Interview mit Generalvikar Klaus Winterkamp

Die wichtigsten Fragen zu Pastoralen Räumen im Bistum Münster

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In diesen Tagen werden die Zuschnitte der neuen Pastoralen Räume in den Kreisdekanaten vorgestellt. Wie kann man mitdiskutieren? Wer entscheidet? Bleiben die Pfarreien und die Räte erhalten? Antworten von Generalvikar Klaus Winterkamp.

Herr Generalvikar, in diesen Tagen beginnen die regionalen Vorstellungen der „Pastoralen Räume“. Was ist ein Pastoraler Raum?

Ein Pastoraler Raum ist ein territoriales Seelsorge-Gebiet, bestehend aus mehreren Pfarreien. Andere Bistümer haben solche Räume bereits eingerichtet.

Andere Bistümer haben auch sogenannte XXL-Pfarreien eingerichtet. Worin soll sich ein Pastoraler Raum im Bistum Münster davon unterscheiden?

In einem Pastoralen Raum werden die bestehenden Pfarreien erhalten, sie werden nicht aufgelöst, sondern bleiben selbstständig. Das ist der Unterscheid zur XXL-Pfarrei, in der die Pfarreien aufgelöst und zu einer neuen, großen Pfarrei zusammengelegt werden. Das wollen wir nicht.

Also wird es auch keine weiteren Fusionen von Pfarreien geben?

Richtig. Bischof Felix hat das klar für diesen Prozess vorgegeben: Wir werden die Pfarreien nicht wie früher schon einmal zusammenlegen oder fusionieren. Das haben wir nicht vor.

Was geschieht mit den Pfarreiräten und Kirchenvorständen, was mit den Finanzen einer Pfarrei in einem Pastoralen Raum?

Das ist ganz klar: Weil wir die Pfarreien nicht auflösen, bleiben auch die entsprechenden Vermögen bei den Pfarreien. Auch die Gremien – etwa die Kirchenvorstände – bleiben in den einzelnen Pfarreien erhalten. Wir denken auch über die zukünftige Form und Gestalt der Pfarreiräte nach. Da könnten hier und da auch andere Modelle möglich sein. Die jetzigen Formen werden dann nicht mehr so funktionieren.

Wird auch daran gedacht, Kirchenvorstände und Pfarreiräte zu einem Gremium zusammenzulegen?

Das ist eine Option. Daran arbeiten wir derzeit auch auf Landesebene. Wir versuchen, das kirchliche Vermögensverwaltungsgesetz, das ja noch aus Vorkriegszeiten stammt, mit einem neuen Modell abzulösen. Das könnte eine Zusammenlegung von Pfarreirat und Kirchenvorstand ermöglichen, wo das gewünscht ist.

Darüber könnten dann die Pastoralen Räume selber entscheiden?

Klaus Winterkamp (55) ist seit 2018 Generalvikar. | Foto: pbm
Klaus Winterkamp (55) ist seit 2018 Generalvikar. | Foto: pbm

Nicht die Pastoralen Räume, sondern die Pfarreien, weil sie ja – wie gesagt – selbstständig erhalten bleiben! Wir haben jetzt ja schon teilweise die Situation, dass Gremien durch große Verwaltungsaufgaben etwa bei Kitas, Datenschutz, Arbeitssicherheit oder Unfallschutz mitunter überfordert sind und sagen: Das packen wir nicht allein. Möglicherweise bietet sich dann ein Pastoraler Raum als Ersatz-Trägermodell an, ohne dass wir alles pauschal klären. Das muss sehr differenziert betrachtet werden, denn unser Bistum ist da sehr unterschiedlich aufgestellt: Wir haben viel ehrenamtliches Engagement auf vielen, vielen Ebenen und in unterschiedlicher Ausprägung. Es gibt Pfarreien, wo das bestens und auch langfristig läuft. Es gibt aber auch Pfarreien, da reichen die Kapazitäten trotz aller Bemühungen nicht. Da wären alternative Modelle wie beschrieben denkbar.

Braucht es künftig noch Dekanate und Kreisdekanate?

Viele Fragen wie diese sind längst noch nicht klar in der Entwicklung der Pastoralen Räume. Die Dekanatsebene wird sicherlich immer weniger relevant sein. Das merken wir jetzt schon. Die Kreisdekanate werden sicherlich auch als politische Größe gegenüber den Kreisen bleiben, wie es jetzt aussieht.

Wer leitet einen solchen Pastoralen Raum? Muss das immer ein Priester sein? Ist da überhaupt eine Leitung vorgesehen?

Es wird sicherlich irgendwann eine Leitung eines Pastoralen Raums brauchen. Aber diese Fragen sollen ja in dem jetzt begonnenen Prozess in eigenen Gruppen geklärt werden: Was heißt Leitung, was heißt pastorale Leitung, schließt sie eine Verwaltungsleitung ein?

Meines Erachtens muss nicht automatisch ein Priester die Leitung eines solchen Raums haben – da sind verschiedene Modelle denkbar, bis hin zu Teams. Am Ende braucht es für die Pfarreien auch kirchenrechtlich einen Pfarrer für die formale Leitung.

Wie sieht es mit Laien, Frauen in der Leitung aus?

Ganz sicher! Im Rahmen des Freiwilligen-Engagements ist die Beauftragung für die Leitung eine der wesentlichen Fragen. Wir werden jetzt in Kleve erstmalig ein auch aus freiwillig sich Engagierenden bestehendes Leitungsteam einrichten. Das wollen wir forcieren, denn das Entscheidende ist: Wir wollen ja im Pastoralen Raum die pastorale Verantwortung vor Ort belassen.

Wenn es im gesamten Bistum rund 50 Pastorale Räume mit jeweils maximal acht Seelsorgerinnen und Seelsorgern geben soll - wie soll da Seelsorge nah bei den Menschen funktionieren?

Diese Zahlen gelten für Ende 2040! Gott sei Dank sind wir derzeit noch mit sehr vielen sowohl Hauptamtlichen als auch freiwillig sich Engagierenden in der Lage, eine Pastoral nahezu flächendeckend anzubieten. Aber zumindest statistisch und prognostisch können wir sehen, dass das hauptamtliche seelsorgliche Personal geringer werden wird. Wenn Seelsorge nah am Menschen sein soll, dann müssen wir sie völlig anders konzipieren. Das braucht mehr Zusammenarbeit, auch in der Seelsorge. Andere Bistümer sind da schon ein bisschen weiter als wir. Ich sehe uns da aber durchaus auch gut aufgestellt.

In den regionalen Präsentationen werden die Territorien der Pastoralen Räume vorgestellt. Wer hat sich die ausgedacht – und nach welchen Kriterien?

Wir haben in der Personalkonferenz im gesamten letzten Jahr darüber nachgedacht und machen das jetzt – das sage ich ganz bewusst – als Vorschlag. Das ist „nur“ ein Vorschlag, der ein ganzes Jahr lang diskutiert werden soll! Als Kriterien dienten etwa die Fläche und die Zahl der Katholiken oder auch der Krankenhäuser, Alten-, Jugend- und Behindertenhilfeeinrichtungen.

Welche Mitsprache-Möglichkeiten haben die Leute in den Gemeinden beim endgültigen Zuschnitt der Pastoralen Räume?

Wir wollen einen breiten Diskussionsprozess. Es gibt natürlich Gremien, die „gesetzt“ sind: Kreisdekanatskonferenz, Kreiskomitee, Pfarrerkonferenzen, Pastoralkonferenzen, Pfarreiräte, Gemeindeausschüssen – überall. Wir werden im nächsten Frühjahr auch noch mal auf Dekanatsebene diskutieren, damit sich auch freiwillig sich Engagierende aus Pfarreien, Verbänden, Institutionen einbringen können. Und es wird eine Internetseite geben – auch für Meinungen und Vorschläge. Jeder kann sich beteiligen.

Wer entscheidet am Ende?

Wir schauen im Lenkungsgremium, in der Steuerungsgruppe und in der erweiterten Steuerungsgruppe, was sinnvoll ist. Das geht dann nochmals in die Fläche, und am Ende entscheidet der Bischof, aber sicherlich nicht in einem „absolutistischen Akt“, sondern wirklich nach Beratung.

Bis wann muss dieser Prozess abgeschlossen sein? Und wie lange hält das dann?

Wir reden jetzt erst einmal über die Territorienfindung. Diesen Prozess hoffen wir im Frühjahr 2023 abgeschlossen zu haben. Aber damit sind viele andere Fragen noch längst nicht geklärt. Zum Beispiel die Leitungsfragen, Rechtsfragen, Trägerschaftsfragen, Gremienfragen. All das wird uns noch weiter beschäftigen. Wir nehmen jetzt erst einmal einen Zeitraum bis 2040 in Sicht. Das ist gar nicht mal so weit! Wenn man sich einfach mal zurückerinnert, 20 Jahre zurück, weiß jeder von uns, was er im Jahr 2000 gemacht hat. Insofern geht und kommt es schneller, als uns vielleicht auch manchmal lieb sein wird. Und dann müssen wiederum neue zeitgemäße, bedarfsgemäße Antworten gefunden werden. Das ist nichts für die Ewigkeit. Den Anspruch hat auch niemand.

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