Erzbischof von Manaus vor Kardinalsernennung zu Gast in Südoldenburg

Neu-Kardinal Steiner: Synodaler Weg ist eine Chance - trotz Spannungen

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Leonardo Steiner ist Erzbischof von Manaus (Brasilien) und kommt seit 25 Jahren als Ferienvertretung regelmäßig nach Südoldenburg. Auch in diesen Tagen ist er zu Gast in der Pfarrei St. Vitus Visbek, bevor er am kommenden Wochenende von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt wird. Im Interview beschreibt der Franziskanerpater, der auch Deutsch spricht, wie er von seiner Kardinalsernennung erfuhr und was er vom Synodalen Weg hält.

Erzbischof Steiner, wie haben Sie erfahren, dass Sie Kardinal werden?

Es war Sonntagmorgen. Einer der beiden Weihbischöfe, mit denen ich zusammen wohne, sagt: „Herzlichen Glückwunsch!“ Ich fragte: „Wieso?“ – „Du wurdest zum Kardinal ernannt!“ Ich habe das zunächst für einen Scherz gehalten. Ich musste dann noch zu einem Gottesdienst in eine Gegend weit weg, in der es keinen Strom gibt. Erst im Laufe des Nachmittags habe ich es tatsächlich realisiert.

Was haben Sie nach der Ernennung empfunden?

Für mich war das eine Überraschung. Dann dachte ich: Der Heilige Vater denkt wieder an das Amazonasgebiet. Auch andere haben so empfunden: Während der Pandemiezeit hat der Heilige Vater uns angerufen. Jetzt hat er wieder zum Amazonas geschaut. Er hat, so meine ich, eine tiefe Beziehung zu unserem Gebiet. Zu unserer Kirche. Zu unseren Problemen. Die Ernennung ist also kein Verdienst von mir. Es ist auch keine Erhöhung meiner Person, sondern ein Dienst.

Was wird Ihr wichtigstes Ziel sein als Kardinal?

Unsere Kirche in Amazonien ist eine, die zusammenarbeitet. Wir diskutieren. Wir treffen uns als Bischöfe, als Laien. Das gibt es eine tiefe Beziehung untereinander. Das möchte ich fortführen. Dann sind mir die vier Träume wichtig, die Papst Franziskus uns in einem Brief nach der Amazonas-Synode mitgeteilt hat. Die können unserer Kirche Orientierung und Hoffnung geben.

Von welchen Träumen reden Sie?

Das ist etwa der Sozialtraum: Es kann nicht mehr ein so riesengroßer Unterschied sein zwischen Arm und Reich. Da ist der Kulturtraum: Es gibt so viele verschiedene Kulturen in Amazonien. Es gibt die indigene Kultur, verschiedene Religiositäten. Der Papst sagt, dass diese Kulturen nicht auf die Seite gedrängt werden dürfen. Der dritte Traum bezieht sich auf das Thema Ökologie. Die Kirche soll sich hier einsetzen und Gesicht zeigen. Dieser Brief also ist mir wichtig. Wir dürfen als Kirche nichts zur Seite schieben. Wenn man das Wort Gottes liest, kann man diese Träume alle darin finden.

Das heißt, sie werden auch als Kardinal in Manaus bleiben.

Genau.

Die Kirche in Deutschland durchlebt aktuell eine schwere Krise. Was ist Ihr Rat?

Ich glaube, man darf keinen Rat geben. Man sollte vielmehr zusammen reflektieren und in den Dialog kommen. Ich glaube, immer, wenn es eine Krise gibt, gibt es eine Chance, dass man die Wahrheit wieder findet. Wenn man offen ist und nichts unter den Teppich kehrt, ist das eine große Möglichkeit, dass die Kirche sehr lebendig wird. Wir hatten schon viele sehr schwierige Momente in der Geschichte. Ich sehe das als Chance für die Kirche in Deutschland.

Und was sagen Sie zum Reformprozess Synodaler Weg?

Auch den Synodalen Weg halte ich für eine Chance. Natürlich, das bringt Spannungen. Da darf man aber nie bange sein. Auch wenn es aggressive Meinungen gibt, darf man keine Angst haben. Ich meine, dass immer eine Chance da ist. Immer. Denn das Reich Gottes ist ja nicht unser Wille. Es setzt sich immer in der Geschichte durch. Das hängt nicht von unserer Meinung ab. Was wir nur immer fragen müssen: Sind wir Mitarbeitende am Reich Gottes? Wo man meint, dass Gott verschwunden ist, dort ist er vielleicht noch mehr da, als wir denken. Er ist die einzige Kraft, die uns weiterführt. Auch in der Krise.

Was am Evangelium ist Ihnen das wichtigste, das Sie der Welt verkünden möchten?

Zur Person: Leonardo Ulrich Steiner (71) ist Franziskaner und wurde 2019 zum Erzbischof für das Amazonas-Bistum Manaus ernannt. Zuvor war er Weihbischof in Brasilia. Er stammt aus Südbrasilien. Auf Vermittlung des gebürtigen Visbekers und heutigen Bischofs von Obidos (Brasilien), Johannes Bahlmann, hat Steiner bereits mehrfach Ferienvertretungen in den Pfarreien St. Antonius Rechterfeld und St. Vitus Visbek übernommen.

Papst Franziskus hat uns wieder erweckt für das Thema Barmherzigkeit. Wenn wir darüber meditieren, sieht man, was Kirche, Glaube und Gemeinde ist. Barmherzig sein, ist sein wie Gott, der immer barmherzig ist. Er liebt alle, auch die ihn nicht lieben. Er liebt auch die, die sagen, dass er nicht existiert. Wenn man das Evangelium liest, sieht man, dass Jesus immer barmherzig ist. Er ist sozusagen das "Gottesgesicht".

Kann Barmherzigkeit als roter Faden für die Kirche dienen?

Ja, Barmherzigkeit führt zusammen, spaltet nicht.

Der Anlass, dass Sie jetzt ins Oldenburgische gekommen sind, ist eine Goldene Hochzeit. Kommendes Wochenende werden Sie in den Kardinalsrang erhoben. Ist die Treue im Kleinen auch eine Tugend?

Goldene Hochzeit ist nicht klein. Das ist ein Zeichen, wie wir leben können, wie wir uns hingeben können. Ich habe die Silberhochzeit dieses Paares vor 25 Jahren auch schon erlebt. Das ist auch ein Zeichen: Familie kann weitergeben. Glaube kann weitergehen.

Da lernen Sie auch als Erzbischof beziehungsweise Kardinal dazu?

Man lernt immer dazu. Auch im Kleinen. Bei den kleinen, armen Gemeinden. In Manaus gibt es entlang der Flüsse viele kleine Gemeinden mit etwa 20 Familien. Ich gehe da sehr gerne hin. Da staune ich, wie alle froh sind, sich helfen, gemeinsam beten, singen. Da lernt man sehr viel dabei.

Welchen Wunsch haben Sie für die kommenden Jahre für sich und die Kirche?

Ich hoffe, dass ich weiter dienen kann.

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