St. Johannes Westerstede bringt Sorgen und Zuversicht zum Thema Pastorale Räume ins Bild

Gemeinde malt „Hungertuch“ der Hoffnung

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Die Misereor-Hungertücher haben Gaby Kuipers auf die Idee gebracht, in der St.-Johannes-Gemeinde im oldenburgischen Westerstede ein eigenes Hungertuch zu gestalten. Mit einem klaren Akzent auf Hoffnung.

„Welche Begriffe verbinden wir mit den geplanten Pastoralen Räumen? Nur Worte wie Angst und Zweifel? Oder auch Aufbruch, Berufung oder Gemeinschaft?“ Gaby Kuipers kann sich noch gut erinnern, wie sie auf der Suche nach Stichworten für ein ganz besonderes Projekt war: ein eigenes Hungertuch für die St.-Johannes-Pfarrei im oldenburgischen Westerstede (Kreis Ammerland). Zu einem Thema, das die rund 2.900 Katholiken in der Diaspora-Gemeinde derzeit bewegt: die Neustrukturierung der Seelsorge im Bistum Münster und die Folgen für ihre Heimatpfarrei.

Die Misereor-Hungertücher hatten die Frau aus dem Westersteder Pfarreirat auf die Idee gebracht. Der Versuch, die alte Tradition der Hungertücher mit einer neuen, weltkirchlichen Perspektive zu beleben. Mit Bildern, die Hunger und Armut ebenso zeigen wie den kulturellen und spirituellen Reichtum der Völker.

Gaby Kuipers Gedanke: Könnte man diese Form in ähnlicher Weise nicht auch nutzen, um die Sorgen und Hoffnungen um die Pastoralen Räume ins Bild zu setzen? Mit einem starken Akzent auf Hoffnung?

Das Hungertuch soll Mut machen

Nach den bisherigen Plänen, sagt sie, solle die Diaspora-Pfarrei Westerstede einem neuen „Pastoralen Raum“ mit den überwiegend katholischen Pfarreien Norden des Kreises Cloppenburg zugeschlagen werden. „Gar nicht so schlecht“, sagt Gaby Kuipers und nimmt die Veränderung als Herausforderung. „Da lässt sich etwas draus machen, Zukunft gestalten.“

Das Positive zu zeigen, die Möglichkeiten und Chancen in den anstehenden Veränderungen der geplanten Pastoralen Räume, darum ging es ihr bei dem Projekt, das sie im Pfarreirat angestoßen und gemeinsam mit ihm umgesetzt hat und das bis Palmsonntag in der St.-Johannes-Kirche zu sehen ist: ein von der Gemeinde selbst gestaltetes „Hungertuch“, zu dem wohl eher die Bezeichnung „Hoffnungstuch“ passen würde, unter dem Motto „Vertraut den neuen Wegen“.

Viele Gruppen der Gemeinde waren beteiligt

Gaby Kuipers hatte die Idee zum Hungertuch der Westersteder St.-Johannes-Gemeinde. | Foto: privat
Gaby Kuipers. | Foto: privat

Gaby Kuipers wollte möglichst viele Gemeindemitglieder einbinden, möglichst vielen dabei helfen, die mit den geplanten Pastoralen Räumen verbundenen Veränderungen nicht als Verschlechterung, sondern als Herausforderung zu begreifen. So kam sie auf die Idee mit den Gruppen - Kirchenchor, Pfarreirat, junge Mütter, Messdiener.

Jeder Kreis sollte eines der für das Tuch geplanten acht Themenbilder gestalten. „Ich habe mich darüber gefreut, wie bereitwillig sie alle zugesagt haben“, sagt sie. Obwohl sie auch keine echten Zweifel am Gelingen hatte. „Als Diaspora-Pfarrei kennt man sich, spricht nach dem Gottesdienst darüber, was anliegt. Da funktioniert so etwas vielleicht besser als anderswo.“

Gemeinschaftsstiftende Aktion

Viele verschiedene Gruppen der Pfarrei einzubeziehen – darum ging es Gaby Kuipers. „Weil sich die Neuordnung der Pastoralen Räume auf alle Bereiche des Gemeindelebens auswirken wird.“

Aber noch etwas komme hinzu: „Ich habe es auch als gemeinschaftsstiftende Aktion angesehen, bei der sich alle mit Ideen und Gedanken einbringen können.“ Für die Gemeinde sei so etwas nicht neu: „Bei einem Pfarrfest haben wir mal aus Mosaiksteinchen ein Bild von unserem Pfarrpatron Johannes der Täufer gestaltet.“

Das Ganze soll ein Hungertuch bleiben

Das Material für die Bilder auf dem Tuch besorgte Gaby Kuipers. Die Themen dafür hatte sie gemeinsam mit dem stellvertretenden Pfarreiratsvorsitzenden Christoph Kronabel, einem promovierten Theologen, ausgewählt. Sieben zentrale Begriffe aus der Diskussion um die Pastoralen Räume: Angst, Zweifel, Aufbruch, Mut, Hoffnung, Berufung und Gemeinschaft. Dazu jeweils eine Bibelstelle und eine Idee für ein mögliches Bildmotiv. Alles andere gestalteten die Gruppen dann in Eigenregie. „Und wir vom Pfarreirat haben hinterher alles zum ,Westersteder Hungertuch 2022‘ zusammengefügt.“

Auch wenn darauf nicht Not, sondern Hoffnung und Vertrauen im Mittelpunkt stehen, bleibt das Westersteder Tuch für Gaby Kuipers eine Art Hungertuch. „Es spiegelt die Meinung unserer Gemeinde in Bezug auf Pastorale Räume wider. Auch die Sorgen, Zweifel und Fragen: Wie wird das werden? Erkennen wir uns als Gemeinde noch wieder? Das wollte ich drin haben. Aber eben auch, dass wir uns jetzt mutig und mit Gottvertrauen auf den Weg machen. Deshalb der Abraham in der Aufbruchsszene, der Regenbogen oder der Messdiener, der über eine Mauer springt. Denn das ist eine Grundstimmung in unserer Gemeinde.“

Keine Angst vor Pastoralen Räumen

„Die Einzeldarstellungen sind nicht nur isoliert als bildlich kreative Kommentare der Gruppen unserer Pfarrgemeinde zu den Pastoralen Räumen zu verstehen“, heißt es im Erklärungstext, der neben dem Tuch zu lesen ist. „Die Betrachtung des Hungertuches geschieht in der österlichen Bußzeit. Mit der Einbindung der Einzelkommentierungen in die Form eines Hungertuches will der Pfarreirat verdeutlichen, dass wir über die Diskussionen der Pastoralen Räume und der administrativen Zukunft unserer Gemeinde nicht den Kern unseres Glaubens aus dem Blick verlieren dürfen.“

Angst davor, als Diaspora-Pfarrei in einem Pastoralen Raum mit überwiegend katholischen Gemeinden „untergebuttert“ zu werden, hat Gaby Kuipers nicht. „Ich glaube, das gibt einen ganz guten Synergie-Effekt. Weil man in einer Diasporagemeinde kurze Wege zu den Menschen hat und weil man sehr viel früher gelernt hat, nicht auf Quantität, sondern auf Qualität zu achten. Wir sind schon immer kleine Gruppen und machen gute Arbeit. Auch wenn mal nur fünf bis 10 Leute kommen statt 50.“

Die Gruppen und ihre Motive
Kommunionkinder: Angst
Über das Thema Angst haben die Kommunionkinder und ihre Eltern ein Bild gestaltet. Mit dem Propheten Jona im Mittelpunkt, im Maul eines freundlich dreinblickenden Wals. Für Jona bedeute das Maul Grauen und Rettung zugleich. Deshalb bleiben die Kommunionkinder und ihre Eltern nicht stehen beim Unglück des Propheten, sondern setzten Kontraste: das Lächeln des Wals ebenso wie eine Sonne, die über allem strahlt. „Im Vertrauen auf Gottes Liebe zu uns Menschen lässt sich jedwede Angst überwinden. Auch die gegenüber dem unbekannten Neuen, das die Pastoralen Räume mit sich bringen“, heißt es im Erklärungstext.

Kirchenchor: Zweifel
Zweifel stehen im Mittelpunkt der Gedanken des Westersteder Kirchenchors. Petrus steigt in das Boot und bekommt es mit der Angst zu tun, als es zu sinken droht. Die Bild-Idee der Sängerinnen und Sänger: Der auf dem See wandelnde Jesus erscheint wie eine aufgehende Sonne am Horizont. Die angefügte Erklärung lautet: „Im Glauben – angedeutet durch das in Blautönen gehaltene Wasser – an Gottes Entgegenkommen können wir unseren Schritt auf Gott zu wagen und so unsere Zweifel überwinden. Ob dieses auch für die Pastoralen Räume gilt?“

Junge Frauen: Aufbruch
Aufbruch ist Thema des Bildes der Gruppe „Die jungen Frauen“. Es zeigt Abraham, der sich mit seinem Volk auf den Weg macht in ein fremdes Land. „Die Zukunft liegt außerhalb des Bildes, beim Betrachter und in unserem Zusammenhang bei dem Ungewissen, was die Pastoralen Räume mit sich bringen werden. Werden die Pastoralen Räume das Land sein, zu dem die Frauen aufgebrochen sind? Was werden die Verantwortlichen der Pastoralen Räume in die noch offenen Gesichter der Frauen einschreiben?“, heißt es im Erklärtext.

Messdiener: Mut
Mut ist das Thema der Messdienerinnen und Messdiener. Der Erklärtext lautet: „Es zeigt einen oder eine von ihnen, der oder die gestützt auf einen Leuchterstab eine Mauer überspringt. So wollen sie uns sagen: Gestützt auf das Evangelium, auf Gottes Wort, überwinden wir mutig jedwede Mauer. Mit dem Blick nach oben, Gott zugewandt, dem betont brennenden Leuchter und dem nächtlichen Hintergrund skizziert die Messdienergruppe ihre Leidenschaft für ihren Dienst, ganz dem vorangehenden Psalm 18,29 entsprechend: ,Du, Herr, lässt meine Leuchte erstrahlen, mein Gott macht meine Finsternis hell‘. Von dieser Zuversicht und diesem Mut sollen wir uns anstecken lassen, wenn es um die Entwicklung der neuen pastoralen Strukturen geht.“

Kinderkirche: Hoffnung
Hoffnung haben die Ehrenamtlichen der Gruppe „Kinderkirche“ als Thema gewählt und einen Regenbogen mit weißer Taube gestaltet. Im Erklärtext heißt es: „Auf Gottes Zusage und Treue dürfen wir hoffen. Gottes Geist hält sie in uns wach – versinnbildlicht durch die weiße Taube. Gleichzeitig lässt sie sich auch als diejenige Taube ansprechen, die Noach in der Hoffnung aussendet, sie möge mit einem Zeichen zurückgehender Flut zurückkommen. Hoffnung auf Wandel. Welche Hoffnung verbinden wir mit dem lebendigen Wandel, der Pastorale Räume heißt? Wieviel Spannung zwischen Treue zum Bewährten und Wandel zum Neuen halten wir aus?“

Kirchenausschuss: Berufung
Berufung ist dem Kirchenausschuss ein Anliegen. Das hat er ins Bild eines leeren Fangkorbs gekleidet. Der Weg der Pastoralen Räume kann nach seiner Auffassung nur ein Behelfsweg sein, eine – wenn auch notwendige - Mängelverwaltung. „Darüber sollte der eigentlich zu beschreitende Weg nicht vergessen werden: das Netze-Auswerfen nach mehr Berufungen durch mutiges Ausweiten der einzuholenden Bestände, damit auch viri probati, Diakoninnen etc. sich darin verfangen.“

Pfarreirat: Gemeinschaft
Gemeinschaft – damit hat sich der Pfarreirat beschäftigt. In der Gemeinde machten viele Glieder diese Gemeinschaft aus. Deren Vielfalt hat er durch unterschiedliche geometrische Formen veranschaulicht. Sie überschneiden einander, handeln und wirken unabhängig oder aufeinander bezogen. Ihre Farbigkeit drückt ihre Eigenart aus oder die Fähigkeit, sich zu ergänzen. „Und sie alle agieren auf der einen Grundlage, der den Grund all unserer Gemeindearbeit ausmacht: unseren christlichen Glauben, ausgedrückt durch den blauen Hintergrund. Im Vertrauen auf diese farbenfrohe, aktive Vielfalt lebendigen Gemeindelebens weiß sich der Pfarreirat auch für die Aufgaben, die mit den kommenden neuen Strukturen verbunden sein werden, gut aufgestellt.“

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