Pater Mauritius Wilde OSB über die Bedeutung Getaufter für die Kirche

Ist das gemeinsame Priestertum ein Heilmittel gegen Klerikalismus?

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Das Allgemeine Priestertum aller Getauften ist keine neue Idee, aber jüngst bei der Weltsynode erneut erwähnt worden. Über die Konkretisierung dieses Konzepts und über mögliche Folgen schreibt Pater Mauritius Wilde OSB in seinem Gastkommentar.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Bedeutung des sogenannten Allgemeinen Priestertums aller Getauften betont. Das Problem ist: Was soll das konkret bedeuten?

Auch die jüngst zu Ende gegangene Sitzung der Weltsynode bemerkt: „Vor jeder Unterscheidung von Charismen und Ämtern ‚sind wir alle durch einen Geist zu einem Leib getauft worden‘ (1 Kor 12,13). Daher gibt es unter allen Getauften eine echte Gleichheit der Würde und eine gemeinsame Verantwortung für die Mission, entsprechend der Berufung eines jeden.“

Allgemeines Priestertum nicht zweitrangig

Der Autor
Mauritius Wilde (57) stammt aus Hildesheim. 1985 trat er in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach bei Würzburg ein. 2011 wurde er Leiter des Benediktiner-Priorats Christ the King in Schuyler/Nebraska (USA). Seit 2016 ist er Prior der Primazialabtei Sant‘ Anselmo in Rom und Rektor des gleichnamigen internationalen Kollegs.

Kürzlich bemerkte einmal jemand bezüglich des Allgemeinen Priestertums: Wer vermittelt einem Kind eigentlich die Nähe Gottes? Wer lässt es seine Barmherzigkeit erfahren? Wer erzählt ihm von Gott? Ist es etwa der Priester, der das Kind maximal einmal in der Woche kurz sieht, oder sind es nicht vielmehr seine Mutter und sein Vater?

Hier wird etwas konkret. Die Dogmatiker sagen, dass es sich beim Allgemeinen Priestertum um ein echtes Priestertum handelt, kein zweitrangiges, weil es auf denselben Priester Jesus Christus zurückgeht. Das sogenannte besondere oder Dienstpriestertum baut auf ihm auf, es wird bei der Priesterweihe nicht etwa aufgehoben. Das meiste, was der geweihte Priester tut – beten, anderen dienen, sich um sein spirituelles Leben kümmern, evangelisierend tätig sein – tut er schlicht als getaufter Christ.

Klerikalismus in der Kritik

Wie Papst Franziskus, so hat auch die Weltsynode den Klerikalismus kritisiert: „Dieser entspringt einem Missverständnis der göttlichen Berufung, das dazu führt, sie mehr als Privileg denn als Dienst zu begreifen, und äußert sich in einem weltlichen Machtstil, der sich weigert, Rechenschaft abzulegen.

Dieser Deformierung des Priestertums muss von den ersten Phasen der Ausbildung an entgegengewirkt werden, und zwar durch den lebendigen Kontakt mit dem Alltagsleben des Volkes Gottes und durch die konkrete Erfahrung des Dienstes an den Bedürftigsten. (...). Leider ist der Klerikalismus eine Haltung, die sich nicht nur bei den Amtsträgern, sondern auch bei den Laien manifestieren kann.“

Eine Entdeckungsreise wert?

Ich frage mich, ob das Konzept unseres gemeinsamen Priestertums nicht ein gutes Heilmittel gegen den Klerikalismus sein könnte. Für die geweihten Priester würde es bedeuten, die Charismen in der Gemeinde zu suchen, zu fördern, ernst zu nehmen und auf keinen Fall zu behindern, und für alle Getauften würde es bedeuten, ihre Würde und die Verantwortung, die damit verbunden ist, erst einmal kennenzulernen und dann – ihren Möglichkeiten gemäß – auch aktiv auszuleben. Es wäre eine Entdeckungsreise wert, herauszufinden, wie sich dieses Priestertum der Getauften noch konkretisieren kann.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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