Vorsitzende Reske: Zahlungen liegen im oberen Drittel der Schmerzensgeldtabellen

Nach viel Kritik – so weit ist die Anerkennungs-Kommission für Missbrauch

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An der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) in der katholischen Kirche gab es immer wieder Kritik von Betroffenen. Auch Münsters Bischof Felix Genn räumte unlängst Fehler in der anfänglich zu schwachen personellen Besetzung der Kommission ein. Das wurde inzwischen geändert. Jetzt legt die UKA ihren Jahresbericht vor.

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) entscheidet seit Anfang 2021 darüber, wie viel Geld Betroffene von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche in Deutschland als eine Art Anerkennung für ihr erlittenes Leid erhalten. Am Freitag legte die UKA ihren ersten Jahresbericht vor.

Von der Deutschen Bischofskonferenz ins Leben gerufen, befinden die elf Juristen, Mediziner und Psychologen unter dem Vorsitz der ehemaligen Richterin Margarete Reske auch über Anträge von Betroffenen, die bereits ein Verfahren in einem der 27 Bistümer hinter sich gebracht und womöglich Geld erhalten haben; Nachzahlungen sind möglich.

616 Anträge erledigt

Dahinter steckt der Gedanke, Gleiches gleich zu behandeln. Ein Betroffener im Erzbistum Hamburg soll genauso gestellt sein, wie einer aus dem Bistum Passau. Bis Ende 2021 gingen 1.565 Anträge bei der UKA ein. 616 weist der Bericht als erledigt aus, 949 blieben bis 31. Dezember unerledigt. Die Gesamthöhe der bewilligten Leistungen lag bei rund 12,9 Millionen Euro; nach Verrechnung mit bereits erbrachten Zahlungen flossen knapp 9,4 Millionen Euro.

Hinter den Zahlen stehen Verletzungen und Traumata, Lebenswege, die durch die Verbrechen von Geistlichen und anderen Mitarbeitern der Kirche geprägt oder zerstört wurden. Menschen, denen die Institution viel zu lange ablehnend bis gleichgültig gegenüberstand. Lässt sich dieses Leid überhaupt bemessen?

Kriterien der Entscheidung unklar

Aus Sicht der Betroffenen ist die UKA noch immer eine "Black Box". Nach welchen Kriterien sie entscheide, sei nicht nachvollziehbar, beklagen Sabine Vollmer und Julia Sander, Sprecherinnen des Betroffenenbeirats im Erzbistum Freiburg.

Die UKA-Vorsitzende Reske räumt ein, die Kommission fälle Entscheidungen, ohne sie nach außen näher zu begründen. Man orientiere sich aber an den von staatlichen Gerichten ausgesprochenen Schmerzensgeldern - und zwar im oberen Drittel. Die Schmerzensgeldtabellen seien öffentlich zugänglich.

Bischöfe kennen Kritik: "Sie wollen es nicht ändern"

Betroffene monieren aber, dass in 268 erledigten Fällen Antragsteller weniger als 10.000 Euro erhalten hätten. Zudem seien Betroffene benachteiligt, die ihr Leid im Antragsverfahren nicht umfassend schildern könnten. Sander, die auch Mitglied im Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz ist, hält das schlicht für unangemessen. Und: UKA wie Bischöfe würden diese Kritikpunkte seit langem kennen, aber schlicht nicht beheben.

Notwendig seien Änderungen der Verfahrensordnung der Kommission. Dafür wären die Bischöfe zuständig - doch die hätten sich entschieden, "alles so zu lassen, wie es ist: intransparent, langwierig und mit großem Retraumatisierungspotenzial", kritisieren die Betroffenenvertreterinnen.

Lange Bearbeitung

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Bearbeitungsdauer der Anträge. Hier haben die Bischöfe reagiert, indem sie unter anderem das Personal bei der UKA aufstockten. Zuletzt hatte Münsters Bischof Felix Genn in "Kirche-und-Leben.de" selbstkritisch gesagt, dies hätte früher geschehen müssen.

Es habe sich einiges verbessert, sagt die UKA-Vorsitzende Reske. Sie spricht mit Blick auf eingegangene Anträge von einem Berg, der anfangs vor den Mitgliedern des Gremiums lag. Spätestens ab Mitte 2021 habe man das Tempo jedoch deutlich steigern können. "Den Antragstellern, deren Fälle wir nicht mehr vor Jahresende bearbeiten konnten, haben wir ein Schreiben zugesandt und ihnen eine zeitliche Perspektive für eine Entscheidung zugesagt, sei es im ersten oder zweiten Quartal dieses Jahres."

"Wird unser Leid gesehen?"

Das alles ändert aber offenbar nichts daran, dass sich Betroffene mitunter auf einen bürokratischen Akt reduziert sehen. Eine Antragstellung verbinde sich mit der zentralen Frage, "ob unser Leid gesehen wurde", sagt Sander. "Die Auszahlung eines Geldbetrages, die ohne jede Begründung erfolgt, gibt darauf keine Antwort."

Auch Reske sieht, dass weiter großer Redebedarf herrscht. Zugleich will die 69-Jährige die Arbeit der UKA weiter voranbringen. "Mein Traum wäre es, wenn wir zu einer Beruhigung beitragen könnten", sagt sie, fügt aber sogleich hinzu: "Viele Verwundungen werden sich nicht heilen lassen."

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