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Die Münsteraner Professorin Dorothea Sattler ist eine der bekanntesten Ökumene-Expertinnen in Deutschland. Beim Synodalen Weg leitet sie das Forum zum Thema Frauen
Längst ist die Ökumene für Dorothea Sattler nicht mehr nur ein Fach, das sie als Lehrstuhlinhaberin an der Universität Münster unterrichtet, sondern ein Herzensanliegen, dem sie fast ihr ganzes Leben widmet. Doch demnächst kommt eine andere große Aufgabe auf sie zu: Zusammen mit dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode wird sie voraussichtlich das Forum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ beim Synodalen Weg leiten.
Geboren 1961 in Koblenz, wurde Sattlers katholische Sozialisation maßgeblich von der Pfarrgemeinde geprägt, in der sie drei Jugendgruppen betreute. Von 1980 bis 1983 studierte sie Theologie und Romanistik in Freiburg, bevor sie an die Universität Mainz ging, wo sie 1986 das erste Staatsexamen ablegte. Jahre als wissenschaftliche Hilfskraft und Assistentin am Lehrstuhl für Ökumenische Theologie und Dogmatik schlossen sich an.
Seit 2000 an der Uni Münster
1992 wurde Sattler mit einer Dissertation über das Bußsakrament im ökumenischen Gespräch promoviert; vier Jahre später habilitierte sie sich mit einer Arbeit über das Beziehungsdenken in der Erlösungslehre. Eine Gastprofessur und Lehraufträge in Berlin folgten, bevor sie 1998 als Professorin für Systematische Theologie und Religionspädagogik an die Universität-Gesamthochschule Wuppertal berufen wurde.
Im Jahr 2000 wechselte sie dann auf den Lehrstuhl für Ökumenische Theologie und Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.
Leise und eindringlich
Zur Ökumene gekommen ist die Koblenzerin einst durch Kontakte nach Taizé und zum Benediktinerkloster im belgischen Chevetogne, wo im orthodoxen Ritus Liturgie gefeiert wird.
Wie kommt man von der Unversöhntheit zur Versöhnung? Das ist ein Thema, das die nie auftrumpfende, sondern stets leise und eindringlich sprechende Theologin schon lange umtreibt und auch heute noch intensiv beschäftigt – keineswegs auf die Ökumene beschränkt, sondern auch auf den mitmenschlichen Bereich bezogen.
Reformations-Gedenken als Höhepunkt jüngerer Zeit
Ein Höhepunkt in den letzten Jahren war für sie die Vorbereitung und Begleitung des Reformations-Gedenkens im Jahr 2017. „Das gemeinsame Gedenken und Feiern hat uns allen in der Ökumene auf der geistlichen Ebene sehr gut getan“, bilanziert die Professorin heute. „Dadurch ist der katholischen und der evangelischen Kirche deutlicher bewusst geworden, was uns alles verbindet, wie etwa die Christusgemeinschaft oder die gemeinsame Taufe. Seitdem gehen wir gelassener mit den Differenzen um.“
Eine Erleichterung für den ökumenischen Dialog habe zudem die über Konfessionsgrenzen hinaus gegebene hohe Wertschätzung für Papst Franziskus, seinen Einsatz für die Armen und die Bewahrung der Schöpfung gebracht. Katholiken und Protestanten seien einander aber auch durch die gemeinsame Erschütterung über den Missbrauch und die Verfehlungen in beiden Kirchen nähergekommen. Es sei von ökumenischer Bedeutung, dass nicht Polemik, Häme oder gegenseitige Schuldzuweisungen zu hören waren, sagt sie.
„Wir sind noch auf dem Weg zum Weg“
Doch jetzt steht für Dorothea Sattler eine Führungsaufgabe im Rahmen des von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) geplanten Synodalen Weg an. Allerdings mahnt sie zur Vorsicht: „Wir sind noch auf dem Weg zum Weg“, erläutert sie. „Bisher gibt es nur Vorformen des Forums, und es ist noch offen, wer am Ende welche Verantwortung übernehmen wird.“ Dass es ein Forum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ geben wird, steht allerdings fest, und es spricht viel dafür, dass diejenigen, die derzeit die „Vorforen“ leiten, das auch beim eigentlichen Forum tun werden.
Das ZdK muss dem Statut für den Synodalen Weg aber noch zustimmen. Wie sie zu dem bedeutenden neuen Wahlamt gekommen ist, macht die Theologin klar: Seit Jahren ist sie Sprecherin des Sachbereichs I „Theologie, Pastoral und Ökumene“ beim ZdK, zudem hat sie im Dezember 2017 zusammen mit ihrer Kollegin Margit Eckholt den viel beachteten Osnabrücker Kongress „Frauen in kirchlichen Ämtern“ geleitet.
Frauen auch als ökumenisches Thema
Ihre neue Aufgabe hat insofern stark mit der Ökumene zu tun, als Sattler schon lange die Überzeugung vertritt, dass es keine sichtbare Einheit der Kirchen geben kann, wenn man sich dem Thema der Zulassung von Frauen zu Weiheämtern nicht stellt. „Wir brauchen darüber beim Synodalen Weg ergebnisoffene Gespräche, die von gegenseitigem Vertrauen geprägt sind“, unterstreicht sie mit Nachdruck.
Entscheidend werde sein, den Synodalen Weg als einen geistlichen Prozess zu gestalten und in der Öffentlichkeit darzustellen, bei dem vertrauensvoll um das Gute gerungen werde. Theologische Argumente seien wichtig – gerade im weltkirchlichen Kontext: „Wenn die Argumente ausgetauscht werden und hinterher nachzulesen sind, so hat das schon einen Wert und eine Bedeutung an sich“, betont Dorothea Sattler.
Verantwortung für die Weltkirche
„Wir beschreiten diesen Weg, um Zusammenhalt zu fördern und nicht Spaltung. Dies ist auch kein deutscher Sonderweg, sondern der Prozess geschieht bewusst in Verantwortung für die gesamte Weltkirche.“
Allen übergroßen Erwartungshaltungen gegenüber aber bleibt sie Realistin: Es werde nicht in kürzester Frist zu weitreichenden Veränderungen kommen, warnt sie. Wer das erwarte, der verkenne, wie die gegenwärtige Verfassung der Kirche ist, fügt Sattler hinzu. So sei schon sehr viel gewonnen, wenn durch den Synodalen Weg neues und zugleich nachhaltiges Vertrauen zwischen Bischöfen und Gläubigen geschaffen werde.
„Gemeinsam fragen: Was möchte Gott?“
Überhaupt wünscht sich die Theologin einen Synodalen Weg, der weit über die bisher geplanten zwei Jahre hinausgeht: einen Gesprächsprozess als dauerhafte Einrichtung, bei dem alle bedeutsamen und strittigen Fragen bedacht und erörtert werden können.
„Im Hinblick auf die Frauen aber müssen wir uns gemeinsam fragen: Was möchte Gott?“, insistiert die engagierte Ökumenikerin. „Will er wirklich die Frauen von der Verkündigung des Evangeliums ausschließen? Kann nicht auch eine Frau Jesus Christus repräsentieren?“
Jesus als Frau?
Dass sie kürzlich mit der Äußerung zitiert wurde, Jesus hätte auch als Frau auf die Welt kommen können, hat ihr zahlreiche empörte Reaktionen eingetragen – zu Unrecht sagt sie. „Ich habe kein Problem mit dem Mann-Sein Jesu, sondern gesagt, Gott hätte auch als Frau Mensch werden können“, stellt Sattler klar.
„Über eine Frage nachzudenken, ist vor allem wichtig: Welche Bedeutung hat die Menschwerdung Gottes für das Geschehen der Erlösung?“ Der Synodale Weg könnte aus ihrer Sicht so gestaltet werden, dass die eigentlichen Fragen groß werden: Wer ist dieser eine Gott – und was möchte Gott auch in unserer Zeit?
Hoffnung auf Ökumenischen Kirchentag
Irgendwann, das lässt die Dogmatikerin durchblicken, will sie sich auch noch einmal anderen Themen als Fragen nach der institutionellen Gestalt der Kirche zuwenden und weitere Publikationen zum „Erlöst-Sein in Jesus Christus“ oder über „Bilder vom vollendeten Leben“ veröffentlichen.
In der Ökumene aber setzt sie nach dem bahnbrechenden Votum des renommierten Ökumenischen Arbeitskreises für eine Kommuniongemeinschaft von Katholiken und Protestanten große Hoffnungen auf den kommenden Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) 2021 in Frankfurt. „Dieses Votum geht noch in die Gremien des ÖKT und muss sich noch konkretisieren“, räumt Sattler ein. „Die Möglichkeit einer wechselseitigen Einladung zu den Feiern von Abendmahl und Eucharistie wird gemeinsam zu besprechen sein.“ Das Vertrauen auf Jesus Christus ist ihr dabei wichtig – und das bei allen anstehenden offenen Fragen.