Jochen Reidegeld zu Herausforderungen in Gesellschaft und Kirche

Gemeinsam anpacken und gestalten: Das wäre ein Vorsatz im neuen Jahr!

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Das neue Jahr wird kein Jahr wie jedes andere – vielen macht das Angst. Für Menschen anderswo ist das ganz normal, erzählt Jochen Reidegeld in seinem Gast-Kommentar. Und zeigt, wie das uns helfen kann. Nicht nur 2024.

Wer kennt nicht „Dinner for one“ und hat dabei den legendären Spruch des Butlers im Ohr: „Same procedure as every year?“(„So wie jedes Jahr?“). Dieser Satz hat gut die Sicherheit und Beständigkeit der Jahrzehnte der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit beschrieben. Natürlich gab es auch gesellschaftliche Entwicklung, politischen Streit, Katastrophen und gewisse Zukunftsängste. Aber dies alles geschah für uns Deutsche und Westeuropäer auf dem Boden einer wirtschaftlichen und politischen Sicherheit. Und selbst der Ost-West-Konflikt lief die meiste Zeit nach berechenbaren Regeln und mit einschätzbaren Kontrahenten ab.

Doch angefangen mit der über uns hereinbrechenden Corona-Krise und spätestens mit den von Kanzler Scholz als Zeitenwende beschriebenen Ereignissen ist es mit diesem sicheren Boden vorbei. Der Boden unter unseren Füßen wackelt und wir gehen eher ängstlich und unsicher fragend ins neue Jahr: „Wie wird es werden? Kann das alles gut gehen?“ Selbst ein erfahrener Politiker wie der kürzlich verstorbene Wolfgang Schäuble sagte 2021 in einem Interview bei „Maischberger“: „Ich habe zum ersten Mal keine Vorstellung, wie wir aus all dem herauskommen sollen.“

Das Beispiel Friedrich Bokern

Der Autor:
Jochen Reidegeld ist Priester des Bistums Münster, war stellvertretender Generalvikar und Kreisdechant. Zurzeit arbeitet er als Research Fellow am Institut für Theologie und Frieden, einer Einrichtung des deutschen Militärbischofsamts, in Hamburg.

Mit all dem, was so viele Menschen mit Blick auf 2024 umtreibt – die Angst vor einem Krieg, die wirtschaftliche Unsicherheit und vieles mehr – leben Menschen in vielen Erdteilen schon immer. Von ihnen können wir lernen und so einen ersten Schritt aus der Verzagtheit und Hoffnungslosigkeit finden – als Gesellschaft und als Kirche.

Wir könnten zum Beispiel von einem Friedrich Bokern lernen, der aus unserem Bistum stammt und nun ein Friedensprojekt an der syrisch-libanesischen Grenze leitet. In dieser von Hass und Gewalt geprägten Region stärkt er Versöhnung und Frieden, indem er mit den verschiedenen Vertreter*innen der zerstrittenen Religionen und Volksgruppen gemeinsam für eine Ausbildung und Zukunft der Jugend arbeitet. „Diapraxie“ – nennt er das in tatkräftiger Ergänzung zum gesprochenen „Dialog“.

Antworten auf Herausforderungen dieser Zeit

Gemeinsam etwas tun und es nicht nur in den sozialen Medien einklagen – nur so kann sich etwas zum Besseren ändern, nur so findet sich eine Antwort auf die Herausforderungen dieser Zeit.

Gemeinsam anpacken und gestalten: Das sollte unser Vorsatz als deutsches Gemeinwesen sein. Und dies gilt in gleichem Maß für uns als Kirche. Die Welt brennt – und wir beschäftigen uns mit der zehnten Auflage neuer Strukturen. Dazu fällt mir der Satz aus dem Gedicht „Rezept“ von Mascha Kaléko ein: „Zerreiß deine Pläne. Sei klug und halte dich an Wunder.“ Und ich würde ergänzen: Bereite dem Wunder den Weg.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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