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Der Jesuit Klaus Mertes kritisiert das Erzbistum Köln für dessen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Es sei wichtig, dass Betroffenenvertreter von der Institution Kirche unabhängig blieben. Mit einer solchen Konstruktion käme man sehr viel weiter, auch in Fragen der Transparenz.
Der Jesuit Klaus Mertes kritisiert das Erzbistum Köln für dessen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Der Ordensmann, der 2010 den Missbrauchskandal in der katholischen Kirche öffentlich gemacht hatte, wirft dem Erzbistum eine „Wiederholung des Missbrauchs“ vor. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstag) verurteilte Mertes den jüngsten Stopp der Veröffentlichung des Gutachtens zum Umgang der Bistumsleitung mit Missbrauchsfällen. Er kritisierte zudem, dass das Erzbistum den Stopp der Veröffentlichung und die Vergabe eines neuen Gutachter-Auftrags mit dem Wunsch des Betroffenenbeirats begründet hatte.
„Es ist dieselbe Konstellation, in der die Missbrauchstäter nachträglich zu ihren Opfern sagen: 'Ihr habt doch selbst gewollt und mitgemacht.' Genau diesen Text müssen sich die Betroffenen nun wieder anhören“, sagte Mertes. Es sei wichtig, dass Betroffenenvertreter von der Institution Kirche unabhängig blieben. Ein Gremium, dessen Mitglieder - wie in Köln - der Kardinal ausgewählt und berufen habe, sei schon strukturell nicht auf Augenhöhe. „Er lädt die Opfer zum Mitmachen ein, aber unter seinen Bedingungen.“
Mertes plädierte für unabhängige „Wahrheitskommission“
Die Bistümer und auch die Ordensgemeinschaften müssten stattdessen die Selbstorganisation von Betroffenen als Gegenüber respektieren und als Verhandlungspartnerin anerkennen. „Der runde Tisch muss eckig bleiben können“, sagte Mertes in Anspielung auf den „Eckigen Tisch“ in Berlin, der von Betroffenenvertretern zur Aufarbeitung des Missbrauchs am Canisiuskolleg ins Leben gerufen wurde.
Mertes plädierte für eine unabhängige „Wahrheitskommission“. Mit einer solchen Konstruktion käme man sehr viel weiter, auch in Fragen der Transparenz. Beispielsweise könne man Betroffene nicht zum Schweigen verpflichten. „Wenn man Opfern zum Beispiel Akteneinsicht gewährt, dann müssen sie auch offen darüber sprechen können, was sie gesehen haben.“ Mertes erinnerte daran, dass die Opfer als Kinder und Jugendliche auf sehr subtile Weise zum Schweigen gebracht worden seien. „Und jetzt will eben diese Institution den Opfern als Erwachsenen wieder vorschreiben, was sie sagen dürfen und was nicht?“ Das sei „auf absurde Weise gruselig“.
Die Kölner Missbrauchuntersuchung
Nach der Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche im Herbst 2018 hatte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki die Münchener Kanzlei Westpfahl, Spilker, Wastl mit der Untersuchung für das Erzbistum Köln beauftragt. Die Untersuchung sollte Personal- und sonstige Akten darauf durchleuchten, ob die damaligen Verantwortlichen in der Bistumsleitung im Umgang mit Missbrauchsfällen durch Priester und Diakone gegen staatliches oder kirchliches Recht verstoßen haben.
Die Veröffentlichung war ursprünglich für März geplant. Vor gut einer Woche teilte das Erzbistum mit, dass die unabhängige Untersuchung wegen methodischer Mängel nicht veröffentlicht und von einem anderen Gutachter neu aufgerollt werde.