Aufarbeitungskommission der Bischofskonferenz legt Bilanz 2023 vor

Missbrauch: Immer öfter mehr als 50.000 Euro für Opfer in der Kirche

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Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen nimmt seit Anfang 2021 Anträge von Betroffenen von Missbrauch in der Kirche entgegen. Die Bilanz für 2023 zeigt, dass die Höhe der Zahlungen steigt.

2023 haben mehr Missbrauchsbetroffene in der katholischen Kirche sogenannte Anerkennungsleistungen von über 50.000 Euro erhalten. Das geht aus dem am Freitag in Bonn vorgestellten Jahresbericht der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen hervor (UKA). Demnach bewilligte das Gremium 2023 in rund 10 Prozent aller Fälle Summen jenseits dieser Schwelle. In den beiden Jahren zuvor lag dieser Anteil bei rund 8 Prozent.

Ein Grund ist ein Urteil des Landgerichts Köln vom Juni 2023, wonach das Erzbistum Köln einem Betroffenen 300.000 Euro zahlen musste. In vier Fällen wies die UKA 2023 jeweils eine Zahlung von mehr als 250.000 Euro an.

Kölner Urteil beeinflusst UKA-Entscheidungen

Bei den Entscheidungen habe die Kommission das Kölner Urteil berücksichtigt, so die UKA-Vorsitzende Margarete Reske. Sie betonte zugleich, dass die UKA seit Beginn ihres Bestehens 2021 auch Anerkennungsleistungen festgesetzt habe, „die die in der damaligen Schmerzensgeldtabelle dargestellten Entscheidungen überschritten“. In den ersten beiden Jahren überstiegen demnach 148 Entscheidungen der UKA die bis dahin höchsten Entscheidungen deutscher Gerichte in diesem Feld. Diese lagen bei 65.000 Euro.

Die UKA hat die Aufgabe, darüber zu entscheiden, wie viel Geld Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche in Anerkennung des ihnen zugefügten Leids erhalten. Dazu nimmt sie Anträge der Betroffenen über die Ansprechpersonen der Bistümer oder Ordensgemeinschaften entgegen, legt eine Leistungshöhe fest und weist die Auszahlung an.

UKA-Bericht: 807 Vorgänge noch offen

Grundlage hierfür ist ein von den Bischöfen beschlossenes Verfahren. Bei der Leistungshöhe orientiert sich die Kommission an Urteilen staatlicher Gerichte zu Schmerzensgeldern, und zwar an deren oberen Rand. Eine Höchstgrenze gibt es nicht. Vorgesehen ist nur, dass bei Beträgen oberhalb von 50.000 Euro die jeweiligen kirchlichen Institutionen zustimmen. Diese sei bisher immer erteilt worden, hieß es am Freitag.

Von Anfang 2021 bis Ende 2023 sprach die UKA laut Tätigkeitsbericht 2.248 Missbrauchsbetroffenen insgesamt fast 57 Millionen Euro zu. Allein im vergangenen Jahr waren es 16,1 Millionen Euro. Die Zahl der offenen Vorgänge beziffert der Tätigkeitsbericht für Ende 2023 auf 807. Dazu gehörten demnach unter anderem Anträge, mit denen Betroffene neue Informationen vorlegten oder Entscheidungen der UKA widersprachen.

Immer wieder Kritik am System der Anerkennung

Immer wieder gibt es Kritik an dem System freiwilliger Anerkennungsleistungen der Kirche. Viele Missbrauchsbetroffene finden die Summen zu niedrig. Zuletzt verteidigte der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Bischöfe, Helmut Dieser, das Verfahren. Um bei den Zahlungen Vergleichbarkeit herzustellen, liege der Kommission nichts anderes als die Schmerzensgeldtabellen vor, so der Aachener Bischof gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das Verbrechen sexualisierter Gewalt sei dort bis Mitte vergangenen Jahres kaum abgebildet gewesen. Das Kölner Urteil habe die Situation aber völlig verändert – „und das ist gut für die Betroffenen“.

Zur weiteren Entwicklung bei der Bewilligungspraxis der UKA wollte deren Vorsitzende auf Nachfrage keine Prognose abgeben. Dazu müsse die weitere Rechtsprechung abgewartet werden. Wegen der bewilligten höheren Summen gebe es jedenfalls keinen Druck aus der Deutschen Bischofskonferenz, wurde versichert.

Vorwurf mangelnder Transparenz

Auch zum Vorwurf mangelnder Transparenz äußerte sich die Juristin zurückhaltend: „Wir sind kein Gericht und halten unsere Entscheidungsgründe nicht schriftlich fest.“ Dies sei auch eine Frage des Aufwands. „Mehr ist menschlich nicht zu schaffen.“ Basis seien stets die Mitteilungen der Betroffenen. Die UKA schule jedoch Ansprechpersonen in Bistümern, wie sie entsprechenden Nachfragen begegnen könnten.

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