Heute startet das Christentreffen in der Schwabenmetropole

Katholikentag in Stuttgart: Wissenswertes über Stadt und Bistum

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Heute beginnt der Katholikentag in Stuttgart. Die Hauptstadt von "The Länd" Baden-Württemberg ist nicht gerade als katholische Hochburg bekannt. Stattdessen eher als Ort für Proteste diverser Art. Doch gemach: Das Flair der Gastgeberstadt zeigt sich oft erst auf den zweiten Blick.

Stuttgart ist speziell: seit Jahren bunte, aber zutiefst bürgerliche Proteste gegen das Bahnprojekt "Stuttgart 21"; Wiege der Querdenkerbewegung; gewaltsame Auseinandersetzungen in der City; Deutschlands erste Landeshauptstadt mit einem grünen und dazu katholisch-engagierten Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann - und alles verbunden mit einer unbeirrt florierenden Wirtschaft. Ab heute ist die Landeshauptstadt Gastgeber beim Katholikentag.

Ungewöhnlich für eine Großstadt ist schon die Lage. Die City liegt in einer Seitenbucht des Neckartals. Wegen der Kessellage gibt es wenig Wind und geringe Niederschläge, was im Sommer ein schwül-warmes Klima begünstigt. Auf den Anhöhen wird aus dem Nachteil ein Vorteil: Auf rund 400 Hektar Fläche gehen Weingärtner ihrer Arbeit nach.

Treppen und Zahnradbahn

Wie groß der Berg-Tal-Unterschied ist, zeigt die Zahnradbahn "Zacke", die vom Marienplatz am Rand des Zentrums bis nach Degerloch auf kurzer Strecke mehr als 200 Höhenmeter überwindet. Ansonsten nutzen die Stuttgarter "Stäffele". So heißen die rund 400 Treppenanlagen, die die City mit den höher gelegenen, meist nobleren Wohngebieten verbinden.

Mit mehr als 600.000 Einwohnern ist Stuttgart die sechstgrößte Stadt Deutschlands. Blickt man auf die gesamte Region, so zählt der Großraum drei Millionen Einwohner, Tendenz steigend. Gemeinsam mit Frankfurt hat Stuttgart in Deutschland den größten Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund - er liegt bei knapp 40 Prozent.

Wirtschaftlich stark

Die Schwaben sind stolz auf ihre soziale Integrationskraft, die mit der geringen Arbeitslosenquote zusammenhängt. Den wichtigsten Grund dafür beschreibt der Slogan "Region der Weltmarktführer": In Stuttgart und Umgebung sind nicht nur Daimler, Porsche, Bosch und Stihl zuhause. Rund 1.500 kleine und mittelständische Unternehmen arbeiten als Zulieferer für global operierende Firmen.

Trotzdem ist Stuttgart mehr als ein Ort der Arbeit: Im Kultur-Ranking der 30 größten deutschen Städte belegte die Stadt immer mal wieder Rang 1 - und fast keiner weiß es. Zahl und Qualität von Museen, Theatern, Oper, Kinos, Chören und Orchestern können sich sehen lassen. Den größten Publikumszuspruch verzeichnet indes das Mercedes-Benz-Museum.

"Schwäbische Taliban"

Gegründet wurde der "Stutengarten", dessen Tallage ideal für die Pferdezucht war, im zehnten Jahrhundert. Vorgeschichtlich besiedelt ist das 1905 eingemeindete Bad Cannstatt auf der anderen Neckarseite. Im 13. Jahrhundert wurde Stuttgart württembergisch - als Mitgift einer badischen Adligen. Seit 1952 ist Stuttgart Hauptstadt des damals neu gegründeten Bundeslands Baden-Württemberg.

Untrennbar mit der Region verbunden ist der Pietismus. Leicht spöttisch heißt die Gegend südlich von Stuttgart wegen der Evangelikalen bei manchen Pietkong. Die verstorbene TV-Legende Ulrich Kienzle benutzte sogar den Begriff der "schwäbischen Taliban" - Hauptsache, es macht keinen Spaß.

Nur noch wenige Christen

Das stimmt alles heute so nicht mehr. Die Zahl der Christen sinkt rapide in der Stadt, die sich früher "Welthauptstadt der Bibel" nannte. Heute ist von sieben Kindern gerade noch eines evangelisch und eines katholisch. Ungewöhnlich ist der Anteil von Katholiken anderer Nationalität. Für die Zugezogenen gibt es Dutzende muttersprachliche Gemeinden. Aber die größte Kirche gehört einer evangelikalen Freikirche. Insgesamt sind in Stuttgart diejenigen, die keiner anerkannten Religion angehören, mit 52,4 Prozent in der Mehrheit. Laut dem 2020 vorgestellten "Atlas der Religionen" sind je ein knappes Viertel Mitglied der evangelischen und der katholischen Kirche.

Selbst das eigene Stadtmarketing bescheinigt Stuttgart "Flair auf den zweiten Blick". Die Katholikentagsbesucher können ab heute ausprobieren, ob das stimmt.

Das Bistum Rottenburg-Stuttgart

Einen zweiten Blick braucht es auch für die katholische Struktur: Der Bischofssitz befindet sich nicht in der größten Stadt der Diözese, sondern im rund 50 Kilometer südlich gelegenen Rottenburg am Neckar. Bischof ist seit 2000 Gebhard Fürst (73). Ihn unterstützen die drei Weihbischöfe Thomas Maria Renz (64), Matthäus Karrer (53) und Gerhard Schneider (53). Mit knapp 1,756 Millionen Katholikinnen und Katholiken ist das Bistum das viertgrößte nach Köln (1,868 Millionen), Münster (1,797 Millionen) und Freiburg (1,757 Millionen, Stand 2020, Quelle: Deutsche Bischofskonferenz).

In der Landeshauptstadt gibt es allerdings eine sogenannte Konkathedrale: In St. Eberhard befindet sich auch der zweite Dienstsitz des Bischofs. Der dortige Dompfarrer und Stadtdekan Christian Hermes macht immer wieder mit klaren Positionierungen öffentlich von sich reden - so gegen Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit. Zuletzt unterzeichnete er mit den kirchlichen Gremien und seinem evangelischen Kollegen ein ökumenisches Papier, mit dem zu mehr Einsatz für eine eucharistische Gastfreundschaft aufgerufen wird.

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