Gleichzeitig spricht er von unfairem Umgang mit der Kirche

Missbrauch: Bischof Dieser sieht Wende zu höheren Zahlungen

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Betroffene von sexualisierter Gewalt können inzwischen auf höhere Zahlungen hoffen. Dies erklärte der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Bischöfe, Helmut Dieser. Er äußert sich auch zur Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche.

Einen nicht ganz fairen Umgang mit der katholischen Kirche kritisiert der Missbrauchsbeauftragte der katholischen deutschen Bischöfe. In Deutschland sei die katholische Kirche bisher die einzige Institution, „an der die Gesellschaft einmal durchspielt, wie mit der Entschädigung von Missbrauchsbetroffenen umzugehen ist“, sagte der Aachener Bischof Helmut Dieser der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Wer sonst außer uns leistet freiwillige Zahlungen? Wenn an andere Institutionen dieselben Maßstäbe angelegt würden, stellt sich die Frage: Was würde das heißen für den Sport, für Schulen, Vereine oder für Familien?“

Die ganze Gesellschaft wiegt sich laut Dieser derzeit in der Beruhigung, dass das Thema vor allem bei den Katholiken angedockt sei. „Es ist ein bisschen unfair, dass wir den Schwarzen Peter haben und auch alleine behalten sollen“, so der Bischof. „Wir sind die einzigen, die überhaupt etwas erreichen bei der finanziellen Anerkennung für Missbrauchsbetroffene – auch wenn wir dabei immer noch besser und schneller werden können.“

Kölner Urteil führt zu höheren Zahlungen

Dieser sieht deutliche Verbesserungen bei den freiwilligen kirchlichen Zahlungen für Betroffene sexualisierter Gewalt. Die von der Bischofskonferenz eingesetzte Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) spreche ihnen inzwischen erheblich höhere Summen zu.

Viele Missbrauchsopfer finden die Summen aber zu niedrig. Dazu sagte Dieser: Um bei den Zahlungen eine Vergleichbarkeit herzustellen, liege der Kommission nichts anderes als die Schmerzensgeldtabellen vor. Das Verbrechen sexualisierter Gewalt sei dort bis Mitte vergangenen Jahres kaum abgebildet gewesen. Das Kölner Urteil, das im Juni 2023 einem früheren Messdiener 300.000 Euro Schmerzensgeld zusprach, habe die Situation aber völlig verändert – „und das ist gut für die Betroffenen“. Bereits beschiedene Fälle rolle die UKA auf Antrag neu auf. In vielen Fällen bekämen Betroffene nun über 100.000 Euro. Die UKA will am Freitag ihren Tätigkeitsbericht für das vergangene Jahr vorstellen.

Dieser verteidigt Nennung von Täter-Namen

Die im Januar vorgestellte Missbrauchsstudie für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigt nach Einschätzung von Dieser vergleichbare Ergebnisse zur katholischen Untersuchung. „Die systemischen Ursachen für den Missbrauch sind zwar unterschiedlich, generell lässt sich aber sagen: Gefährdungen bestehen überall dort, wo es Machtgefälle gibt.“ Und das gelte auch für andere gesellschaftliche Bereiche wie Schule und Sport. „Überall, wo Kinder und Jugendliche anderen anvertraut sind, braucht es erhöhte Aufmerksamkeit, Prävention und gegebenenfalls Intervention und Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft. Sonst sind sie die Verlierer.“

Der Bischof verteidigte das Vorgehen seines Bistums, Namen mutmaßlicher und vor mindestens zehn Jahren gestorbener Täter zu veröffentlichen. Die im Oktober gestartete Aktion habe zu einer großen Resonanz geführt. Eine ganze Reihe weiterer Betroffener habe sich gemeldet. Die unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums hätten derzeit viel zu tun und seien dabei, die Fälle mit den Betroffenen aufzuarbeiten, sie bei der Antragstellung zur Anerkennung des Leids zu unterstützen oder ihnen auch einfach nur zuzuhören. „Eine genaue Auswertung, wie die öffentliche Nennung das Dunkelfeld erhellt hat, ist derzeit in Arbeit, und die werden wir vorstellen.“

Die Kriterien für die Nennung von Namen

„Mit der Nennung mutmaßlicher Täter haben wir es uns nicht einfach gemacht und lange die Kriterien diskutiert“, sagte Dieser. Dazu gehöre, dass ein Geistlicher strafrechtlich oder kirchenrechtlich verurteilt wurde oder es einen positiven Bescheid zur Anerkennung des Leids eines Betroffenen gibt. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir die Entwicklung abwarten und wir für Veränderungen offen sind.“ Schon der Begriff „mutmaßlicher Täter“ werde diskutiert.

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