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Wo muss sich die Sexualmoral der Kirche ändern? Darüber hat Markus Wonka aus Vechta bei der Vorbereitung des Synodalen Wegs nachgedacht. Auch mit seiner Erfahrung als langjähriger Eheberater.
Markus Wonka ist Psychologe, Theologe und Eheberater. Er hat Tausende Gespräche mit Paaren über ihre Probleme geführt, hat erst in Augsburg, dann in Münster beraten, schließlich die Eheberatung im westfälischen Bistumsteil geleitet. Inzwischen ist er Chef der Seelsorgeabteilung im Bischöflichen Offizialat in Vechta.
Mit dieser Erfahrung arbeitet er auch in der Familienkommission der Bischofskonferenz mit, mit dieser Erfahrung sitzt er jetzt im Vorbereitungsforum Sexualmoral für den Synodalen Weg. Auch mit den Erfahrungen des Ehemanns und Vaters zweier Kinder.
Katholische Sexualmoral bedeutet nichts
Aus der Erfahrung als Eheberater weiß er: Krisen bei Paaren hängen fast immer auch mit ihrer sexuellen Beziehung zusammen. Und da komme „der Knackpunkt“, sagt Wonka. „Was wir als Kirche zurzeit als katholische Sexualmoral formulieren, wird von den meisten Katholiken so nicht gelebt, hat für sie keine eigene lebensprägende Bedeutung.“ An dem entscheidenden Punkt der Sexualität im Leben von Paaren.
Da müsse die Kirche sich fragen: „Wie kann eine am Evangelium und an christlichen Werten orientiere Sexualmoral aussehen, die auch heute das Leben von Paaren prägen kann?“
Sexualmoral ist "revisionsbedürftig"
Diese Fragen treiben ihn schon lange um, er kennt die Grundpositionen und alle Verästelungen der innerkirchlichen Diskussion. Deshalb sagt er deutlich: „Die kirchliche Sexualmoral ist revisionsbedürftig.“ Und grenzt es dann ein: „Einige Aspekte“ müsse man „neu bedenken“.
Die klassische Lehre der Kirche sehe Sexualität nur in der Ehe und nur mit Blick auf die Zeugung von Nachkommen, fasst Wonka zusammen. „Das steht so im Katechismus, wird aber nur von einer Minderheit der Katholiken auch so gelebt.“ Und die Mehrheit? „Sexualität hat für die allermeisten Paare doch eine eigene, viel größere Bedeutung. Da geht es um Beziehung und Bindung, auch um Spaß und Lust – und das ist ein eigener Wert für die dauerhafte Lebendigkeit einer Paarbeziehung.“
Neue Antworten der Kirche gefragt
Dieser Wandel fordere nach neuen Antworten der Kirche in ihrer Sexualmoral. Denn bisher biete sie da eher eine Lehre von Verboten.
Verbote haben ihre Schattenseiten, das weiß Wonka aus langjähriger Beraterarbeit. Die hat er einmal so beschrieben: „Da lassen wir die Ratsuchenden im Gespräch erst einmal kommen, wir sagen nicht einfach: Da müsst Ihr hin!“
Kirche muss mehr hinhören
Eine Grundhaltung aus der Praxis, die auch der Kirche manchmal nicht schaden würde, wie er findet. „Wir müssen hin zu einer mehr hörenden Kirche“, fasst er zusammen. Mehr Hinhören und dann die Sexualmoral weiterentwickeln – schön und gut.
Aber Wonka sieht auch Grenzen im Hinhören. Denn eine andere Sexualmoral sehe bestimmt nicht so aus: „Jeder kann machen, was er will, alles ist in Ordnung, solange die Partner nur einverstanden sind.“ So könne man auch jede flüchtige Beziehung, jeden „One-Night-Stand“, moralisch rechtfertigen. „Verhandlungsmoral“ nennt Wonka das.
Bei Sexualität geht es um Bindung
Grundsätzlich und entscheidend gehe es vielmehr um „Bindung und Beziehung, um Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Letztlich ist doch die Liebe das Maß für die Sexualität.“ Wenn eher diese Gedanken entscheidend sind, ergeben sich bestimmte Fragen an die kirchliche Sexualmoral ganz von selbst, das weiß Wonka durchaus. Etwa diese: „Wenn man der Sexualität bei Paaren einen Eigenwert zumisst – muss man verbindliche und auf langfristige Bindung angelegte homosexuelle Beziehungen dann nicht anders bewerten?“
Wonka kennt sehr gut die Mahnung, die Kirche dürfe bei der Sexualmoral nicht dem Zeitgeist hinterherlaufen. „Aber das ist ein Totschlag-Argument, alles an gesellschaftlicher Veränderung sei Zeitgeist und alle Weiterentwicklung sei Anpassung an den Zeitgeist.“ Kopfschüttelnd sagt er: „Das unterbindet jegliches Nachdenken, jede Auseinandersetzung und Diskussion von vornherein.“
Zeichen der Zeit erkennen
Er spricht eher von „Zeichen der Zeit“. Und fragt: „Wie können wir in der Kirche gemeinsam diese Zeichen der Zeit entdecken? Ohne dass jeder von vornherein zu wissen meint, wie das Ergebnis der Diskussion auszusehen hat."
Wonka hat dabei vor allem die Krise der deutschen Kirche im Blick. Sein Befund: „Für viele Menschen ist ganz bedeutungslos geworden, was die Kirche sagt, es spielt für ihr Leben keine Rolle.“ Leise sagt er: „Das bedrückt mich am meisten.“ Deshalb frage er sich immer wieder: „Wenn Vertrauen verloren gegangen ist – wie kann man es neu gewinnen?“ Fraglich sei, ob da ein Synodaler Weg hilft.
Synodaler Weg darf nicht scheitern
Wonka entgegnet: „Vertrauen kann man nicht einfach herstellen. Man braucht vertrauensbildende Maßnahmen. Für mich ist der Synodale Weg aktuell die einzige öffentlich wahrnehmbare Form einer solchen Maßnahme für die Kirche.“ Nachdrücklich schließt er: „Der darf einfach nicht scheitern.“