Projekt „Liebensbriefe“ in Lippetal gestartet

Hochemotional und so wichtig: Wie Briefe Kindern beim Trauern helfen

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Sich im Kindesalter mit Tod und Trauer zu beschäftigten, ist nicht ganz leicht. Das Projekt „Liebensbriefe“ im Pastoralen Raum Lippetal macht aber genau das. Kinder schreiben Briefe an verstorbene Menschen oder Tiere – die eine oder andere Träne inklusive.

„Oma, Opa könnt ihr mit den drei Pferden im Himmel Kutsche fahren? Ich vermisse dich ganz doll und alle anderen auch. Unsere Hunde vermissen dich und die Pferde und Opa vermissen sie auch. Bis bald, dein Marlon“, ist auf einer der vielen Folien zu lesen, die im Frühlingswind hinter der St. Cornelius und Cyprianus-Kirche in Lippetal-Lippborg (Kreis Soest) flattern, gerade so als wollten sie eine Botschaft zum Himmel schicken.

„Liebensbriefe“ sind ein Wortspiel zwischen Liebes- und Lebensbriefen. Liebensbriefe haben Kinder der sechs katholischen Kindertageseinrichtungen und Schulen in Kooperation mit den Pastoralreferentinnen Stefanie Rosenwick und Regina Feijão im Pastoralen Raum Lippetal geschrieben und gezeichnet für Menschen, die nicht mehr auf Erden sind. Die Aktion soll den Jungen und Mädchen helfen, sich auf kindgerechte Art mit den Themen Tod, Trauer und Trost auseinanderzusetzen und ihnen beim Umgang mit dem Verlust eines Menschen helfen.

Schulungen bereiten Projekt vor

„Es handelt sich um ein niedrigschwelliges Angebot“, sagt Stefanie Rosenwick, die mit der Projektidee der Münchner Kunstpädagogin Marielle Seitz auch die Mitarbeitenden in den Kitas und Grundschulen auf Anhieb begeistert hat. Wegen der Corona-Pandemie lag das Projekt „Liebensbriefe“ zunächst auf Eis, wurde dann vor einem dreiviertel Jahr in Angriff genommen.

Dazu wurden auch die Eltern mit ins Boot geholt. „Sie waren sehr dankbar für die Initiative und haben sie mehrheitlich unterstützt“, berichtet Rosenwick. Auf dem Lehrplan der vierten Grundschulklassen steht das Thema Tod ohnehin und wurde mit dem Religionsunterricht verknüpft. Mit den Teams der Kindertageseinrichtungen trafen sich die Pastoralreferentinnen im Vorfeld (Rosenwick arbeitet in der Trauerpastoral, Feijão in der Familienpastoral) und führten eine Schulung durch.

Tränen gehören auch mal dazu

„Es ist ein super schönes Thema“, zieht Religionslehrerin Lina Temme Bilanz, während ihre beiden vierten Klassen der Ludgerus-Grundschule ihre Folien am Montagnachmittag aufhängen. Im Unterricht sei es um die verschiedenen Gesichter von Trauer gegangen und daran anknüpfend auch um Trost, den jeder brauche, aber auch jeder auf eine andere Art und Weise. Mit ihren Schülerinnen und Schülern hat die Pädagogin auch darüber gesprochen, wie diese sich ein Leben nach dem Tod vorstellen. Dass manchmal bei Kindern auch Tränen geflossen sind, sei bei einem so emotional besetzten Thema ganz normal, berichtet Temme. 

Ab Anfang März ganz bewusst in der Zeit vor Ostern, Tod und Auferstehung entstanden schließlich die „Liebensbriefe“ auf haltbaren Folien für Blindenschrift. Man hört die Folien rascheln. Man hört Regen auf sie tropfen. Sie sind durchscheinend, wirken je nach Hintergrund und Sonnenlicht mal so und mal ganz anders. Sie sind transparent, sodass der Hintergrund zu sehen ist. Die zu Herzen gehenden Texte und Bilder täten Kindern und Eltern gut. So sei über das für viele Erwachsene immer noch tabubesetzte Thema Tod während des Projektes viel gesprochen worden.

Feierlicher Abschluss in der Basilika

Am 19. April wird das Projekt mit einem Abschlussfest in der St.-Ida-Basilika in Herzfeld beendet. Für die Kinder gibt es Mitmachstationen. Im Rahmen eines Wortgottesdienstes werden die mitgebrachten Folien in ein Paket gepackt und nach München an das Institut für Kreativität und Pädagogik geschickt, wo Studierende weiter an dem Thema forschen.

Mit Delegierten aus den beteiligten Einrichtungen wird das Projekt im Pastoralen Raum Lippetal ausgewertet, kündigt Stefanie Rosenwick an. Parallel zu den „Liebensbriefen“ wurde auch ein Trostkoffer in allen Kitas und Schulen entwickelt. Er ist bestückt mit Buchmaterialien, Kerzen, Luftballons, Kreuzen und CD mit tröstenden Liedern. Außerdem enthält er Engel in Form von Körnerkissen. Bei einem Todesfall in einer Familie soll der Inhalt dieses Koffers Trost spenden.

Lassen wir noch einmal einen „Liebensbrief“ sprechen: „Liebe Oma, ich danke dir, dass du immer mit mir Mensch ärgere dich nicht gespielt hast. I love jou.“

Die Aktion Liebensbriefe wurde von Marielle Seitz, Leiterin des Instituts für Kreativität und Pädagogik, erstmals an Allerheiligen 2013 unter Beteiligung von 1.000 Kindern mit großem Erfolg und öffentlichem Interesse auf einem städtischen Münchner Friedhof durchgeführt. Auf Blindenfolien zeichnen und schreiben Kindergarten- und Grundschulkinder mit weißen Stiften und Kreiden Briefe an verstorbene Menschen und Tiere. So wurden in mehr als zehn Jahren über tausend Liebensbriefe vor allem im süddeutschen Raum und in Südtirol gestaltet.
Im Pastoralen Raum Lippetal haben Kinder, Erzieher und Lehrer folgender Einrichtungen mitgemacht: Bertgerus Kindergarten Herzfeld, St. Ida Kindergarten Herzfeld, St. Ida Schule Herzfeld, Familienzentrum St. Albertus Magnus Hovestadt, St. Stephanus Kindergarten Oestinghausen, St. Stephanus Schule Oestinghausen, St. Barbara Kindergarten Hultrop, Familienzentrum St. Marien Lippborg, Ludgerus Schule Lippborg.
Orte der Installationen (draußen) sind: St. Ida Basilika Herzfeld, Friedhof Hovestadt, St. Stephanus Kirche Oestinghausen, St. Barbara Kirche Hultrop, St. Cornelius und Cyprianus Kirche Lippborg.
Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Erzbistum Paderborn. (mk)

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