"Wer von der Schöpfung leben will, muss für die Schöpfung leben"

Martin Ramschulte – Landwirt, Aktivist und Fahrradpilger

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Martin Ramschulte aus Schöppingen hat hunderte Leserbriefe geschrieben, auch an Münsters Bistumszeitung "Kirche+Leben". Der drohende Untergang der bäuerlichen Landwirtschaft hat ihn zum Aktivisten werden lassen. Häufig schreibt er über Umweltschutz. Eine Konsequenz: In Urlaub fährt er nur noch Rad. Manchmal bis nach Rom und zurück.

„600 Kilo Äpfel haben wir zum Saftpressen gebracht, der Boskop ging hier ganz gut in diesem Jahr“, sagt Martin Ramschulte und deutet auf die Wiesen hinter dem Haus mit dem eingezäunten Löschteich. Nebel wabert, die große Hofeiche taucht aus dem Dunst auf. Die ländliche Idylle wird unterbrochen von einem Protest-Banner am Zaun vor den Stallungen: „Wer von der Schöpfung leben will, muss für die Schöpfung leben. Wir Landwirte machen das seit Generationen!“

Ein sichtbares Zeichen dafür: Es ist eben nicht alles in Ordnung auf dem Land. Oder wie Ramschulte es ausdrückt: „Der Karren steckt im Dreck.“

 

Er sollte zunächst nicht Bauer werden

 

Sein Sohn, der den Hof mit 900 Mastschweinen im Teilerwerb betreibt, hat das Plakat der neuen bäuerlichen Bewegung „Land schafft Verbindung“ aufgehängt. Auf Facebook waren Anfang des Jahres mehr als 34.000 Landwirte aus ganz Deutschland Mitglied der Gruppe. Protest, den Ramschulte nachvollziehen kann. Seit Jahrzehnten kämpft er für die bäuerliche Landwirtschaft – auf seine Weise, mit zahllosen Leserbriefen in überregionalen Medien.

Bauer werden, das wollte er als 14-Jähriger unbedingt, sollte er aber nicht, fanden seine Eltern: „Da habe ich eben Gärtner gelernt“, schildert Ramschulte, der gebürtig aus Ahaus-Wessum stammt.

 

Hof Ramschulte übernommen

 

Seinen Traum von der Landwirtschaft verlor er aber nicht aus den Augen. Über Umwege kam er 1976 auf den Hof Ramschulte nach Schöppingen. Da das Paar keinen Hofnachfolger hatte, fragten sie Martin Ramschulte, der damals noch Klümpers hieß, ob er den Hof übernehmen wolle.

Er wollte, und nahm das Mädchen vom Nachbarhof gleich mit dazu: „War ja nicht viel Zeit damals für Bekanntschaften“, sagt er und zwinkert schelmisch. Im September haben Maria und Martin Ramschulte ihren 40. Hochzeitstag gefeiert.

 

Es funktionierte nur ein paar Jahre

 

Maria und Martin Ramschulte.
40 Jahre sind Maria und Martin Ramschulte verheiratet. | Foto: Marie-Theres Himstedt.

Mit der Partnerin an seiner Seite ging es auf Expansionskurs: „Ich habe mich beraten lassen. Da hieß es: ‚Du brauchst einen großen Maststall, einen größeren Sauenstall‘, wie das so war damals.“

900 Tiere standen irgendwann darin. „Ich war Bauer von Herzen, aber es reichte nie. Das System des Wachstums hat ein paar Jahre gut funktioniert. Aber mittlerweile stehen zwei Drittel der Höfe im Münsterland leer“, weiß Ramschulte. „Es ist jetzt der Punkt erreicht, wo andere auch Schweine mästen können.“

Die Konkurrenz aus Russland, Polen und China sei groß. „Im Augenblick zahlen die Schweinehalter drauf.“ Seine Familie könne sich irgendwie retten, weil sein Sohn und die Schwiegertochter eigene Berufe hätten. „Ein normaler Bauer mit Familie, die malochen von früh bis spät, denen fehlt auch die Zeit für die Anträge für Förderungen“, weiß er.

 

Per Rad nach Rom und nach Santiago

 

Als klar wurde, dass keines seiner Kinder den Hof übernehmen wollte, machte Ramschulte das, was er in solchen Situationen gerne tut: aufs Rad steigen. 2012 fuhr er erstmals nach Rom und zurück, mit einem Bekannten.

In 36 Tagen hin und zurück – natürlich ohne Motor: „In Rom waren wir nur einen Tag. Es ging ja um den Weg“, sagt er. Nach Santiago de Compostela ging es zweimal, immer auch mit einem inneren Gebet um eine Lösung für die bäuerliche Landwirtschaft und den Hof.

Vor drei Jahren hat er sich ein Kreuz gekauft, an einer Halskette mit schweren gewundenen Gliedern. „Ein Kreuz hat ja jeder zu tragen“, brummelt er auf die Frage, was er mit diesem Schmuckstück verbinde: „Die Familie hat erst geguckt, was das soll: Ein Bauer mit ‘nem Kreuz am Kettchen, das ist ja so nicht richtig.“

 

„Kritik hält das Getriebe in Gang“

 

Aber was andere von ihm denken, darauf gibt Martin Ramschulte nichts: „Meistens erhalte ich Lob auf meine Leserbriefe. Wenn es mal Kritik gibt, dann hält das das Getriebe in Gang“, meint er und deutet auf seinen Kopf.

Der 68-Jährige liest zahlreiche Zeitschriften, auch „Kirche+Leben“ ist ihm eine wichtige Informationsquelle. Darüber hinaus ist er in der Hospizgruppe Schöppingen-Eggerode-Gemen aktiv: „Im Moment fahre ich regelmäßig jemanden mit dem Rollstuhl durchs Dorf, sodass er mal was zu gucken hat.“

 

Sorge für die Familie

 

Die Leserbriefe schreibt er weiterhin alle zwei Wochen, „so zwischendurch, auf dem Tablet oder auf dem Handy“. Die Enkel stehen währenddessen auf dem Hof im Buggy in der Sonne. Auf die zwei Jüngsten passt Ramschulte regelmäßig auf, weil seine Frau wieder als Hauswirtschafterin arbeitet.

Für die Familie da sein, ist oberstes Gebot bei Ramschultes. Maria Ramschulte hat ihre Schwiegermutter gepflegt und sich auch um ihre jüngste Tochter gekümmert, die schwerstbehindert 30 Jahre zu Hause lebte. Bis eine weitere Erkrankung im Verwandtenkreis die Familie an eine Grenze brachte.

 

Urlaub emissionsfrei

 

Martin Ramschulte ging wieder auf Pilgerradtour, das zweite Mal nach Spanien, mit Stopp in der Kapelle beim Namenspatron Martin von Tours in Frankreich. Nach der Rückkehr war ein Platz in einem guten Pflegeheim frei. „Unsere Tochter sagt, dass es ihr dort gefällt“, sagt Ramschulte.

Der Kontakt ist weiterhin eng. Die Tochter hat ein großes, blaues Herz zum Hochzeitstag ihrer Eltern im September gestaltet. Es schmückt noch immer die Eingangstür.

Das Paar hat nun Zeit für Unternehmungen – mit dem Rad natürlich, erst nach Norderney und jetzt wieder nach Berlin. Zurück geht es meistens mit dem Zug. Für Martin Ramschulte ist das nahezu emissionsfreie Reisen „Urlaub der Zukunft“. Gar nicht mal so utopisch.

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