Bistum Münster verwendet bisher keine Kirchensteuern

Summen für Missbrauchs-Betroffene steigen – wie lange reicht das Geld?

Anzeige

Sei es im kircheneigenen System, sei es nach Gerichtsprozessen: Die katholische Kirche muss Missbrauchs-Betroffenen immer mehr Geld zahlen. Wie finanziert sie das – und wie lange reicht das Geld? Ein Blick ins Bistum Münster.

Die Summen steigen, die die katholische Kirche in Deutschland an Betroffene sexualisierter Gewalt zahlen muss. Wie will die Kirche dieses Geld künftig aufbringen – zumal, wenn ursprünglich vorgesehene Geldquellen versiegen?

Die Frage dürfte sich zum Beispiel im Bistum Münster stellen. Dort hatte der Kirchensteuerrat 2020 auf ausdrücklichen Wunsch von Bischof Felix Genn festgelegt, keine Kirchensteuern für die Zahlungen zu verwenden. Geschähe dies doch, würden gleichsam heutige Kirchenmitglieder mit ihrem Steuergeld für – oft lang zurückliegende – Verfehlungen von Geistlichen und der Institution Kirche geradestehen.

Bischöflicher Stuhl verkaufte Geldanlagen

Das Bistum Münster leistet Zahlungen zur Anerkennung erlittenen Leids stattdessen aus dem Haushalt des Bischöflichen Stuhls (siehe Kasten), der vor allem Immobilienerträge umfasst und keine Kirchensteuermittel. Geldanlagen des Bischöflichen Stuhls wurden veräußert, 2020 waren Erlöse von 5,2 Millionen Euro erwartet worden.

Inzwischen hat das Bistum Missbrauchs-Betroffenen allerdings mehr als 6,2 Millionen Euro gezahlt. Die eingeplante Summe dürfte also aufgebraucht sein oder in absehbarer Zeit werden. Und nun?

Kirchensteuerrat entscheidet

Sowohl der Bistumshaushalt als auch der Haushalt des Bischöflichen Stuhls werden vom Kirchensteuerrat beschlossen – dem auch fachlich kompetente Laien und Experten außerhalb der bischöflichen Verwaltung angehören. Der Rat befindet also, welche Gelder künftig für Anerkennungsleistungen genutzt werden sollen.

Auf Kirche+Leben-Anfrage heißt es aus dem Generalvikariat, man wolle sich nicht äußern, ehe der Kirchensteuerrat beraten habe. Er tagt Anfang Mai, die Tagesordnung ist nicht öffentlich.

Derweil steigen die Beträge, die die katholische Kirche in Deutschland Betroffenen zahlt. Das gilt sowohl im kircheneigenen Verfahren als auch mit Blick auf Prozesse vor staatlichen Gerichten.

Urteile und Zahlungen

Das Landgericht Köln hatte das dortige Erzbistum 2023 verurteilt, einem Betroffenen 300.000 Euro zu zahlen. In einem weiteren, auf Juni 2024 vertagten Schmerzensgeldprozess in Köln fordert eine Frau 850.000 Euro. Am Landgericht Traunstein wird eine Klage gegen das Erzbistum München verhandelt. Auch dort stehen 300.000 Euro im Raum. Das Bistum Aachen sieht sich drei Klagen gegenüber.

Im kirchlichen System geht es in der Spitze ebenfalls um sechsstellige Euro-Beträge. Das Bistum Münster hatte im vergangenen Jahr 300.000 Euro an eine betroffene Person gezahlt.

Zudem teilt die Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) mit, sie habe 2023 in zehn Prozent der Fälle eine Leistung von mehr als 50.000 Euro festgesetzt. In beiden Vorjahren seien es je acht Prozent gewesen. Die UKA entscheidet bundesweit zentral, wie viel Geld die jeweiligen Bistümer und Orden an eine betroffene Person zahlen.

Der Bischöfliche Stuhl Münster verfügt über ein Vermögen, das – nach dem genannten Verkauf von Geldanlagen – vor allem Immobilienerträge umfasst. 1981 wurde der Haushalt vom Bistumshaushalt getrennt, Maßgabe ist allerdings, das Volumen klein zu halten und einen „Schattenhaushalt“ zu vermeiden. Laut Haushaltsplan 2024 erwartet der Bischöfliche Stuhl rund 500.000 Euro Erträge. Im eigentlichen Bistumshaushalt (NRW-Teil) werden für 2024 rund 743 Millionen Euro Erträge prognostiziert. | jjo.

Anzeige