahre leitender Pfarrer einer Gemeinde mit sechs Kirchen, einer Länge von 40 Kilometern und einer Breite von 18 Kilometern. „Ich war sonntags 200 Kilometer mit dem Motorrad unterwegs, um in allen Kirchen den Gottesdienst zu feiern.“ In dieser Region sei er ein Missionar gewesen: Maximal ein Prozent der Menschen im indischen Bistum seien Christen, 85 Prozent Hindus und etwa 14 Prozent Muslime.

Als er 2013 das Seelsorgeteam im münsterländischen Wettringen verstärken sollte, war noch vieles ungewohnt. „Aber ich habe Schwein gehabt. Ich habe meine neuen deutschen Eltern getroffen“, sagt Ravi Chatta und klärt gleich auf: Das Lehrer-Ehepaar Maria und Heiko Kemper nahm ihn sprichwörtlich unter seine „Fittiche“ und paukte mit ihm die deutschen Vokabeln und vor allem die Alltagssprache. „Das war ein Segen“, sagt Ravi Chatta.

Freundschaften im Schalke-Fanclub

 

 

Der indische Priester wurde in Wettringen schnell heimisch, feierte gleich alle Schützenfeste der sechs Schützenvereine im Ort mit, wurde Mitglied beim „Junggesellen Schützenverein Wettringen von 1651“ und bei der Feuerwehr. „Ich war mittendrin. Alle kannten mich, ich kannte alle.“

Im Kirchenchor hat er neun Jahre als Tenor mitgesungen. „Ich kann die Noten nicht lesen und singe nach Gehör. Das macht aber Freude.“ Mit dem Wettringer Schalke-Fanclub war er unterwegs, um einmal die Stadion-Atmosphäre „auf Schalke“ zu erleben.

Singen mit Mickie Krause

In Wettringen hat er auch den Schlager-Sänger Mickie Krause kennengelernt. „Er war mein Nachbar. Seinen Sohn habe ich getauft. Wir haben bei der Familienfeier viel gesungen“, sagt er über eine besondere Begegnung.

Mit dem Wettringer Oldtimer-Traktorenclub organisierte Ravi Chatta eine Wallfahrt zum münsterländischen Wallfahrtsort Eggerode und fuhr selbst am Lenkrad sitzend in den Ort ein. „Das war ein toller Tag, es waren Stunden der Gemeinschaft.“

Ravi Chatta: „Kirche ist für alle Generationen da“

Die Kirche ansprechender zu gestalten, ist Ziel des Seelsorgers: „Schaffen wir ein Gemeindegefühl, das für alle Generationen zugänglich ist. Wir sollten uns darauf konzentrieren, eine Atmosphäre zu schaffen, die für alle Gemeindemitglieder freundlich und einladend ist, und uns bemühen, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der sich alle willkommen fühlen.“

In seiner Aufgabe als leitender Pfarrer von St. Georg in Heiden sieht Ravi Chatta seinen Dienst darin, eine Kirche zu schaffen, in der jeder sein Talent und seine Stärken einbringen kann: „Jeder Einzelne von uns hat etwas zu bieten, und wir sollten diese Vielzahl von Charismen nutzen, um unsere Kirche zu stärken. Wir haben eine Verantwortung, unsere Kirche aktiv zu gestalten und für uns neue Perspektiven zu öffnen.“ Mit den engagierten Kirchenvorstands- und Pfarreiratsmitgliedern könne man viel bewegen.

Besuche bei 60 Vereinen in Heiden

Der Pfarrer möchte mit gutem Beispiel vorangehen. Vorgenommen hat er sich, alle 60 Vereine des Orts besuchen. „Ich komme gern zu den Gemeinschaften. Wir müssen Hand in Hand miteinander arbeiten“, sagt er.

In Absprache mit der Bistumsleitung hat Ravi Chatta vor zwei Jahren den Kurs „Führen und Leiten im Bistum Münster“ absolviert, um sich auf seine leitende Aufgabe vorzubereiten. „Es geht um Teamarbeit, die ich schätze“, sagt er.

Mitglied im Priesterrat und im Diözesanrat

Im Bistum Münster nimmt Ravi Chatta als Mitglied im Priesterrat und im Diözesanrat weitere Aufgaben wahr. „So lerne ich auch dazu und das Bistum besser kennen.“

Dankbar ist er besonders seinen Eltern, die ihm und seinen vier Geschwistern eine gute Ausbildung ermöglicht haben. „Sie haben uns alles ermöglicht und selbst sehr bescheiden gelebt.“ Auch aus diesem Grund tut Ravi Chatta viel für seine indische Heimat: 40 Patenkinder unterstützt er finanziell für eine gute Schulbildung in der Hoffnung, ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

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