Chefredakteur Markus Nolte zur Entscheidung über die Bischofsgruft in Münsters Dom

Lichtgestalten als Verdunkelungsmeister: Schluss mit den Idealisierungen!

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In Münsters Bischofsgruft soll die Schuld einiger Beigesetzter im Missbrauchsskandal benannt werden. Das ist gut, sagt Chefredakteur Markus Nolte, bannt aber noch nicht eine sehr katholische Gefahr.

Wo viel Licht, da viel Schatten. Diese physikalische wie lebensweisheitliche Selbstverständlichkeit hat es nicht ganz leicht in einer Religion, in der landläufig das Licht als göttlich gilt. Umso wichtiger, dass durchleuchtet wird, wenn Lichtgestalten auch des Bistums Münster sich als Verdunkelungsmeister herausgestellt haben, wo es um Missbrauch ging.

Die heute Verantwortlichen in der Diözese haben einiges richtig gemacht, um aufzuklären: Ein unabhängiges Forschergremium erstellte das Missbrauchsgutachten. Statt in einem vom Bistum eingesetzten Beirat sollten Betroffene selber entscheiden, wie sie sich organisieren – mit Unterstützung vom Bistum, wo gewünscht. Und gemeinsam mit Betroffenen und Bistumsgremien wurde überlegt, wie mit den Gräbern der Bischöfe Tenhumberg und Lettmann umzugehen sei. Ihnen hatte das Gutachten gravierende Schuld nachgewiesen.

„Hintergrundbeleuchtung“ macht Schatten sichtbar

Letztlich entschieden hat freilich das Domkapitel, wie Licht in die Bischofsgruft und die dunklen Seiten manches vermeintlich leuchtenden Vorbilds kommen soll. Wie auch immer dort das angekündigte „digitale Angebot“ aussehen wird, das in den Biografien der Bischöfe auch auf ihren Umgang mit Missbrauch eingehen soll: Mit dieser „Hintergrundbeleuchtung“ ist es richtig, die Verstorbenen in der Gruft zu belassen. Nicht nur, weil ihre Totenruhe nicht gestört werden soll. Sondern weil sonst erneut die Untaten dieser Bischöfe mit ausgelagert würden – weg aus dem öffentlichen, “heiligen Raum” einer Kathedrale.

Jetzt bleiben sie also in Münsters Dom, und so bleiben ihre Grablegen natürlich auch Ehrengräber, so schwierig das ist. Das abzustreiten oder mit dem Argument der Tradition und der Auferstehungshoffnung zu überhöhen, ist unnötig. Aber die Bischöfe erscheinen in einem anderen Licht – einem, das auch die Schatten sichtbar macht: So ambivalent ist der Mensch, so ist das Amt, wenn und weil es ein Mensch ausfüllt. Es wäre an der Zeit, dass sich diese Einsicht auch bei den Amtsinhabern und in ihrem Auftreten schon zu Lebzeiten durchsetzt.

Was macht Menschen zu Vorbildern?

Zudem: Um in dieser Zeit einstürzender Denkmäler glaubwürdig zu sein, verlangt das in der Konsequenz auch den entschlossenen Einsatz für ein entidealisiertes Weihe- und Amtsverständnis. Und was bedeutet das für den katholischen Hang zu Idealisierungen überhaupt? Was heißt das für Heilige und Selige? Was und wer macht Menschen zu Vorbildern? Vorbilder worin und wofür? 

In einer Religion, laut deren Schriften Gott sehr wohl auch im Dunkel wohnt, dürfte der “aufklärende und aufgeklärte” Umgang mit dem eigenen Schatten einen heilsamen Weg weisen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

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