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Für die Evangelische Kirche in Deutschland liegen nun Zahlen zu sexualisierter Gewalt vor. Eine Studie wurde am Donnerstag vorgestellt. Sie zeigt aber laut der Forscher nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“.
Die Zahl der Missbrauchs-Betroffenen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und beim Diakonischen Werk ist viel höher als bislang angenommen. Laut einer am Donnerstag vorgestellten Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei 3.497.
Rund ein Drittel davon seien Pfarrpersonen, also Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Betroffenen aus. Die sogenannte ForuM-Studie wurde von einem unabhängigen Forscherteam erarbeitet.
Nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“
Nach Angaben der Wissenschaftler zeigt die Untersuchung nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“. Ausgewertet wurden demnach rund 4.300 Disziplinarakten, 780 Personalakten und rund 1.320 weitere Unterlagen. Zum Vergleich: Bei der bundesweiten MHG-Studie der katholischen Deutschen Bischofskonferenz 2018 wurden rund 38.000 Personalakten durchgesehen.
Weiter heißt es in der ForuM-Studie, dass 64,7 Prozent der Opfer männlich und rund 35,3 weiblich waren. Beschuldigte seien fast ausschließlich Männer (99,6 Prozent). Rund drei Viertel von ihnen waren bei der Ersttat laut Studie verheiratet.
Vor allem Körperkontakte
Bei der Schwere der Tat gibt es demnach eine große Spannweite: Bei den meisten Taten handelt es sich aber um sogenannte „Hands-on“-Handlungen. Das heißt, es gab Körperkontakt mit den Opfern – von nicht notwendigen körperlichen Hilfestellungen im Sportunterricht bis hin zur Penetration.
Die EKD hatte die Studie vor gut drei Jahren für rund 3,6 Millionen Euro in Auftrag gegeben. Die Forscher sollten alle Landeskirchen und die Diakonie einbeziehen.
Aufbau der Studie
Die Studie enthält sechs Teilstudien, in denen Ursachen und Besonderheiten von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche untersucht werden. Auch Betroffene waren beteiligt. Ziel ist eine Gesamtanalyse evangelischer Strukturen und systemischer Bedingungen, die sexualisierte Gewalt begünstigen und ihre Aufarbeitung erschweren.
Das Forscherteam arbeitet unter dem Titel „ForuM – Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“. Koordiniert wird es von dem Professor für Soziale Arbeit an der Hochschule Hannover, Martin Wazlawik.
Unterschiedliche Zahlen
Die ForuM-Studie der evangelischen Kirche enthält unterschiedliche Zahlenangaben. Laut Evangelischem Pressedienst (epd) spricht die Mitteilung des Forscherteams von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern. Das sei jedoch nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“. Es gebe Kenntnisse über weitere Fälle, die aufgrund fehlender Informationen nicht hätten strukturiert erfasst werden können. Untersucht wurden den Angaben zufolge flächendeckend nur Disziplinarakten. In einer Hochrechnung, die aus Sicht des Forscherteams mit „sehr großer Vorsicht“ betrachtet werden muss, ergäbe sich eine Zahl von insgesamt 9.355 Betroffenen bei geschätzt 3.497 Beschuldigten. | epd, jjo