Update, 16.05 Uhr: Urteil mit Signalwirkung?

Missbrauch: Erzbistum Köln muss 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen

  • Urteil des Landgerichts Köln: Das Erzbistum Köln muss 300.000 Euro Schadensersatz an einen Missbrauchsbetroffenen zahlen.
  • Der Betroffene hatte 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt.
  • Das Urteil könnte Signalwirkung für viele Betroffene haben.

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Das Erzbistum Köln soll nach einem Urteil einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Darauf angerechnet werden bereits an das Opfer ausbezahlte 25.000 Euro in Anerkennung des Leids, wie das Landgericht Köln am Dienstag entschied.

Der 64-jährige Georg Menne hatte vom Erzbistum Köln 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Richter Stephan Singbartl hatte bei der ersten Verhandlung im Dezember einen Vergleich vorgeschlagen. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande. Der Anwalt des Erzbistums sagte am Dienstag, dass er kein Angebot mitgebracht habe und keine Weisung erhalten habe. Weder die volle Forderung des Klägers noch – wie vom Vorsitzenden ins Spiel gebracht – ein mittlerer sechsstelliger Betrag komme für das Erzbistum in Betracht.

Betroffener 320 Mal missbraucht

Klägeranwalt Eberhard Luetjohann ließ nach der Entscheidung offen, ob er in Berufung geht. Menne selbst wollte die Entscheidung zunächst nicht kommentieren. Die Anwälte des Erzbistums wollten sich nicht äußern und verwiesen auf die Pressestelle der Diözese.

Menne soll in den 1970er Jahren mehr als 320 Mal von einem Priester missbraucht worden sein. Vorwürfe gegen den Geistlichen wurden dem Erzbistum 1980 sowie 2010 bekannt – er konnte dennoch viele Jahre weiter als Seelsorger arbeiten. Der Betroffene wirft der Erzdiözese daher Amtspflichtverletzung durch Unterlassen vor. Das Erzbistum hatte bewusst darauf verzichtet, eine Verjährung zu beanspruchen.

Schmerzensgeldprozess ist Präzedenzfall

Der Schmerzensgeldprozess gilt als Präzedenzfall. Missbrauchsbetroffene in der katholischen Kirche erhalten von Bistümern und Orden in der Regel Zahlungen in Anerkennung ihres Leides. In dem kircheninternen System reicht es in der Regel aus, wenn Betroffene den Missbrauch und die dadurch entstandenen Schäden in einem Antrag plausibel darlegen. Vor einem staatlichen Gericht dagegen müssen sie ihre Entschädigungsansprüche im Zweifel beweisen. Im konkreten Fall hat das Erzbistum den Sachverhalt als unstreitig anerkannt.

Über die Höhe der Kirchenzahlungen entscheidet seit 1. Januar 2021 die unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA). Nach ihren Angaben orientiert sich die Leistungshöhe „am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder“. In den ersten zwei Jahren erhielten Betroffene im Mittel rund 22.000 Euro pro Antrag. In etwa acht Prozent der Fälle wurden laut UKA aber mehr als 50.000 Euro gezahlt, mitunter auch mehr als 100.000 Euro.

Update, 16.05 Uhr: Artikel neu gefasst und erweitert (jdw)

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