Betroffene: „Vernichtendes Urteil – das wird nicht ernst genommen“

Missbrauch: Unabhängige Kommission rügt Aktenführung im Bistum Trier

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Die unabhängige Missbrauchskommission im Bistum Trier empfiehlt dem Bistum „dringend“ eine verbesserte Aktenführung. Betroffene sehen sich bestätigt.

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier empfiehlt dem Bistum „dringend“ eine verbesserte Aktenführung. Auch in der jüngeren Vergangenheit hätten „Versäumnisse bei der Führung von Sach- und Personalakten den Informationsstand der Verantwortlichen beeinträchtigt und rasche, falladäquate Reaktionen bei Missbrauchsfällen vereitelt“, heißt es im zweiten Zwischenbericht der Kommission.

Die Initiative „Missbrauchsopfer und Betroffene im Bistum Trier“ (MissBiT) sieht darin ein „vernichtendes Urteil“ für die bischöfliche Aktenführung. Mängel dabei seien „bisher in jeder Studie kritisiert worden; das wird nicht ernst genommen“.

Was die Kommission lobt

Positiv bewertete die Kommission die Einrichtung bistumsinterner Arbeitsgruppen, die unter anderem eine unabhängige Ombudsstelle und eine „Koordinierungsstelle Akteneinsicht“ umsetzen. Die Ombudsstelle werde „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Betroffenenorientierung sein, der weit über die Grenzen des Bistums hinaus Anstoß sein kann, den Anliegen und Bedürfnissen von Betroffenen sexuellen Missbrauchs besser als bisher gerecht zu werden“. Sie sollte organisatorisch und finanziell unabhängig konzeptioniert werden.

Mit Blick auf Akteneinsicht für Betroffene wirbt die Kommission für „eine erschöpfende und zügige Einsicht in alle Unterlagen und Datenbestände“, die mit ihrem Missbrauch zusammenhingen – soweit keine schutzwürdigen Interessen anderer Personen, wie beispielsweise anderer Betroffener, beeinträchtigt werden: „Die Daten der Akten und Unterlagen der verschiedenen Provenienzen sind zusammenzustellen und zur Akteneinsicht regelbasiert vorzubereiten.“

Betroffene zu Akteneinsicht

Ähnlich äußert sich MissBit. Schon aus Nachweisgründen bei anstehenden Schmerzensgeldprozessen sei die bedingungslose Akteneinsicht für Betroffene nötig.

Die Kommission hatte 2021 ihre auf sechs Jahre angelegte Arbeit aufgenommen. Mitglieder sind der frühere rheinland-pfälzische Justizminister Gerhard Robbers (SPD), Uwe Christoffer und Karl-Horst Wirz für den Betroffenenbeirat, die Psychologin Petra Hank und der Historiker Lutz Raphael von der Universität Trier, der frühere Abteilungsleiter im Saar-Sozialministerium, Herbert Heyd, sowie die Direktorin des Trierer Bistumsarchivs und Kanzlerin der Bischöflichen Kurie, Monica Sinderhauf.

Weitere Betroffene bekannt

Nach derzeitigem Stand einer begleitenden Studie sind bisher Fälle von 579 Betroffenen und 227 Beschuldigten zwischen 1946 und 2021 dokumentiert. Bei der Vorlage des ersten Zwischenberichts 2022 waren 513 Betroffene und 195 Beschuldigte bekannt.

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