Triumphaler Empfang in Münster, Notoperation, Tod und Beisetzung

Kardinal von Galens letzte sieben Tage – eine Rekonstruktion

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Erschöpft legt sich Kardinal Clemens August von Galen aufs Sofa. Mitarbeiter des Kardinals holen einen großen Plüschsessel herbei, damit der Bischof von Münster ein bisschen bequemer sitzen kann. Von Galen klagt über Bauchschmerzen. Es ist Montag, der 18. März 1946.

Zwei Tage zuvor, am Samstag, war der große Empfang in Münster mit zehntausenden Gläubigen gewesen, die ihren Bischof nach der Verleihung der Kardinalswürde und der Rückkehr aus Italien sehen und begrüßen wollten. Die vielen Ansprachen, die nicht endenden Gratulationen – es ist anstrengend.

Galen dankt auf den Trümmern des Paulusdoms allen Diözesanen, dass sie in der Zeit der Nazi-Diktatur treu an seiner Seite gestanden hätten. Nur so habe er für die Rechte der Kirche und die Menschenrechte kämpfen können. Dieser Treue sei es zu verdanken, dass ihm die „Marterkrone verwehrt“ worden sei.

 

Ansprache auf Trümmern

 

Vom hohen Trümmerberg vor dem Westwerk des Doms richtet der Kardinal bewegte Dankesworte an die Menschenmenge: „Dass Ihr hinter mir standet und dass die damaligen Machthaber wussten, dass Volk und Bischof in der Diözese Münster eine unzertrennliche Einheit waren, und dass, wenn sie den Bischof schlugen, das ganze Volk sich geschlagen gefühlt hätte. Das ist es, was mich aber auch innerkirchlich bestärkt hat und mir Zuversicht gegeben hat.“

Von Galen schont sich nicht. Auch der Sonntag ist ein Tag mit vielen Terminen. Morgens hält er sein erstes Pontifikalamt nach seiner Rückkehr als Kardinal in der Kirche Heilig Kreuz. Das Gotteshaus im münsterschen Kreuzviertel hat den Krieg unzerstört überstanden. Ein Chor singt das Te Deum von Anton Bruckner. An diesem Tag kommen wieder Tausende, um den Kardinal zu sehen, ihn zu ehren. Die Rückfahrt ins Borromaeum am Domplatz wird zu einer großen Prozession.

 

Erschöpft am Montag

 

Am späten Nachmittag nimmt von Galen an einer Festakademie mit einer Festrede des Professors Steffes über den heiligen Thomas teil. Der Sekretär des Kardinals, Heinrich Portmann, notiert in sein Tagebuch: „Er fühlte sich heute Abend nicht wohl.“

Portmann, seit 1938 Sekretär und engster Vertrauter des Bischofs, trifft am Montag einen ermüdeten Mann, der sich in ungewohnter Weise an den Türpfosten lehnt. Von kräftiger Statur, ist von Galen eigentlich mit guter Gesundheit gesegnet. Einen Mittagsschlaf hat er sich nie gegönnt. An diesem Tag ist es anders.

 

Am Dienstag kommt der Arzt

 

Den Ratschlag, sofort den Arzt aufzusuchen, lehnt er im engsten Kreis seiner Mitarbeiter ab. „Wenn es am Dienstag nicht besser sei, dann solle am Dienstag der Arzt kommen“, hält Portmann Galens Worte im Tagebuch fest.

Am Dienstag, 19. März, kommen Ärzte. Ihre erste Diagnose lautet auf Darmverschlingung und Darmverschluss. Der Chirurg Dr. Schlief vom Franziskus-Hospital vermutet einen durchbrochenen Blinddarm und empfiehlt eine sofortige Operation.

In den Mittagsstunden kommt der Krankenwagen. Der erschöpfte Galen wird mit einer Trage in den Wagen geschoben. Zu seinem Sekretär sagt er auf ein Buch zeigend: „Dort liegt das Zeremoniale. Es steht darin ein Passus, wie man einen Kardinal beerdigen muss.“ Anderen Begleitern teilt er mit, er wolle in einem der Türme oder im Paradies des Paulusdoms beerdigt werden.

 

Notoperation notwendig

 

Buchtipp:
Heinrich Portmann – Tagebücher (1945-1946). Die Tagebücher des Sekretärs von Bischof Clemens August Graf von Galen vom 23. Dezember 1945 bis 12. Juni 1946
19,80 € | 292 Seiten | dialogverlag 2016
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Derweil bereiten die Ärzte im Franziskus-Hospital alles Nötige für die Operation am Abend vor. Einer Schwester spricht der Kardinal vor der Operation die Worte zu: „Ich mag wohl ein schlapper Kerl sein, aber vor dem Tod bin ich nicht bange.“

Tags darauf, am Mittwoch, wird ein ärztlicher Bericht über den kritischen Gesundheitszustand des Kardinals an die Pfarrer des Bistums geschickt. Die Bischöfe der Nachbarbistümer werden über Telegramme informiert. Am Mittwochabend verschlechtert sich der Gesundheitszustand. „Kampf um den Darm beginnt. Ernährung durch Brustbein“, schreibt Portmann in sein Tagebuch.

 

Tod am Freitag

 

Am Freitag, 22. März, verschlechtert sich der Zustand. Ordensschwestern sprechen am Nachmittag die Sterbegebete. Gegen 17 Uhr stirbt der Kardinal im Kreis der engsten kirchlichen Mitarbeiter und Verwandten.

Der Tod löst Trauer und Entsetzen aus. „Das Volk ist erschüttert und kann die traurige Nachricht nicht fassen“, stellt Portmann fest. Der Leichnam wird am Sonntag, 24. März, in der Erpho-Kapelle der St.-Mauritz-Kirche aufgebahrt. Tausende von Gläubigen wollen Abschied von ihrem geliebten Bischof nehmen.

 

Menschen warten stundenlang, um Galen zu sehen

 

Polizisten halten vor der Erpho-Kapelle Wache und regeln die Besucherströme. Stundenlang warten die Gläubigen vor der Kapelle in einer langen Reihe bis zum Franziskus-Hospital, um noch einmal den toten Kardinal zu sehen.

Am Mittwoch, 27. März, wird um 18 Uhr der Sarg geschlossen und der Zinnsarg innen verlötet. In einem Trauerzug und unter großer Teilnahme der Bevölkerung geht es in abendlicher Stunde von der Mauritzkirche zur Kirche Heilig Kreuz. Dort beginnt am Donnerstag um 10 Uhr das Pontifikalrequiem, das Kardinal Konrad von Preysing aus Berlin hält.

 

Kardinal Frings hält die Trauerpredigt

 

In der Trauerpredigt skizziert der Kölner Kardinal Joseph Frings den Charakter von Galens, dessen Tod er als dramatischen Abgang aus dieser Welt bezeichnet. Frings schließt mit den Worten: „So steht sein geis­tiges Bild vor uns, unvergesslich und unvergänglich: ein echter Deutscher, unerschrocken und von tiefem Gemüt, ein ganzer katholischer Bischof. So lange es ein Bistum Münster gibt, wird man Kardinal von Galen mit Stolz nennen als die Zierde des Münsterlandes.“

 

Letzte Ruhestätte

 

Zehntausende Menschen begleiten den Trauerzug nach dem Requiem durch die Trümmer der Altstadt von Münster zum Dom. Gegen 13.30 Uhr wird der Sarg unter Gesang der Gregorius-Chorgemeinde in der St.-Ludgerus-Kapelle des Paulusdoms gesenkt. Nebenan, in der St.-Josefs-Kapelle, hatte 1678 Galens Vorfahre Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen seine letzte Ruhestätte gefunden.

Die „Neue Westfälische Zeitung“ schreibt am 29. März 1946: „Als der Sarg vom Trauerwagen gehoben und in die St.-Ludgerus-Kapelle getragen wurde, teilten sich die Wolken, und ein blauer Frühlingshimmel wölbte sich über der alten Bischofsstadt.“

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