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Der Jesuit Klaus Mertes sieht den Staat bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt stärker gefordert. "Bisher hat sich die Politik eher einen schlanken Fuß gemacht und hat gelegentlich kritische Kommentare getwittert", schreibt Mertes. Das werde "dem Ernst des Themas aber nicht gerecht".
Der Jesuitenpater Klaus Mertes, der 2010 eine Reihe Missbrauchsfälle im katholischen Canisius-Kolleg in Berlin bekannt gemacht hatte, sieht den Staat bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gegen Schutzbedürftige stärker gefordert. "Bisher hat sich die Politik eher einen schlanken Fuß gemacht, ist am Zaun stehen geblieben und hat gelegentlich kritische Kommentare getwittert", schreibt Mertes in einer Analyse für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Das werde "dem Ernst des Themas aber nicht gerecht, und auch nicht der Verantwortung".
Mertes macht sich für eine "unabhängige Aufarbeitung mit Entscheidungskompetenz" durch eine "staatliche Kommission" stark. Er schließt sich Forderungen des langjährigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, an. Dieser hatte vom Staat verlangt, dass er "die unabhängige Aufarbeitung sexueller Gewalt ernst nimmt und alles dafür tut, damit diese unterstützt, kritisch begleitet und kontrolliert wird", etwa durch die Aufwertung der bestehende Unabhängigen Aufarbeitungskommission.
"Institutionen selbst sind mit Aufarbeitung überfordert"
Laut Mertes wäre dies "der Beginn einer nationalen Anstrengung mit befriedender Wirkung für die gesamte Gesellschaft - und mit entlastender Wirkung auch für alle Institutionen, die der Natur der Sache nach mit der Aufarbeitung überfordert sind, wenn sie sie selbst, ohne Unterstützung von außen, in die Hand nehmen sollen". Dabei bezog er sich besonders auf die Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche.
Die Aufarbeitung in Institutionen gehe über das hinaus, "was rechtlich fassbar ist", betonte der Jesuit. "Strafrechtliche Aufarbeitung ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für gelingende Aufarbeitung."
"Kirche muss den Staat beauftragen"
Die Einrichtung einer parlamentarischen "Wahrheitskommission" wie in den USA oder Irland verlange aber von der Kirche, dass sie "aus eigener Initiative auf den Staat zugehen und ihn mandatieren" müsse, eine Kommission zu bilden, so Mertes. Denn laut deutscher Verfassung "ordnet und verwaltet" jede Religionsgemeinschaft "ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes".