Eucharistiefeier zwischen Denkmalschutz, Raumgestalt und Praxis

Künftig wieder Messe mit Rücken zum Volk in Reken?

  • Die Alte Kirche in Reken wird saniert.
  • Kunst- und Liturgie-Beraterinnen des Bistums Münster plädieren aus liturgischen und räumlichen Gründen für eine Zelebration vom Hochaltar
  • Die Gemeinde versucht, mittels "Probegottesdiensten" zu einer Entscheidung zu kommen

Anzeige

Die alte und die neue Kirche in Reken liegen nur einige hundert Meter auseinander. Während in der großen Pfarrkirche St. Heinrich 500 Menschen Platz haben, sind es in der Alten Kirche Ss. Simon und Judas nur 90. Der Grund: 1969 wurde im Nordschiff ein sakrales Museum eingerichtet. Hier sind liturgisches Gerät, Bücher, Paramente und Skulpturen aus verschiedenen Epochen ausgestellt. Der Heimatverein bietet regelmäßige Führungen durch die denkmalgeschützte Kirche an.

Gerade wegen dieser intimen Atmosphäre entscheiden sich viele Gläubige für die Alte Kirche mit dem prächtigen romanischen Wehrturm: „Ich bekomme häufig Anfragen für Hochzeiten oder Beerdigungen an diesem Ort“, berichtet Pfarrer Thomas Hatwig im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“. Getauft wird in der zweischiffigen Saalkirche, eine der letzten im Münsterland, nicht mehr: Bisher war der historische Taufbrunnen aus dem 13. Jahrhundert „besetzt“ – er wurde als Altar genutzt.

Doch im Zug der Sanierung des Gotteshauses steht die Gemeinde vor einer offenbar schwierigen Entscheidung: ob es künftig einen Volksaltar geben soll oder ob die Eucharistiefeier vom Priester am historischen Hochaltar mit Rücken zum Volk gefeiert werden soll, weil das laut Expertinnen dem Raum eher entspricht.

 

Taufbecken als Altar genutzt

 

„Die Kirche wurde zunächst in den 50er Jahren stillgelegt“, weiß Pfarrer Hatwig. Ältere Gemeindemitglieder berichten, wie sie als Kinder im Gebäude Fußball gespielt hätten. Dann wurde Ss. Simon und Judas aus dem Dornröschenschlaf geholt. Der Taufbrunnen wurde vom hinteren Teil der Kirche nach vorne gestellt und mit einer Glasplatte versehen: „So hatten wir über die Jahre einen passenden Zelebrationsaltar“, schildert Pfarrer Thomas Hatwig.

Ein bisschen Improvisation und Kreativität gab es in dieser Gemeinde immer schon, von daher begannen die Planungen zur Sanierung der Wehrkirche mit Ursprüngen im 13. Jahrhundert vor zwei Jahren auch ganz entspannt. Die Glocke bekam ein elektronisches Zugsystem. Im Zuge der Sanierungsarbeiten entwarf der Architekt Hubert Kipp einen Anbau für die Sakristei. Auch der Taufbrunnen nahm wieder seinen ursprünglichen Platz im hinteren Teil der Kirche ein.

 

Kommt ein neuer Altar, oder kommt er nicht?

 

Nicht nur bei der Sanierung solcher historisch bedeutenden Kirchen, sondern immer, wenn es um liturgische Umgestaltung geht, ist im Bistum Münster die Beratung durch Liturgiekommission und Kunstkommission vorgesehen. In Reken übernahmen Nicole Stockhoff, Geschäftsführerin der Liturgiekommission, und Susanne Kolter, Vorsitzende der bischöflichen Kunstkommission, diese Aufgabe.

Im Beratungsprozess mit Kirchenvorstand, Pfarreirat und Gemeindemitgliedern wurde auch die Möglichkeit erwogen, die Eucharistie zukünftig nicht an dem nach dem Konzil üblichen Volksaltar zu feiern, sondern am raumfüllenden barocken Hochaltar im rechten Kirchenschiff zu feiern - wobei der Priester dann der Gemeinde den Rücken zukehren würde. Der Hochaltar stammt aus dem Jahre 1665, der Standort wurde seitdem nicht verändert: „Am Beispiel von Ss. Simon und Judas wird eines ganz deutlich: Liturgie kann niemals gegen den Raum gefeiert werden, sondern Liturgie und Raum müssen miteinander harmonieren“, heißt es in einer Stellungnahme der Beraterinnen.

 

Kirchenrechtlich kein Problem

 

Wie bringt man nun Altes und Neues zusammen? „Kirchenrechtlich kann die Eucharistie im nachkonziliaren Ritus problemlos an diesem Ort gefeiert werden“, teilten Nicole Stockhoff und Susanne Kolter auf Anfrage mit. Aufgrund der Sanierung fallen die beiden Werktagsmessen in St. Simon und Judas zur Zeit aus.

Als eine Möglichkeit schlugen die Beraterinnen vor, keinen neuen Zelebrationsaltar in der Mitte der Kirche aufzustellen, sondern einen neuen schlichten Ambo anzufertigen: „Dies würde auf besondere Weise das Wort Gottes und die Platzierung des Ambos zwischen Kanzel und Bankreihen stärken.“ Von der Raumästhetik her ergebe sich im Südschiff mit dem gotischen Chorgestühl und der barocken Kanzel ein schönes Ensemble. Für die Museumsbesucher sei so der Raum vor dem Hochaltar und dessen Wirkung ganz anders zugänglich. Ob sich die Gemeinde mit einer Kirche ohne „Volksaltar“ wohlfühlt, sollte nach zwei „Probegottesdiensten“ diskutiert werden: „Die Entscheidung fällt aber auf jeden Fall bei der Gemeinde“, betonen Nicole Stockhoff und Susanne Kolter.

 

Zwei Probegottesdienste sollen Klarheit bringen

 

Bei den Probegottesdiensten wurden die einzelnen Sprechrichtungen der Liturgie eins zu eins umgesetzt. So wurde das Tagesgebet, als Gebet aller Mitfeiernden vom Vorsteherplatz Richtung Altar gesprochen, vom Ambo, dem „Tisch des Wortes“ wurden die Lesungen, Antwortpsalm und die Predigt verkündet. Die Fürbitten wurden in den Probegottesdiensten von der Lektorin aus der Bankreihe gesprochen. Zur Gabenbereitung wurden die Gaben von Brot und Wein auf den Hochalter gestellt.

Pfarrer Thomas Hatwig sprach dann Teile des Hochgebetes, seitlich zum Hochaltar gewandt. Vaterunser, Agnus Dei und Friedensgruß wurden zur Gemeinde gesprochen. Im Konzept der Beraterinnen des Bistums heißt es, in der Liturgie werde deutlich, dass sich die "Blickrichtung der Mitfeiernden von selbst auf die eucharistischen Gaben richtet, das Zentrum jeder Eucharistiefeier".

Im Anschluss an den ersten Probegottesdienst war in den Diskussionen von Vertretern des Pfarreirates und Kirchenvorstandes klar: „Ohne Altar? Das passt nicht zu uns Westmünsterländern.“ Auch Pater Thomas Winzenhörlein von den Mariannhiller Missionaren aus Maria Veen, die bei der Feier von Gottesdiensten aushelfen, äußerte sich laut Pressbericht kritisch zu den veränderten liturgischen Orten. 

 

Was möchten die Gemeindemitglieder?

 

„Es ist ein Dilemma um unser Kleinod“, schildert Ulrike Heltweg-Heiming, die beim ersten Gottesdienst dabei war. Die 54-Jährige ist Innenarchitektin und Mitglied im Pfarreirat: „Die Kirche gewinnt an dem Freiraum. Von der Architektur her darf kein neuer Altar kommen.“ Er würde in Konkurrenz zu dem freigestellten Hochaltar stehen. Doch die dazugehörige Liturgie aus der vorkonziliaren Zeit fand sie „extrem befremdlich“: „Es ist einfach keine schöne Geste, wenn der Priester den Gläubigen den Rücken zukehrt. Es braucht den Blickkontakt, die Gestik und Mimik.“ Sie plädiert dafür, den Kirchraum noch einmal ganz neu zu denken und eine mobile Lösung für den Altar zu schaffen.

Anders stellte sich die Stimmung im zweiten Probegottesdienst mit der Gemeinde dar. Burkhard Heimann sagte im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“: „Ich freue mich über den renovierten, freigestellten Hochaltar.“ Für den 56-Jährigen könne der Kirchraum so bleiben: „Wir sind wie eine Kompassnadel. Der Altar hilft uns, uns auf Gott auszurichten.“ Im Austausch mit den Gemeindemitgliedern wurde deutlich, dass die frei gewordene Fläche viele gottesdienstliche Formate ermöglicht. So wäre ausreichend Platz, um zum Beispiel bei einem Requiem den Sarg oder die Urne im Kirchenraum aufzustellen.

 

Die Lösung: Alte Kirche wird wieder zur Pfarrkirche?

 

Für Pfarrer Hatwig, der sich auf alle Wünsche der Gemeinde eingelassen hätte, ist indes noch eine andere Überlegung entscheidend: „Wir planen auf Zukunft hin. Die Gottesdienstbesucher werden leider nicht mehr. Eine Kirche mit 100 Plätzen ist eher zu halten als eine Kirche mit 500 Plätzen.“ Er sieht es als seine Aufgabe an, die Gemeinde zu einen: „Wir möchten hier alle gut miteinander leben.“ Dem schlossen sich die Kommissionsmitglieder an: Sollte in der Zukunft die Kirche Ss. Simon und Judas doch einmal Pfarrkirche werden, müsse der Innenraum noch einmal neu konzipiert werden, aber das würde dann auch die Aufgabe des Museums bedeuten.

Die Renovierungsarbeiten in der Alten Kirche Ss. Simon und Judas sind noch nicht ganz abgeschlossen. Wie es mit der Frage: „Volksaltar ja oder nein“ weitergeht, wird in den nächsten Monaten in der Pfarrei beschlossen. Dazu sind die Gläubigen eingeladen, Vorschläge bei den Gremien einzureichen. Es ist noch nichts entschieden.

Das Nordschiff ist auf 1529 datiert und wird dem Coesfelder Baumeister Henric de Suer zugeschrieben. Zur ursprünglichen Ausstattung der Kirche gehören der Hochaltar von 1656, ein Seitenaltar (2. Hälfte 17. Jh.), eine geschnitzte Kanzel (um 1700), das Chorgestühl (Ende 15 Jh.) und ein Taufstein (13. und 18 Jh.) und ein romanischer Westturm, der aus dem 13. Jahrhundert stammt. Eine Innenansicht der Kirche gibt es auch auf der Internetseite der Forschungsstelle für Glasmalerei.

Anzeige