Wie eine Agentur „Leih-Omas“, Hausaufgabenhilfen und Co. vermittelt

Mit „Herz und Hand“: Immer mehr Ehrenamtliche wollen sich engagieren

  • In Lohne vermittelt die Agentur „Herz und Hand“ Menschen, die sich ehrenamtlich für andere einsetzen wollen, an Projekte oder Menschen, die Hilfe brauchen.
  • Die Nachfrage wächst, aber auch die Zahl der Helferinnen und Helfer.
  • Leiterin Anja Sperveslage erlebt: Die Gesellschaft besteht nicht nur aus Egoisten.

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Die Älteste ist 93 Jahre alt. „Die Frau hilft einem Kind aus einer zugewanderten Familie in der Vorschule. Sie bringt ihm deutsche Wörter bei.“ Damit die Kleine den Einstieg in die Schule besser schafft.

Bei Anja Sperveslage melden sich die unterschiedlichsten Menschen: Berufstätige, die einen Ausgleich zu ihrem Schreibtisch-Job suchen, Musikschüler, die Singabende im Altenheim gestalten wollen. Oder der geflüchtete Familienvater aus Syrien, der unentgeltlich kleinere Gartenarbeiten übernimmt – und hofft, dass jemand im Gegenzug ein bisschen Deutsch mit ihm spricht.

Viele der Freiwilligen sind in Rente

Dazu viele Rentnerinnen und Rentner. Wie der Mann letzte Woche. „Ich fühle mich so leer, weil ich keine Aufgabe mehr habe“, hatte er am Telefon geklagt. Und gesagt, dass ihn das Angebot, Zeit zu verschenken und damit etwas Gutes zu tun, neugierig gemacht habe. „Warum eigentlich nicht?“

Im Kreis Vechta ist Anja Sperveslages Büro in Lohne für sie alle die richtige Anlaufstelle. Wo sie seit zwei Jahren die Freiwilligenagentur „Herz und Hand“ leitet, eine Einrichtung der katholischen Familienbildungsstätte. „Ich bringe Menschen zusammen“, sagt die gelernte Krankenschwester. Solche, die Hilfe brauchen und solche, die Zeit schenken wollen.

Die Freiwilligen können etwas Passendes heraussuchen

Auch bei den Tafeln sind viele Ehrenamtliche aktiv. | Archivfoto: Michael Rottmann
Auch bei den Tafeln sind viele Ehrenamtliche aktiv. | Archivfoto: Michael Rottmann

Ein Fragebogen hilft ihr dabei. Was benötigen Hilfesuchende? Was können und wollen die Ehrenamtlichen schenken? So versucht sie, die Einsätze für alle Seiten zu einer Win-Win-Situation zu machen. Wo jeder seine Stärken und Interessen nutzen kann.

Die Rentnerin, die gerne in der Schulküche Essen ausgeben möchte. Der handwerklich Interessierte, der Lust auf Reparatur-Einsätze bei Senioren hat. Und andere, die gerne einsamen Menschen Gesellschaft leisten wollen. Gerade nach ihnen ist die Nachfrage groß.

In fast jeder dritten Anfrage suchen die Menschen „Gesellschaft“

Bei jeder dritten Anfrage geht es um Formen von „Gesellschaft“ für einen alleinstehenden älteren Menschen. Oben an stehen auch eine Begleitung zum Arzt oder Hilfe beim Einkaufen. „Ältere Menschen fühlen sich zwischen Regalen oft unsicher“, erklärt Anja Sperveslage.

Auf ihrem Schreibtisch landen alle Anfragen und Angebote. Es werden immer mehr. 2022 hat sie insgesamt rund 100 Einsätze vermittelt und konnte in dieser Zeit auf 135 aktive Ehrenamtliche in der Kartei zurückgreifen. In diesem Jahr waren es allein bis Mitte August schon 130 Vermittlungen und 175 registrierte Ehrenamtliche.

Auch junge Familien melden sich

Anja Sperveslage, gelernte Krankenschwester, bringt im Projekt „Herz und Hand“ Ehrenamtliche mit Projekten und Menschen zusammen. | Foto: Michael Rottmann
Anja Sperveslage. | Foto: Michael Rottmann

Regelmäßig schreibt Anja Sperveslage Kurzeinsätze aus: einen Rollstuhlfahrer zu einem Fußballspiel zu begleiten oder für eine Seniorin einen Kleiderschrank abzubauen. In Rathäusern, Jugendtreffs, Wartezimmern hängen immer montags Handzettel mit den neuesten Anfragen aus. Auch auf einer digitalen Pinwand im Internet finden sich die Angebote.

Senioren machen den Großteil jener aus, für die Hilfe gesucht wird. Aber auch junge Familien, die sich eine Leih-Oma wünschen. Außerdem arbeitet die Agentur unter anderem mit dem Andreaswerk zusammen, der größten Einrichtung für Menschen mit Behinderung im Landkreis.

Ehrenamtliche über die Agentur haftpflichtversichert

Die Ehrenamtlichen sind bei ihren Einsätzen über die Agentur haftpflichtversichert, sagt Anja Sperveslage. Und ausnutzen lassen solle sich niemand. Deshalb ist sie zurückhaltend, wenn es um Hilfe im Haushalt oder im Garten geht.

„Mal einen Strauch ausgraben – okay“, sagt sie. Es sei aber nicht Sinn der Sache, jemanden als ehrenamtliche Putzfrau oder als Gärtner zu vermitteln. „Dafür gibt es Firmen und bezahlte Kräfte.“

Die jüngste Helferin war elf

Die jüngste Ehrenamtliche war elf Jahre alt. Sie gibt Nachhilfe für ein zugewandertes Kind. Statt Geld gibt es für die Schülerin am Ende eine Urkunde, die sie später etwa bei einer Stellenbewerbung dazulegen kann.

Aber Anja Sperveslage hört immer wieder, dass es eine andere Form von „Vergütung“ gibt: „Wenn Ehrenamtliche sagen, wie sehr es ihnen selbst gut tut, anderen zu helfen.“

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